Laut der Analyse von Experten aus Kiel gibt es in Reinfeld eine rechtsextreme Szene. Polizei und Kommunalpolitiker widersprechen.
Reinfeld/Kiel. An der Regionalanalyse zum Thema Rechtsextremismus in Nordstormarn, die zwei Experten aus Kiel ausgearbeitet haben, gibt es Kritik. Vertreter der Polizei und Reinfelder Politiker widersprechen der Kernaussage des Gutachtens, dass besonders in Reinfeld eine rechtsextreme Szene aktiv ist (wir berichteten). Andere Politiker, aber auch Verwaltungsmitarbeiter bestätigen diese These allerdings. Von Bürgermeister Gerhard Horn war in den vergangenen Tagen keine Aussage zu dem Thema zu bekommen. Die Analyse aus Kiel wird Reinfeld aber weiter beschäftigen: Für August ist eine öffentliche Veranstaltung mit Diskussion geplant, auf der das Gutachten öffentlich vorgestellt wird.
Die Studie, die bereits jetzt die Gemüter erregt, ist 31 Seiten dick und befasst sich mit den Städten Reinfeld, Bad Oldesloe und Bargteheide. Zwei Mitarbeiter des Beratungsnetzwerks gegen Rechtsextremismus in Kiel haben sie im Auftrag der Kreisverwaltung ausgearbeitet. Sie forschten ein Jahr lang in der Region und führten insgesamt 26 Interviews, unter anderem mit Mitarbeitern der Schulen, der Jugendpflege und auch der Polizei. Das Fazit des Berichts: in der Region existiere "seit Jahren eine organisierte Szene vor allem junger Rechtsextremer", die "kontinuierlich propagandistisch und gewalttätig aktiv" sei. Und: "Dies betrifft vor allem Reinfeld".
Vonseiten der Polizeidirektion Ratzeburg, die für Stormarn zuständig ist, wird jetzt allerdings genau dieser Aussage widersprochen. "Nach Rücksprache mit dem zuständigen Fachkommissariat der Bezirkskriminalinspektion Lübeck gibt es keine organisierte rechtsextreme Szene in Reinfeld", teilte die Sprecherin Sonja Kurz auf Abendblatt-Anfrage mit. Und: "Auch von kontinuierlichen gewalttätigen Aktionen kann nach unseren Erkenntnissen nicht seriös gesprochen werden."
Ganz ähnlich sieht es der Reinfelder Bürgervorsteher Hans-Peter Lippardt. "Reinfeld wird in dieser Studie zu etwas hochstilisiert, was es nicht ist. Aus meiner Erfahrung gibt es keine rechtsextreme Szene in der Stadt", sagt der CDU-Politiker. Die Ortsvorsitzende der Christdemokraten Gabriele Huhn pflichtet ihm bei: "Wir haben hier keine Neonazi-Szene. Es gibt vielleicht solche Leute in Reinfeld, aber sie sind hier nicht aktiv und organisiert", sagt die Politikerin. Und ergänzt: "Ich möchte nicht, dass es so aussieht, als hätten wir hier eine Szene. Das könnte eher Rechtsradikale animieren, sich für Reinfeld zu interessieren."
Keine rechtsextreme Szene in der Stadt? Diese Meinung wird nicht überall in Reinfeld geteilt. "Es ist zumindest bekannt, dass es eine Gruppe hier gibt, die dem rechten Spektrum zuzuordnen ist und die auffällig ist", sagt Wolfram Zieske, Büroleiter im Rathaus. Und auch Gerd Herrmann, der seit Jahren für die SPD im Stadtrat sitzt, kommt zu einem anderen Urteil als die CDU-Politiker. "Das Problem Rechtsextremismus gibt es in der gesamten Gesellschaft. Aber vielleicht schlägt diese Welle bei uns ein bisschen höher", sagt Gerd Herrmann, der auch Sprecher des Kriminalpräventiven Rats ist. Das Gremium wurde vor zwei Jahren gegründet, um Jugendkriminalität zu bekämpfen. Ein Schwerpunkt der Arbeit des Rates, an dessen Sitzungen Vertreter von Vereinen und Feuerwehr, der evangelischen Jugend und Polizei teilnehmen, ist Rechtsradikalismus bei Jugendlichen. Auch Vertreter der linken Antifa-Szene nehmen teil, zu denen Gerd Herrmann deshalb seit Jahren Kontakt hat.
"Sie haben reale Begegnungen mit Vertretern der rechten Szene. Diese Schilderungen sind glaubwürdig und keine Hirngespinste", sagt er. Dass es vor allem die Schilderungen von Jugendlichen sind, die auf eine rechtsextreme Szene hinweisen, sagt auch Maria Weigert, Vorsitzende der Wählerinitiative Reinfeld (WIR): "Ich persönlich glaube nicht, dass es hier schlimmer ist als in Bargteheide oder Bad Oldesloe. Aber die Jugendlichen sagen, dass es so ist. Und die sind vielleicht näher dran. Wir Erwachsenen sind ja üblicherweise nicht die Zielscheibe."
Das Gutachten aus Kiel, darin sind sich alle Politiker einig, muss in Reinfeld jetzt diskutiert werden. Gerd Herrmann hat schon Pläne: "Wir werden eine Veranstaltung organisieren, bei der der Bericht öffentlich besprochen wird. Das wird voraussichtlich in der zweiten Augusthälfte passieren." Bei aller grundsätzlichen Zustimmung hat auch er Kritik: "Es sind viele Schilderungen darin, von Menschen, die Opfer rechter Gewalt wurden. Aber mir fehlt die Einbettung in die Zusammenhänge. Ich würde gerne die Umstände dieser Vorkommnisse kennen. Da ist in der Analyse ein gewisser Mangel."