Thomas-Michael Hoffmann, Leiter der Staatsanwaltschaft Lübeck will gegen Betrüger vorgehen und rechtsfreier Zone entgegenwirken.
Ahrensburg. In der Kriminalität im Internet sieht er eine große Bedrohung, die immer mehr Menschen betrifft. Deshalb hat sich Thomas-Michael Hoffmann, der neue Leiter der Lübecker Staatsanwaltschaft, die konsquente Verfolgung der Computerdelikte auf die Fahnen geschrieben. Das sei mitunter extrem schwierig, auch wenn seine Mitarbeiter gut geschult seien: "Natürlich sind uns diese Kriminellen immer einen Schritt voraus. Doch der Abstand darf nicht zu groß werden", sagt der Jurist und fügt hinzu: "Das Internet darf keine rechtsfreie Zone werden. Dem müssen wir entgegenwirken."
Doch gerade im Netz stoßen die Ermittler schnell an ihre Grenzen. "Wenn zum Beispiel der PC von Internetbetrügern in den Vereinigten Staaten steht, können wir diesen nicht einfach beschlagnahmen", sagt Hoffmann, Chef von 50 Staatsanwälten, die neben Lübeck, den Kreisen Ostholstein und Herzogtum Lauenburg auch für Stormarn zuständig sind. "Wir müssten dann über die Regierung gehen. Ein Verfahren, das mehrere Monate dauern kann. Die Täter sind dann schon über alle Berge."
Ist Gefahr im Verzug, haben die Ermittler Möglichkeiten gefunden, den langen Weg über die Regierungen zu umgehen. "Ich erinnere eine Amok-Androhung im Internet, die über einen Server in den USA gelaufen ist. Wir haben uns an die deutsche Zentrale von Microsoft gewandt. Innerhalb einer halben Stunde wussten wir, wo der Rechner steht."
Der Softwareriese ist zwar nicht verpflichtet, der Staatsanwaltschaft Auskunft zu geben, Hoffmann glaubt aber, dass in solch einem Fall ein Unternehmen wohl kaum seine Hilfe ablehne. Neben Betrügern machen sich beispielsweise auch Neonazis das Internet zunutze, um ihr Gedankengut zu verbreiten. "Wir müssen dann differenzieren, ob es sich um Meinungsfreiheit handelt oder der Strafbestand der Volksverhetzung erfüllt ist", sagt Hoffmann. Im Fall des Mannes, der rund 700 in Stormarn gedrehte Videos mit rassistischen Äußerungen ins Netz gestellt hat (siehe auch Seite 10), steht für den Juristen fest, dass eine Straftat vorliegt. Ermittler haben bereits die Rechner des Ingenieurs beschlagnahmt.
Ein Grünen-Politiker aus Lübeck, war auf die Videos gestoßen und hatte Anzeige erstattet. "Auf solche Hinweise sind wir angewiesen", sagt Hoffmann: "Wir haben schließlich keinen Überwachungsstaat - zum Glück." Er selbst bezeichnet den Rechtsextremismus als latent vertrautes Problem. "Wir sind keineswegs auf dem rechten Auge blind", sagt er und fügt hinzu: "Wir verfolgen jeden Ansatz." Hoffmann spricht von höchster Wachsamkeit, aber keiner Hysterie. Auch werde es für die Lübecker Staatsanwaltschaft keine Konsequenzen aus dem Fall der Zwickauer Neonazi-Zelle geben. "Wir haben in der Vergangenheit rechtsextreme Straftaten konsequent verfolgt und werden es auch in Zukunft tun", so Hoffmann.
Einen weiteren Schwerpunk seiner Arbeit sieht er in der Bekämpfung der Gewaltkriminalität. "Die Angst vor Gewalt ist eine Verminderung der Lebensqualität, insbesondere für ältere Menschen", so Hoffmann. Deswegen erwartet er ein hohes Maß an Engagement. "Wenn beispielsweise nach einem schweren Raub, bei dem vielleicht sogar jemand halbtot geschlagen wurde, die ersten Erkenntnisse der Polizei für einen Haftbefehl nicht ausreichen, erwarte ich von meinen Mitarbeitern, dass sie sofort klären, ob es weitere Argumente für eine U-Haft gibt. Auch wenn der Staatsanwalt dafür am Wochenende in die Behörde fahren muss", sagt der 61-Jährige. "Dies ist jetzt keine neue Anweisung, jedoch soll sich daran auch nichts ändern", stellt der Jurist klar, der Mitte Dezember von Justizminister Emil Schmalfuß (parteilos) zum Nachfolger von Heinrich Wille ernannt wurde.
Seitdem sind Hoffmann die neun Abteilungen der Lübecker Staatsanwaltschaft unterstellt. Die meisten der 202 Mitarbeiter, davon etwa ein Viertel Staatsanwälte, arbeiten in der Abteilung für Wirtschaftskriminalität. "Die Ermittlungen dort sind sehr aufwendig, füllen oft stapelweise Kisten voller Akten. Entsprechend lange dauert ein solches Verfahren", sagt Thomas-Michael Hoffmann, der zuvor sieben Jahre lang die Schwerpunktabteilung Wirtschaftsstrafsachen bei der Staatsanwaltschaft in Kiel geleitet hat.
"Beispielsweise klagten wir dort im September 2009 die Betreiber von Flirt-SMS-Chats wegen gewerbsmäßigen Bandesbetrugs an. Ihnen wird vorgeworfen, Hunderttausende Handynutzer um etwa 46 Millionen Euro betrogen zu haben", sagt Hoffmann. Kunden, die im SMS-Chat ihren Traumpartner suchten, fielen auf professionell geschulte Mitarbeiter herein. Pro SMS berechneten die Betreiber zwischen 50 Cent und 1,10 Euro. "Dieses Verfahren ist noch immer nicht abgeschlossen", so der Oberstaatsanwalt, der darauf hinweist, dass es insbesondere bei der Wirtschaftskriminalität oft schwierig ist, die Schuld zu beweisen. "Wir sind aber gut aufgestellt, haben Betriebswirte, die uns unterstützen", sagt Thomas-Michael Hoffmann.
Genauso gradlinig wolle er auch gegen Jugendkriminalität vorgehen. Vorwürfe, dass mehrfach wegen Gewaltstraftaten vorbestrafte junge Täter immer wieder Bewährung bekommen würden, weist er zurück. "Natürlich steht im Jugendstrafrecht der Erziehungsgedanke und nicht die Strafe im Vordergrund. Sind wir jedoch der Meinung, ein Richter habe zu mild geurteilt, legen wir Rechtsmittel ein", sagt Hoffmann. Zu einer Verschärfung des Jugendstrafrechts sagt der Oberstaatsanwalt nur: "Die Politik gibt die Gesetze vor." Diese könnten oft kriminelle Karrieren nicht verhindern - egal, wie hart sie seien. Da sei die Erziehung gefragt. "Eltern müssen ihren Kindern Werte vermitteln", sagt der Vater zweier Töchter, von denen eine ebenfalls Juristin ist. Die 28-Jährige hat vor kurzem ihr zweites Staatsexamen abgelegt. Seine 30-jährige Tochter ist Theologin.
Nach Feierabend spielt der neue Leitende Oberstaatsanwalt am liebsten Tennis. "Zwei- bis dreimal die Woche bin auf dem Platz", sagt Hoffmann, der mit seiner Frau in Kiel lebt. Neben der Arbeit und dem Sport hat der 61-Jährige eine weitere Leidenschaft. Er liest gerne historische Sachbücher, insbesondere über die römische Republik. "Ich finde es faszinierend, dass wir viele Strukturen in unserem heutigen System wiederfinden", sagt Hoffmann: "Zum Beispiel gab es damals die Vize-Quästoren, das waren in der römischen Republik die Staatsanwälte."