Missbrauchsfälle laut Staatsanwaltschaft verjährt. Kirche ermittelt weiter
Ahrensburg. Die Staatsanwaltschaft Lübeck hat das Verfahren in den ihr bisher bekannten Fällen sexueller Übergriffe eines evangelischen Ahrensburger Pastors im Ruhestand wegen sogenannter Verfolgungsverjährung eingestellt. Das bedeutet, der 71-Jährige wird zumindest für die ihm bislang vorgeworfenen Vergehen nicht vor Gericht gestellt und bleibt straffrei. Dem Geistlichen wird der Missbrauch von Schutzbefohlenen Ende der 70er Jahre bis Mitte der 80er Jahre während seiner Amtszeit in der Schlossstadt vorgeworfen. Bei den Delikten liegt die Verjährungsfrist bei zehn Jahren nach der Tat beziehungsweise nach dem 18. Geburtstag der Opfer.
Staatsanwaltschaft prüft weiter, was die Kirche "an uns heranträgt"
Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Schultz sagt: "Selbst wenn wir von einer besonderen Schwere des Delikts ausgingen mit einer Verjährungsfrist von 20 Jahren, wofür wir derzeit keine Anhaltspunkte haben, wäre diese verjährt. Wir prüfen aber alles, was von der Kirche oder anderer Seite an uns herangetragen wird." Nur wenn sich Opfer meldeten, deren Missbrauch noch nicht verjährt sei, könne strafrechtlich gegen den Pastor ermittelt werden.
Die kircheninternen Untersuchungen laufen indes weiter auf Hochtouren. Ein Krisenstab, der sich aus Vertretern der Ahrensburger Gemeinde, des Kirchenkreises Hamburg-Ost und der Landeskirche zusammensetzt, tagt mehrmals wöchentlich. "Das Ausmaß des Erschreckens ist groß, die Dimensionen bewegen", sagt Nordelbiens Sprecher Thomas Kärst. Die Kirche ermittelt in fünf Fällen, in denen sich Opfer an die Kirche wandten, prüft weitere Namen mutmaßlicher Opfer. "Rund ein Dutzend Fälle", bestätigt Kärst. Sie seien alle verjährt. "Wir hören die Opfer an und leiten die Fälle an die Staatsanwaltschaft weiter", so Kärst. Diese Prozedur könne sich noch bis ins nächste Jahr hinziehen. Da die Fälle lange zurückliegen, sei es zeitintensiv, die betroffenen Personen ausfindig zu machen und anzuhören. Wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind, wird ein Kirchengericht über disziplinarische Konsequenzen für den Pastor entscheiden.
Indes arbeitet die Ahrensburger Kirchengemeinde die ungeheuerlichen Vorwürfe weiter auf. Das dafür gegründete Gremium saß Montagabend erstmals zusammen. Zum Gremium zählen Pastoren, Pröpstin Margit Baumgarten, Stefanie Meins und Thomas Schollas vom Kieler Kirchenamt, beide zuständig für Genderfragen und sexuellen Missbrauch in kirchlichen Dienstverhältnissen, Wolfgang Främke (Öffentlichkeitsarbeit Kirchenkreis Hamburg-Ost) sowie Kirchenvorstände, darunter eine Lehrerin, eine Kinderärztin und eine Therapeutin. Moderiert werden die Sitzungen von Hans-Jürgen Buhl, Pastor und Organisationsberater im Kirchenkreis Stormarn. Er ist künftig auch mit der Koordination der Gremiumsarbeit beauftragt. Dafür richtet er sich gerade ein Büro in Ahrensburg ein.
"Wir analysieren gemeinsam das Problem und beraten, wie wir angemessen reagieren können", sagt Pastor Helgo Matthias Haak. Ein erster Beschluss ist die Bildung eines Arbeitskreises für Prävention sexualisierter Gewalt. Haak: "Dieser wird sich in den kommenden sechs Wochen mit dem Thema befassen, Maßnahmen und Experten recherchieren und das Ergebnis im Gremium präsentieren."
"Wir werden uns den Fragen der Gemeindemitglieder stellen"
In den vergangenen zwei Wochen habe er zudem viele Gespräche mit Opfern geführt. Haak: "Das hat uns einen tieferen Blick gegeben und war ein wertvolles Korrektiv." Der Sitzung am Montag wohnte als Gast auch ein Opfer bei. Dieses bescheinigte dem Gremium Handlungswillen. "Ich habe ein gutes Gefühl. Die Kirche ist betroffen, aber nicht gelähmt", sagte Haak am Dienstag. In diesen Tagen beschäftigt die evangelische Gemeinde auch die Frage, wie sie ihr Kirchenfest am kommenden Sonntag in der Johanniskirche gestaltet. Pastor Haak: "Wir werden feiern und wir werden uns den Fragen der Gemeindemitglieder stellen. Wir wollen ins Gespräch."