Meine Firma: In unserer Serie stellen wir Betriebe aus Stormarn vor - ein Besuch in der Bargteheider Gärtnerei Jentsch
Bargteheide. Blumen für den Blumenhändler? Das heißt doch Eulen nach Athen tragen. "Überhaupt nicht. Floristen schenken sich immer gegenseitig Blumen. Wir können nicht genug davon kriegen", sagt Birte Jentsch. So trudelten vor einigen Tagen reichlich Gäste in den Bargteheider Gartenbaubetrieb an der Hamburger Straße ein und gratulierten mit dicken Sträußen zum 75 jährigen Bestehen der Firma. "Ohne diese Begeisterung für die Pflanzen könnten wir den Job nicht machen" sagt Kai Jentsch. Schenkt der Chef der Chefin denn auch rote Rosen? "Nein", sagt der Floristmeister und freut sich über den verblüfften Gesichtsausdruck seines Gegenübers. "Meine Frau liebt rote Ranunkeln. Sie bekommt immer die ersten und die schönsten."
Nach dem langen und eisigen Winter sind die Kunden richtig "angepikst"
Im Augenblick ist allerdings wenig Zeit für galante Gesten. Es brummt im Laden. "Der Winter war so lang, jetzt sind die Leute angepikst wie nichts Gutes. Die wollen sich unbedingt den Sommer nach Hause holen. Petunien, Verbenen, alles ist schon da. Gut zwei Wochen früher als sonst. Wir stehen in den Startlöchern", sagt Birte Jentsch.
So treibt der hartnäckige Winter eigenartige Blüten. Während sich für den verträumten Rest der 20 000 selbst gezogenen Stiefmütterchen noch immer Abnehmer finden, recken sich gleich daneben die Geranien. Birte Jentsch: "Dass wir beides parallel verkaufen, ist spannend", aber auch Ausdruck der Konkurrenz. "Die Supermärkte haben die Ware bereits. So sind wir fast gezwungen nachzuziehen", sagt die Chefin. Kopfzerbrechen bereitet ihr das nicht. "Da werden Eisbegonien verkauft, weil die besonders frostunempfindlich sein sollen. Das ist totaler Blödsinn." Mit anderen Worten: Fachliche Beratung sieht anders aus. Und was die Vielfalt angeht, kann der Familienbetrieb ohnehin punkten.
"Wir führen 100 verschiedene Schnittblumen. Dazu kommen Beet- und Balkonpflanzen, Kräuter und Orchideen", sagt Kai Jentsch. Ein Sortiment von 450 verschiedenen Pflanzen will gut untergebracht und präsentiert sein. Da haut der Chef auch schnell mal Glasfronten ein und baut, wie gerade geschehen, in einer Woche eins der sieben Gewächshäuser in einen neuen, dritten Verkaufsraum um. Damit überall das richtige Klima herrscht, die Pflanzen gegen Frost geschützt sind und Orchideen bei 21 Grad und Geranien bei 18 Grad gedeihen, hat Ehepaar Jentsch 150 000 Euro investiert und vor sechs Jahren eine Holzschnitzelheizung gebaut. Das ist auch gut für das Klima außerhalb der Gartenwelt. Die Anlage spart im Jahr 200 Tonnen CO2-Austoß. Mit zwei Zisternen werden 1700 Kubikmeter Regenwasser aufgefangen, der Trinkwasserverbrauch um 1200 Kubikmeter reduziert.
Wärme und Wasser allein reichen nicht. Die sprichwörtliche liebende Hand wird gebraucht. So kümmern sich ein Gärtner, fünf Floristinnen und sechs Auszubildende um all die blühenden und sprießenden Schönheiten. Doris Wuwer ist schon 20 Jahre dabei: "Ich hatte eine ziemlich lange Familienpause. Als mich die Senior-Chefs fragten, habe ich wieder angefangen. Und es tut mir gut." Anne-Lore Petersen (18) ist gerade einmal ein halbes Jahr dabei: "Ich kann kreativ sein und habe Umgang mit Menschen." Aber warum gerade Floristin? Die 18-Jährige kommt nicht so richtig raus mit der Sprache. Die Chefin springt ein: "Ihre Mutter ist auch Floristin und hat mich ausgebildet." Anne-Lore Petersen weiß bereits, dass Sträuße im Quirl gebunden werden müssen, damit die Blumen schön fallen. Und Tipps nebenbei gibt es auch. "Die Stengel der Calla umwickelst Du unten mit Tesafilm, damit er sich im Wasser nicht aufkringelt", gibt die erfahrene Kraft an den "Frischling" weiter.
Zum Team gehört auch eine Fahrerin - und eine "Seefahrerin". Sie schippert auf der MS Deutschland über die Weltmeere und arrangiert die von Bargteheide aus in Holland georderten und eingeflogenen Blumen in Kajüten und Salons. Ein Traumjob auf dem Traumschiff. Die Fuhre am vergangenen Sonnabend ging nach Rom: 2500 Schnittblumen. Ab Mai wird der Bargteheider die Ware selbst anliefern, auch Blumen aus eigener Produktion. Denn dann legt die "MS Deutschland" wieder alle 14 Tage in Hamburg, Kiel oder Travemünde an.
Selbst der zweitreichste Mann Russlands schipperte mit Blumen aus Bargteheide an Bord: Roman Abramowitsch. Er weilte mit seiner "Pelorus" während der Fußball-WM in deutschen Gewässern. Auf Empfehlung eines Freundes gingen Kai und Birte Jentsch an Bord und schmückten, was es zu schmücken gab: inklusive Wellness- und Fitnessbereich. Detlef und Irmtraut Jentsch sind derweil Zuhause eine Stütze. Die Orchideen-Kultur liegt dem Seniorchef besonders am Herzen. Und noch eins: "Ich bleibe bei Naturmitteln", sagt der 73-Jährige. So setzt er auf die Schlupfwespe. Auf deren Speiseplan: die weiße Fliege. Sind die weg, können sich die Weihnachtssterne entfalten. Und die kommen bestimmt.