Ministerpräsident Erdogan löst auch in Stormarn Debatte über türkische Schulen aus. Wie gut funktioniert das Zusammenleben von Deutschen und Menschen mit Migrationshintergrund? Die Stormarn-Regionalausgabe des Abendblattes hat nachgefragt.
Ahrensburg. "In Deutschland sollten Gymnasien gegründet werden können, in denen in türkischer Sprache unterricht wird, und die Bundesregierung sollte darin kein Problem sehen", hatte der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan kürzlich gefordert. Über diesen polarisierenden Vorschlag sprach er auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel während ihrer Türkeireise. Auch bei den Menschen in Stormarn, Türken wie Deutschen, hat dieser Vorstoß Diskussionen ausgelöst.
"Ich halte den Vorschlag für richtig und wichtig", sagt Can Özren aus Elmenhorst. "Bildung ist Zukunft. In welcher Sprache, das ist zweitrangig", so Özren, der seine Dissertation über die deutsch-türkischen Beziehungen geschrieben hat und heute als Pressesprecher der Industrie- und Handelskammer zu Lübeck arbeitet. In verstärktem türkischen Unterricht sieht er vor allem Chancen. Özren: "Natürlich muss in Deutschland die Hauptsprache Deutsch sein. Wenn aber das Türkische zusätzlich den Zugang zu Bildung eröffnet, ist das nur zu begrüßen."
Soner Bulut aus Großhansdorf teilt Özrens Meinung nicht. Er sagt: "Meine Kinder würde ich nicht auf eine türkische Schule schicken." Dass jetzt eine Diskussion um eine neue Schulform entbrannt ist, finde er übertrieben. "Ich verstehe die ganze Aufregung um Erdogans Äußerungen nicht. In Deutschland fühlt man sich immer schnell bedroht, wenn es um die Türkei geht", sagt der in Hamburg geborene Künstler, der in Ahrensburg ein Atelier betreibt. "Wenn ich mit meinen griechischen Freunden spreche, erzählen die mir, dass es in Deutschland schon lange Schulen gibt, in denen auf Griechisch unterrichtet wird. Darüber regt sich niemand auf", sagt er. Deutsch zu lernen sei wichtig. Jedoch könne man die Leute nicht dazu zwingen, denn Deutschland sei ein demokratisches Land. Somit könne jeder reden, wie er wolle, sagt der Künstler. "Eine Diskussion darüber ist in Ordnung." Ihn störe dabei allerdings eine gewisse "Grundaggressivität", die er auch im Alltag zwischen Deutschen und Türken beobachtet habe.
Die Integration, besonders von türkischen Mitbürgern, ist seit Jahren ein intensiv diskutiertes Thema. Immer wieder fällt der Begriff "Parallelgesellschaft". Unter diesem Begriff versteht man, wenn eine Minderheit sich bewusst so isoliert, dass sie sich von der Mehrheit einer Gesellschaft abspaltet. Politiker fordern seit Jahren, dass sich Ausländer in die deutsche Gesellschaft integrieren sollen. Der Erfolg von Integrationsbemühungen wird oft in Frage gestellt. "Ich habe den Eindruck, dass manche sich nicht integrieren lassen wollen", sagt die Ahrensburgerin Anja Schickore. Dass Menschen einer Nationalität sich eigene Nachbarschaften aufbauen, sei normal. "Man gesellt sich zu seinesgleichen, das ist bei uns Deutschen doch genauso."
Die Werte der Gesellschaft möchte Reiner Schacht aus Ammersbek erhalten. "Möglicherweise sollten die Türken ihre Kultur hier in Deutschland etwas zurückstellen." So würden ja in der Türkei auch kaum christliche Kirchen gebaut werden. Ina Wolff aus Ahrensburg glaubt, dass Türken sich in Deutschland besser anpassen sollten, vor allem durch das Erlernen der Sprache. Von türkischen Schulen halte sie wenig: "Türkisch ist nicht die Sprache, die meine Kinder lernen sollen." Ina Wolff erwartet zwar, dass Türken Deutsch lernen. Aber sie sagt auch: "Es wäre wohl gut, wenn Deutsche Türkisch lernten. Dann könnte man sich gegenseitig wohl besser helfen." Auch Can Özren spricht sich für ein besseres Miteinander aus. Er sagt: "Es darf keine Parallelgesellschaft geben." Die Gründe für solch eine Entwicklung liegen seiner Meinung nach in der Vergangenheit: "In den 60er-Jahren, als viele Türken zum Arbeiten nach Deutschland kamen, haben es die Regierungen beider Länder versäumt, die Türken auf das Leben in Deutschland vorzubereiten."
Nusrettin Dag aus Bad Oldesloe kam vor 20 Jahren nach Deutschland, um sein Glück zu machen. Er ist einer von 1598 in Stormarn gemeldeten Türken. "Die Menschen sollten zusammenleben und nicht von anderen isoliert", ist sein Wunsch. "Es kann nicht sein, dass hier viele Türken ohne deutsche Nachbarn leben", sagt Dag. Den Vorschlag des türkischen Premiers Erdogan, der auch türkische Lehrer nach Deutschland entsenden möchte, findet er gut. Denn: "In der Türkei gibt es sehr gute Schulen und Lehrer."
Dina Kembouche ist Deutsch-Marokkanerin, lebt in Ahrensburg. Die Schülerin der Stomarnschule absolviert zurzeit ein Praktikum bei der Ahrensburger Gleichstellungsbeauftragten Gabriele Fricke. Aufgrund ihres Familienhintergrundes ist Dina Kembouche besonders für die Beziehungen zwischen Deutschen und Ausländern sensibilisiert: "Deutsche und Menschen aus anderen Ländern kommen nur schwer aufeinander zu." Dieser Entwicklung versucht Gabriele Fricke entgegenzuwirken. Sie glaubt: "Die Integration, nicht nur der Türken, sondern aller Ausländer, ist in Ahrensburg gelungen. Als Beispiel nennt sie den Stadtteil Gartenholz: "Besonders in den 90er-Jahren gab es dort gewisse Spannungen. Obwohl diese inzwischen verflogen sind, hängt dem Stadtteil noch ein schlechter Ruf nach." Dabei zeige das jährlich im September stattfindende Gartenholzfest, wie multikulturell es inzwischen in der Schlossstadt zugehe. Wie gut das Zusammenleben zwischen Deutschen und Menschen mit Migrationshintergrund funktioniere. Dass Integration in Ahrensburg eine Erfolgsgeschichte ist, glaubt auch Ahrensburgs künftiger Bürgermeister Michael Sarach: "Es gibt eigentlich nur wenig Verbesserungsbedarf." Seiner Meinung nach liegt das an vielen engagierten Menschen, die ehrenamtlich arbeiteten. Als Verwaltungschef möchte er dies weiter fördern: "Ich werde mich dafür einsetzen, das gute Volkshochschulangebot weiter zu verbessern. Dort kann Deutsch gelernt werden und alles, was unsere Gesellschaft ausmacht."