Das Bildungsministerium will starre Vorgaben lockern. Der Unterricht im Klassenverband soll zurückgeschraubt werden.
Ahrensburg. Nur zwei Schuljahre nach Einführung der Profiloberstufe an Gymnasien ist dieses Reformwerk schon wieder Makulatur. Nach Informationen der Regionalausgabe Stormarn des Hamburger Abendblattes plant der Kieler Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP), wichtige Änderungen abzuschwächen oder ganz zurückzunehmen. Das Ziel: Die Schüler sollen mit dem Eintritt ins elfte Schuljahr wieder mehr Möglichkeiten haben, die für sie ideale Kombination von Fächern zusammenzustellen. Bildungsminister Klug nimmt damit die Kritik von Schülern und Lehrern an dem ehrgeizigen Reformprojekt auf. Die Änderungen sollen schon im nächsten Schuljahr in Kraft treten. Damit sollen die Zumutungen für die Schüler reduziert werden. Statt fünf Abiturprüfungen wird es in Zukunft wieder nur vier geben. Das Unterrichtsvolumen soll insgesamt verringert werden.
Die Profiloberstufe war erst 2008 von der alten CDU/SPD-Koalition ins Werk gesetzt worden. Bildungsministerin war damals Ute Erdsiek-Rave (SPD). Die Neuregelung galt und gilt als Sparmodell. Denn die Profiloberstufe kommt mit deutlich weniger Lehrern aus als das über Jahrzehnte gültige Vorgängermodell, die Studienstufe. Dort wurde in teilweise sehr kleinen Kursen gelernt. Mit der Profiloberstufe 2008 wuchs die Zahl der Pflichtfächer und sank die Zahl der Wahlmöglichkeiten. Statt Unterricht in Kursen gibt es nun Unterricht im Klassenverband. Während Schüler früher nahezu jedes Haupt- oder Nebenfach zum Schwerpunkt (Leistungskurs) machen konnten, haben sie nun die Wahl zwischen manchmal nur noch drei "Profilen". Vom Ministerium vorgeschrieben sind ein sprachlicher und ein naturwissenschaftlicher Schwerpunkt, über den dritten und weitere entscheiden die Schulen selbst.
In der Praxis hat das zu einer Verarmung des Angebots geführt. Kunst als Schwerpunkt ist kaum noch möglich, Musik ebenfalls. Wer seine Stärken im Fach Deutsch hat, muss ein gesellschaftswissenschaftliches Profil wählen. Dazu gehört dann ein bunter Strauß weiterer Fächer (etwa Geschichte), die der Schüler wohl oder übel zu akzeptieren hat. Hinzu kommen Pflichtstunden in Mathematik und Fremdsprachen.
Im Bildungsministerium will man nun gerade diese starren Vorgaben lockern. Der Unterricht im Klassenverband soll wieder zurückgeschraubt werden. Innerhalb der Profile soll es Profilgruppen geben - also Unterspezialisierungen. Die Kombinationsmöglichkeiten sollen erweitert werden. Das Ziel lautet: Mehr individuelle Wahlmöglichkeiten in der Profiloberstufe.
Mehr Wahl- und Spezialisierungsmöglichkeiten und vor allem weniger Unterrichtsstunden - das ist es auch, was sich Pia Bregulla und Florian Rothhardt wünschen. Die beiden Zwölftklässler der Stormarnschule gehören dem ersten Jahrgang an, bei dem die Profiloberstufe umgesetzt worden ist. Sie sind unzufrieden, haben das Gefühl, als Testpersonen missbraucht worden zu sein. Pia: "Wir haben mehr Fächer und schreiben mehr Klausuren als die Jahrgänge vor uns. Auf der anderen Seite wird uns aber weniger Zeit gegeben, um uns mit den Themen zu beschäftigen." Ein weiterer Kritikpunkt der Schüler: Sie müssten alle Fächer bis zum Abitur behalten, dürften aber trotzdem nur eine begrenzte Zahl an Fehlkursen haben. Das sei kaum zu schaffen, sind sich die Beiden einig. Florian: "Es sind einfach viel zu viele Stunden, und es ist zu wenig Zeit, um zu lernen." Der einzig positive Aspekt der Umstellung sei, dass sie sich nicht zwischen Kunst und Musik entscheiden müssten, sagt Pia, die wie Florian ein Kombiprofil Kunst und Musik belegt. Vier Wochenstunden haben die 19-Jährigen Kunst, vier weitere Musik. Andererseits sei diese Kombination aber auch ein Problem: "Alle Kunstprofiler sind gezwungen, auch das Musikprofil zu belegen, und umgekehrt", sagt Florian. Die Folge sei, dass sie im Musikunterricht aus Rücksicht auf diejenigen, die sich gar nicht für Musik interessieren, zurückstecken müssten. Pia: "Andere dürfen komponieren und in die Oper gehen - wir nicht." Über die Reform der Reform wird an den Gymnasien bereits diskutiert. Schließlich sollen die Änderungen schon ab dem kommenden Schuljahr gelten. Allerdings findet die Debatte unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Noch fehlt den Schulleitern der Erlass des Bildungsministers, in denen die Details geregelt werden. Zuvor gibt es offenbar keine öffentlichen Äußerungen zu dem Thema. Nach Informationen dieser Zeitung hat das Ministerium einem Stormarner Schulleiter strikt untersagt, zum Thema Profiloberstufe Stellung zu nehmen. Kein Geheimnis ist aber, dass die Profiloberstufe in ihrer jetzigen Form wenig Anhänger hat. Der ehemalige Direktor des Bargteheider Eckhorst-Gymnasiums, Christian Wendt, sagte im Januar in einem Interview mit dieser Zeitung: "Die Profiloberstufe verschult die Schule. Den Freiraum und die Spezialisierung der Leistungskurse gibt es nicht mehr."
Ariane Steinberg, Elternbeiratsvorsitzende des Theodor-Mommsen-Gymnasiums in Bad Oldesloe, sagt: "Die jetzige Profiloberstufe hätte man sich sparen können. Das ist absolute Zeitverschwendung gewesen." Zwei Schülerjahrgänge, die jetzigen Elf- und Zwölftklässler, so scheint es, haben mit der missglückten Reform leben müssen. Im August wird diese Episode beendet sein.