Am Leben teilnehmen, raus aus den vier Wänden. Dazu will Annegret Walter (67) Blinde und Sehbehinderte ermuntern. Die blinde Bargteheiderin plant...

Ahrensburg. Am Leben teilnehmen, raus aus den vier Wänden. Dazu will Annegret Walter (67) Blinde und Sehbehinderte ermuntern. Die blinde Bargteheiderin plant zum Tag des weißen Stockes (15. Oktober) eine Selbsthilfegruppe.

"Übernachten bei Oma", so heißt das Programm für den Tag. Die Enkel Lynn (12) und Nils (9), wollen mit ihrer Großmutter "Mensch, ärger dich nicht" spielen. Einem flüchtigen Betrachter fällt zunächst nichts auf. Außer Kleinigkeiten: Das Brett ist größer als normal. "Die Farben der Figuren sind mit Metallknöpfen markiert, die Würfel mit erhabenen Punkten. Blindengerecht", sagt die Bargteheiderin, die auch Tastpuzzles auftischt. "Die Kinder können damit gut umgehen", sagt die gelernte Stenotypistin, die seit ihrem 40. Lebensjahr aufgrund einer Netzhauterkrankung blind ist. "Sie fragen mich nicht, ob ich etwas vorlese. Ich soll erzählen, wie ich aufwuchs. Als es kein Internet, kein Handy und kein Familienauto gab."

Die Szene mit den Enkeln ist Programm. "Mit aufhörender Sehfähigkeit hört das Leben nicht auf", sagt die seit 1999 ehrenamtliche Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenvereins Schleswig-Holstein e.V. (1.250 Mitglieder, davon 160 in Stormarn) lächelnd. Dieser Satz ist das Motto für eine Initiative, die Annegret Walter zum Tag des weißen Stockes und der Woche des Sehens ergreift: "Wir möchten in Bargteheide eine Selbsthilfegruppe für Blinde und Sehbehinderte gründen. Hier im Umkreis wohnen viele Betroffene. In einer Gruppe können wir menschliche Unterstützung geben. Dafür brauchen wir einen Fahrdienst. Ich habe vier ehrenamtliche Fahrer gefunden. Es müssen aber noch mehr Helfer werden."

Ihr Beispiel kann anderen Mut machen. "Im Moment schmeiße ich den Haushalt allein, weil meine Putzhilfe im Urlaub ist." Für die Küche hat sie eine sprechende Haushaltswaage. Gewürze sind mit Banderolen in Blindenschrift gekennzeichnet: "Die erstelle ich mit einem Streifenschreiber. Das ist mein Notizgerät, auch bei Telefonaten." Weil sie allein lebt, wollte Walter ihren Haushalt besser durchorganisieren.: "Vor einem Jahr habe ich bei meiner Krankenkasse einen Einkaufsfuchs beantragt. Das ist ein rund 2000 Euro teures Scannersystem." Mit dem "Fuchs", der auch im Hilfsmittelkatalog der Krankenkassen gelistet ist, könnte sie den Strichcode auf Konserven oder Tüten einlesen: "Das Gerät sagt mir per Sprachausgabe zum Beispiel: 100 Gramm Vollmilchschokolade." Schön wärs: "Meine Krankenkasse hat den Antrag abgeschmettert." Dabei wäre der Scanner ein Stück Unabhängigkeit.

Am Computer bereitet die Bargteheiderin eine Hilfsmittelausstellung zur Woche des Sehens vor, die sie selbst in Neumünster eröffnen wird. Sie wird wieder über einen Dauerbrenner diskutieren: "Das Landesblindengeld. Mecklenburg-Vorpommern plant Kürzungen. Wir befürchten, dass Schleswig-Holstein nachziehen will. Seit der letzten Senkung 2006 beträgt das Landesblindengeld zwischen Nord- und Ostsee 400 Euro im Monat." Walter rechnet vor: "Gerade allein lebende Blinde brauchen diese Summe, um Hilfe einzukaufen." Zum Tag des weißen Stockes hat sie zwei Wünsche: "Dass Bargteheideeinen Behindertenbeauftragten bekommt. Und dass Kaufhäuser und Supermärkte eine kostenlose Einkaufshilfe für Blinde und Sehbehinderte anbieten."