Skulptur: Das 25 000-Euro-Kunstwerk auf dem Rondeel ist enthüllt. Die Meinungen reichen von “mutig“ und “modern“ bis zu “unpassend“ und “überflüssig“.
Ahrensburg. Gehört haben die Ahrensburger ja schon einiges über ihren neuen Mitbewohner, der die Stadt am Donnerstag abend total verhüllt erreicht hat, um fortan auf dem Rondeel zu wohnen. Nun ist seine Tarnung gefallen - und die Bürger können sich selbst ein Bild machen vom "Muschelläufer", diesem 25 000-Euro-Kunstwerk des Kieler Bildhauers Martin Wolke (34). Die Skulptur, die der Rotary Club spendiert hatte, war von einer siebenköpfigen Jury aus fünf Entwürfen ausgewählt worden.
Und wohl noch nie hat ein Kunstwerk für so viel Diskussionen in dem 33 000-Einwohner-Ort gesorgt. Seit Sonnabend ist der "Muschelläufer" Stadtgespräch.
Eine Zierde für die Stadt oder ein neuer Schandfleck? Ein künstlerischer Geniestreich oder Schwachsinn? Dekoration oder Kunst? Die Meinungen gehen weit auseinander. Denn der vier Meter hohe Plastik-Blondschopf im blauen Anzug versteht es zu polarisieren.
Vor allem jene, die ihn als Dekorationsobjekt verstehen, vergleichbar mit einem Baum oder einem Springbrunnen, sind entsetzt. "So ein modernes buntes Ding. Das paßt hier doch gar nicht hin. Das ganze Rondeel ist total verschandelt worden", schimpft Dieter Petersen (63), der damit zur nicht ganz kleinen Gruppe derer gehört, die bestenfalls Unverständnis äußern. "Man hätte die Ahrensburger mal fragen müssen", meint der pensionierte Tiefdrucker. Seine Lebensgefährtin, die Bankerin Monika Heynen (57), schüttelt nur verständnislos den Kopf: "Ich weiß gar nicht, was Ahrensburg mit Muscheln zu tun haben soll."
Christa Drenkhahn (66) kann das Muschelmotiv auch nicht nachvollziehen, trotz der vom Künstler selbst gelieferten Interpretation - die Muschel stehe für ein Heim, das bezogen werde. "Ne, ne. Wie will man das denn mit Ahrensburg in Verbindung bringen? An der See hätte das mit der Muschel schon mehr Sinn gemacht", meint die pensionierte Verkäuferin. "Wir werden uns mit dem jungen Mann aber wohl anfreuden müssen."
Dem Künstler gefällt's: Über sein Werk wird kontrovers diskutiert.
Das sieht auch Bernhard Holthaus (67) so, Ingenieur im Ruhestand: "Das ist wohl die Kunst des 21. Jahrhunderts, das gehört wohl in diese Zeit", sagt er und ergänzt: "Mir hätte ja ein traditioneller Springbrunnen fürs Rondeel besser gefallen. Aber das wäre wohl zu teuer gewesen." Auch jüngere Ahrensburger teilen diese Meinung. "Mich erinnert diese Figur an Disneyland", sagt Christian Greene-Wittkowski (37), "sie paßt überhaupt nicht nach Ahrensburg." Der Ingenieur hätte lieber "was Schönes aus Stein und Stahl" auf dem Rondeel gesehen.
Manfred Pielsch (43) hält dagegen. "Es ist wenigstens nicht noch so eine verstaubte Skulptur wie zum Beispiel diese Robbe in der Hagener Allee", sagt der Datenverarbeitungskaufmann. Und seine Partnerin, die Abiturientin Johanna Baron (19), sagt: "Toll für Ahrensburg. Denn Ahrensburg ist eine moderne Stadt." Und während die meisten über die optische Anmutung diskutieren, versuchen andere zaghaft, sich dem "Muschelläufer" inhaltlich anzunähern. Ingrid Matthias (63) etwa. Sie mustert die Skulptur von oben bis unten. "Der ist zu vornehm", entfährt es ihr dann plötzlich. "Warum trägt er Schlips und Kragen und einen Anzug? Das paßt doch nicht zu seinen nackten Füßen!" Unterdessen wundert sich Industriekaufmann Karl Keller darüber, daß sich die Figur von Hamburg abwendet. "Ist das Zufall? Oder Absicht?"
Gisela Conrady (58) glaubt, daß die Figur zumindest am Einweihungstag schon Gutes bewirkt hat: "Alle sind aus ihren Gehäusen herausgekommen und diskutieren jetzt hier." Ob ihr die Skulptur aber auch gefalle, müsse sie in den nächsten Monaten herausfinden. "Ich möchte mal sehen, wie er so im Alltag wirkt", sagt die Krankengymnastin, "aber er ist schon extrem. Es war mutig von Ahrensburg, ihn aufzustellen."
Künstler Martin Wolke ist trotz allem sehr zufrieden. "Wenn man über das Werk spricht, wenn die Meinungen so weit auseinandergehen, dann ist das ganz im Sinne der Sache", sagt er.