Mantrailer: Ein neuer Verein will Hunde so trainieren, daß sie wirkungsvoller als bisher nach Vermißten suchen können.
Koberg. Vermißt wird ein verwirrter Senior aus einem Ahrensburger Altersheim. In der Nähe des U-Bahnhofes West wurde er zuletzt gesehen. Ein Fall für Mantrailer Nord e.V. Der im April gegründete Verein bildet als einziger in der Region Rettungshunde aus, die mit Geruchsstoffen der vermißten Person arbeiten ("Mantrailing"). Cornelia Kleyer (48) aus Koberg, die Vereinsvorsitzende, hält ihrer Harzer Fuchshündin Fina (5) einen alten Handschuh des Vermißten in einer Plastiktüte unter die Nase. "Es ginge auch ein Kopfkissen, eine Bürste, eine Uhr, ein Ring. So nimmt Fina die Geruchsspur auf."
Wie entsteht diese Spur? "Der Mensch verliert beim Gehen rund 40 000 Zellen in der Minute", erläutert Kleyer. "Diese abgestorbenen Partikel sind der Trail, englisch für Fährte, Spur. Der Hund fängt beim Lernen mit frischen Fährten an, dann folgen drei oder vier Tage alte Gerüche."
Die gelernte Anwaltsfachgehilfin muß heute unter verschärften Bedingungen arbeiten: "Es herrscht viel Wind. Sturm, Hitze, Platzregen sind die schlimmsten Feinde des Mantrailers." Sie können die Hautschuppen weit verstreuen, so daß der Hund manchmal neben der Spur läuft. Fina, die an einer langen Leine läuft, zieht ihre Herrin zielstrebig vom Parkplatz an der Hamburger Straße über die Ampel, schnuppert am Zaun des griechischen Restaurants und an den Wänden des U-Bahnhofes, bevor sie um die Ecke flitzt: Hier, auf der Treppe zum Lebensmittelforschungsinstitut, kauert eine zusammengesunkene Gestalt. Fina bleibt neben ihr sitzen, zeigt damit ihrer Herrin, daß dies die gesuchte Person ist.
Die rappelt sich plötzlich putzmunter auf und stellt sich vor: "Klaus Fuhrmann, EDV-Servicetechniker aus Hamburg." Der 52jährige unterstützt den Verein, indem er Trails legt. "Wir trainieren zweimal in der Woche", sagt er. "Nicht immer findet mich der Hund nach fünf Minuten, so wie jetzt. Oft tüftele ich anhand des Stadtplanes komplizierte Strecken aus, die 30 Minuten Sucheinsatz und mehr erfordern." Fina ist das egal. Sie wartet auf ihre Belohnung: gekochtes Hähnchenfleisch, das Kleyer in einer Tupperdose bereithält. "Jeder Mantrailerhund hat seine eigene Lieblingsspeise", sagt sie.
"Meine will Schlund. Wenn ich das zu Hause schneide, weiß sie, es geht los", sagt Thomas Schwerdtfeger (56) aus Schiphorst. Schlund gibt es aber erst, nachdem seine Schäferhündin Anny (5) eine hilflose Person an den Bahngleisen aufgespürt hat - nach vorherigem Riechen am Handy der Vermißten. "Das macht mir solchen Spaß", strahlt der Fernmeldehandwerker.
Jeder Hund kann Mantrailer werden. "Aber es dauert zwei bis drei Jahre, bis er die Kunst beherrscht, die Geruchsmuster des Menschen auch auf Asphalt oder Beton zu verfolgen", sagt Cornelia Kleyer. "Wir üben auch mit Autos. Wenn beide Seitenfenster auf sind, kann Fina zum Beispiel anzeigen, in welche Richtung der Vermißte in einem Pkw mitfuhr."
Wie Thomas Schwerdtfeger hat auch Cornelia Kleyer für ihre Hündin eine besondere Herausforderung und Alternative zur üblichen Rettungshundearbeit gesucht. Die Kobergerin war von 1996 bis 2004 mit Fina und Collie Lucy Mitglied im Rettungshundezug Stormarn-Segeberg des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB).
Die ASB-Arbeit konnte Kleyer nicht mehr mitmachen, weil Fina an Hüftgelenksdysplasie leidet und die dort verlangte Suche auf Trümmergrundstücken für ihre Knochen zu belastend ist. "Ich suchte im Internet nach einer Alternative und fand das Mantrailing. Es kommt aus den USA."
Die Kobergerin nahm an Seminaren in Ansbach und Bielefeld teil und lernte über das Netz die Hamburger Betriebswirtin Sabine Neubauer (38) kennen. Sie ist mit Chako, ihrem Labrador-Münsterländer, auch im ASB-Rettungshundezug Hamburg aktiv. Cornelia Kleyer: "Noch werden wir Mantrailer nicht zu Rettungseinsätzen gerufen, denn wir haben mit Chako und Fina erst zwei Hunde, die das Aufspüren nach Geruch beherrschen."
Das reicht aber bereits für Staunen in und um Ahrensburg. Kleyer: "Manche Leute gucken, wenn wir nachts in der Schloßstadt stehen und als Versteckperson an einer dunklen Ecke warten. Kragen hoch, leise ins Walkie-Talkie sprechend."