Anja Wenzel aus Grande unterliegt vor dem Lübecker Sozialgericht

Grande/Lübeck. In Sachen Kostenübernahme von Rettungsdienstfehlfahrten ist ein erstes Urteil gesprochen worden: Das Lübecker Sozialgericht hat die Klage von Anja Wenzel (36) aus Grande gegen die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) abgewiesen (S19KR192/01). Das Schöffengericht kam zu dem Ergebnis, dass das Sozialgesetzbuch IV eine Lücke aufweise, und die Kasse nicht verpflichtet sei, die Kosten für den Einsatz des Rettungswagens zu übernehmen, weil ein Transport ins Krankenhaus nicht notwendig war. Ereignet hatte sich am 23. September vergangenen Jahres Folgendes: Die Töchter von Anja Wenzel, Sina und Bente ( damals 8 und 5 Jahre alt), hatten mit einer Freundin im Garten gespielt und waren dabei in ein Erdwespennest getreten (wir berichteten). Der dadurch aufgeschreckte Schwarm attackierte die Mädchen heftig. Anja Wenzel rief über Notruf 112 Hilfe. Denn erstens sah sie sich nicht in der Lage, mit allen drei Kindern zum Arzt zu fahren, und zweitens herrschte für die Mutter höchste Alarmstufe, weil ihre Älteste unter allergischem Asthma leidet. Sina wurde vom Notarzt behandelt, ins Krankenhaus kam sie jedoch nicht. "Ich bin enttäuscht von dem Urteil", sagte Anja Wenzel. Die 36-Jährige überlegt, in Berufung zu gehen. Streitpunkt sind 215,77 Euro, die der Kreis Stormarn als Träger des Rettungsdienstes der Granderin in Rechnung gestellt hatte. Diesen Betrag möchte Anja Wenzel von ihrer Krankenkasse erstattet haben. Doch die DAK hat die Forderung bislang mit der Begründung abgelehnt, dass sie nach dem Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht verpflichtet sei, so genannte Fehlfahrten zu bezahlen. Zentraler Punkt der Verhandlung war die Bewertung der SGB-Passagen zum Thema Fahrtkosten. "Der Gesetzgeber hat das Problem der Fehlfahrten nicht gesehen", sagt Anja Wenzels Anwalt Arnim Buck von der Trittauer Kanzlei Plehn und Partner. Er hält es für zwingend erforderlich, dass nachgebessert wird. Der Richter vertrat dagegen die Ansicht, dass der Gesetzgeber bewusst eine Lücke gelassen habe. Dies war auch der Hauptgrund für die Ablehnung. Im Sozialgesetz heißt es: "Die Krankenkasse übernimmt (...) die Kosten für die Fahrten (...), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse notwendig sind." Unter Absatz 2 wird ergänzt: " ... bei Rettungsfahrten zum Krankenhaus auch dann, wenn eine stationäre Behandlung nicht erforderlich ist." Dass es nach der Wespen-Attacke medizinisch erforderlich war, einen Notarzt zu rufen, wurde in der Gerichtsverhandlung durch Gutachter Dieter Brossmann, einem Lübecker Facharzt für Innere Medizin, bestätigt. Die Notarztkosten (278,14 Euro) hat die Krankenkasse längst bezahlt. Die Problematik der Fehlfahrten wird derzeit auch auf Landesebene verhandelt. Einen Zwischenstand gibt es noch nicht", so Gerd Baumgarten, der Koordinator "Rettungsdienst" in Schleswig-Holstein. Eine Gesetzesänderung auf Bundesebene ist vorläufig nicht in Sicht. Das hat das Kieler Sozialministerium in der vergangenen Woche den Mitgliedern des Sozialausschusses des Landtags mitgeteilt.