Die Stellauerin, Mutter zweier Kinder, nutzt die besondere Betreuung, die ihr das Arge-Projekt für alleinerziehende Frauen ermöglicht.

Barsbüttel. "Kaffee? Milch? Zucker?" Sylvia Seemann, noch Hartz-IV-Empfängerin, aber auf dem Absprung in den ersten Arbeitsmarkt, spurtet in die Küche. "Soll ich was helfen?", fragt Elke Lindemann. Nein, soll sie nicht - jedenfalls nicht beim Kaffee. Stattdessen soll die Mitarbeiterin der Arge Reinbek ein bedeutend größeres Problem lösen. "Ich habe den neuen Bewilligungsbescheid für Hartz IV bekommen", sagt Sylvia Seemann. "Die Leistungsabteilung musste das neu berechnen, weil ich wegen Wohnungsmängeln die Miete kürze. Aber jetzt kriege ich weniger Geld."

"Das klären wir gleich", meint Elke Lindemann. Sie zückt ihr Handy und ruft den Kollegen von der Leistungsabteilung an. Ergebnis: "Das war ein Rechenfehler. Das wird geändert: 32 Euro mehr." Der Stellauerin Sylvia Seemann, der alleinerziehenden Mutter von Fabian (12) und Leon Jack (9), fällt ein Stein vom Herzen.

So, bei Kaffee auf dem orangeroten Sofa, beginnt normalerweise kein Behördengespräch. Elke Lindemann ist auch keine gewöhnliche Arge-Mitarbeiterin, sondern eine von vier Kolleginnen im "Projektmanagement für alleinerziehende Frauen" (Träger: Arge Stormarn). "Wir haben es im November 2007 gestartet, um dieser Gruppe von Frauen dabei zu helfen, wieder auf den ersten Arbeitsmarkt zurückzufinden", sagt Doris Ziethen-Rennholz, Geschäftsführerin der Arge.

"Ich wusste überhaupt nichts von dem Projekt", sagt Sylvia Seemann. Die Stellauerin war seit dem Jahr 2000, seit ihrer Scheidung von ihrem Mann, einem selbstständigen Fuhrunternehmer, erst auf Sozialhilfe und dann seit 2005 auf Hartz IV angewiesen. Das bedeutet: 351 Euro für einen Erwachsenen, pro Kind um die 50 Euro (nach Abzug des Kindergeldes), außerdem ein Mietzuschuss. Ihr Ex-Mann zahlt keinen Unterhalt.

Alle Anläufe, die die Hauptschulabsolventin in punkto Arbeitssuche unternahm, endeten frustrierend. "Ich bewarb mich in der Gastronomie, im Einzelhandel, der Altenpflege. Ich fand nur mal einen Aushilfsjob: Da bist du die, die als erste geht. Das hat auch mit dem angeblichen Makel 'alleinerziehend' zu tun", sagt die Stellauerin.

Sie ging alle drei Monate zur Arge Reinbek, wo normalerweise ein Sachbearbeiter um die 300 Menschen betreut. Im Projekt sind es nur 40. Seemann: "Im September 2008 erhielt ich eine Einladung von Frau Lindemann. Das war meine Rettung. Ich habe mich auch so gefreut, dass jemand an mich dachte."

Zusammen mit Elke Lindemann haben die beiden Frauen eine Lösung gefunden, die der Stellauerin Mut macht. Seit Anfang November lernt sie zusammen mit zwölf weiteren Hartz-IV-Empfängerinnen bei der Wirtschaftsakademie in Glinde Einzelhandelskauffrau. Täglich von 8.30 bis 12.30 Uhr: "Genial ist, dass es in Teilzeit ist. Ich bin um 12.45 Uhr zu Hause, um 13.30 Uhr kommen die Kinder. Dann machen wir zusammen Hausaufgaben."

Elke Lindemann hat dafür gesorgt, dass die Arge ihr den Kurs finanziert. Und noch ein weiteres Problem musste aus dem Weg geräumt werden. Sylvia Seemann: "Ich wusste nicht, wie ich nach Glinde komme. Busse fahren nicht zu diesen Zeiten. Da hat mir die Arge ein Darlehen bewilligt. Ich fahre jetzt einen alten Renault Twingo."

Sie ist hoch motiviert: "Ich habe eine Zwei in der Matheklausur geschrieben. Die Gemeinschaft in der Ausbildung ist super."

Elke Seemann hat im Frauenprojekt der Arge noch viel schwierigere Fälle erlebt: "Hausbesuche sind wichtig, um sich ein Bild zu machen. Etliche Frauen leben in katastrophalen Verhältnissen. So war ich bei einer Kundin in Glinde, die in einer desolaten Notwohnung hauste. Für die Mutter zweier Kinder besorgte ich eine Wohnung und Möbel. Wir gehen jetzt Schritt für Schritt vor, damit sie nicht in die depressive Phase zurückfällt."

Was Alleinerziehende immer wieder vom Arbeitsmarkt abhält? Lindemann: "Es gibt nach wie vor zu wenig Kinderbetreuungsplätze und die zu unflexiblen Zeiten."