Reinfeld. Reinfelderin zahlt 80 Euro für vier Kubikmeter – und protestiert. Abfallgesellschaft betont gerechte Verteilung der Kosten.
80 Euro für vier Kubikmeter Äste, Sträucher und Heckenschnitt: Dieser Preis machte die Reinfelderin Susanne Braun-Speck auf dem heimischen Recyclinghof kurzzeitig sprachlos. „Mit 20 bis 25 Euro hatte ich ja gerechnet, aber die Summe hat mich dann doch geschockt“, sagt die Freiberuflerin. Ihr Unmut vergrößerte sich, als sie zu Hause Vergleiche anstellte. Würde sie nur ein paar Kilometer weiter östlich in Lübeck wohnen, hätte sie bei den Entsorgungsbetrieben tatsächlich nur 20 Euro bezahlen müssen. Außerdem kann in der Hansestadt jedes Grundstück im Frühjahr und Herbst eine kostenlose Baum- und Strauchabfuhr beantragen.
„Da werden wir Stormarner unverhältnismäßig stark zur Kasse gebeten“, sagt Braun-Speck. Tatsächlich fällt der Vergleich in anderen Regionen des Kreises ähnlich aus. So zahlen Bürger von Elmenhorst und Bargfeld-Stegen die Stormarner Tarife, während die Nachbarn aus Nahe und Sülfeld beim Wege-Zweckverband Segeberg zwei Kubikmeter Grünabfall gebührenfrei abgeben können. Darüber hinaus werden dort zehn Euro je Kubikmeter verlangt.
Hamburger können bis zu drei Kubikmeter kostenlos anliefern
Die Ammersbeker, Ahrensburger, Stapelfelder, Barsbütteler, Oststeinbeker, Glinder und Reinbeker dürften in dem Punkt ebenfalls wehmütig über die Landesgrenze nach Hamburg blicken. Die Hansestädter können auf den Recyclinghöfen der Stadtreinigung bis zu drei Kubikmeter Grünabfall abladen, ohne einen Cent bezahlen zu müssen.
Im Kreis Pinneberg müssen Einwohner zehn Euro je Kubikmeter einkalkulieren und damit die Hälfte des Stormarner Satzes. Im Kreis Ostholstein sind es 16 Euro. Die Abfallwirtschaft Rendsburg-Eckernförde berechnet für Pflanzenabfälle zwölf Euro, bei der Abfallwirtschaft Dithmarschen sind es 24 Euro.
Reinfelderin beschwert sich beim Landrat über „unseriös hohe Preise“
Susanne Braun-Speck hat inzwischen mit etlichen Nachbarn über ihren Unmut gesprochen. Dabei habe sie viel Zustimmung erfahren. „Auch sie ärgern sich seit Jahren über die hohen Preise, nur macht selten jemand den Mund auf“, sagt die Reinfelderin. Weil das bei ihr seit jeher anders sei, hat sie Stormarns Landrat Henning Görtz geschrieben. Der ist zugleich Vorsitzender des Aufsichtsrats der Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH), die die 13 Recyclinghöfe in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg betreibt.
Die Reinfelderin beschwert sich über die ihrer Meinung nach „unseriös hohen Preise für Grünzeug“. Sie könne die Kalkulation nicht nachvollziehen. „Es handelt sich ja nicht um giftige Chemikalien, die aufwendig entsorgt werden müssen“, sagt Braun-Speck. Die Bioabfall könne einfach verrotten.
Abfallgesellschaft verweist auf ihr gerechteres Finanzierungssystem
Ganz so simpel sei die Angelegenheit allerdings nicht, wie AWSH-Sprecher Olaf Stötefalke erwidert. Auch die Kompostierung von Grünabfall verursache Kosten, „die mögliche Erlöse bei Weitem überschreiten“. So müssten geeignete Lagerplätze hergerichtet werden. Hinzu kämen strengere Auflagen zum Umweltschutz, hohe Energie- und Transportkosten. Grobe Gartenabfälle könnten auch nicht in Biogasanlagen verwertet werden, müssten gehäckselt und immer wieder umgeschichtet werden.
„Auch wenn andere Kreise null Euro oder nur einen geringen Betrag in Rechnung stellen, verursacht die Behandlung von Grünabfall auch dort Kosten“, sagt Prokurist Stötefalke. Diese werden in der Regel über andere Preisbestandteile wie zum Beispiel Grundentgelte gedeckt. Das bedeute, dass Mieter einer Wohnung im dritten Stock den Service ebenso finanzieren wie Eigentümer eines Parkgrundstücks – obwohl die erste Gruppe niemals Gartenabfall hat. Etwa 40 Prozent der Bürger leben in Mehrfamilienhäusern.
In anderen Kreisen sind die Müllentgelte zum Teil deutlich höher
„Das wäre aus unserer Sicht nicht gerecht“, sagt Stötefalke. Deshalb habe sich die AWSH entschlossen, die Kosten in erster Linie an die Kunden weiterzugeben, die den jeweiligen Abfall auch anliefern. Anders sei die Lage beim Sperrmüll und Elektroschrott, der in Stormarn kostenlos eingesammelt wird. „Dieses Angebot kann für nahezu jeden infrage kommen.“
„Die Körperschaften sind in ihrer Kalkulation frei“, sagt Stötefalke. Deshalb sei das Niveau der generellen Müllentgelte in anderen Kreisen zum Teil deutlich höher als in Stormarn. Nach Abendblatt-Rechchen zahlt eine dreiköpfige Musterfamilie (jeweils 80 Liter Rest- und Bioabfall, zweiwöchentliche Leerung) in Stormarn und Lübeck rund 160 Euro jährlich. Im Kreis Segeberg sind es 176 und in Hamburg 221 Euro.
Im Garten von Susanne Braun-Speck muss die Hecke noch zu Ende geschnitten werden. Um sich den Weg zum Recyclinghof und Preisschocks zu sparen, will sie den Grünabfall künftig weiter zerkleinern – und die Hilfe der Nachbarn in Anspruch nehmen. Sie sagt: „Ich habe schon gefragt, ob ich die Biotonnen auffüllen darf, wenn dort noch Platz ist.“