Bad Oldesloe. Die Zahl der freien Lehrstellen ist auf einem Höchststand. Besonders in den Bereichen Pflege und Gastronomie ist die Not groß.

Die Zahl der unbesetzten Lehrstellen ist im Kreis Stormarn auf einem Höchststand. 493 Ausbildungsplätze der insgesamt 1545 gemeldeten Stellen sind nach den Ausbildungsstarts am 1. August und 1. September derzeit noch unbesetzt. Damit hat sich die Zahl der offenen Lehrstellen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesteigert. „Im Vorjahr waren es zum gleichen Zeitpunkt 457 unbesetzte Ausbildungsstellen, also 36 weniger als in diesem Jahr“, sagt Sönke Zahrt, Bereichsleiter der Agentur für Arbeit in Bad Oldesloe. Im Ausbildungsjahr 2016/17 waren es noch 303 freie Lehrstellen, Jahr für Jahr werden es mehr.

Der Fachkräftemangel verschärft sich in fast allen Bereichen weiter

Die meisten freien Ausbildungsplätze gibt es derzeit in den Berufen Fachkraft Lagerlogistik (24), Kaufmann/frau für Groß- und Außenhandelsmanagement (21) sowie Elektroniker/in für Energie-/Gebäudetechnik, Berufskraftfahrer/in und Verkäufer/in (je 18). Aber auch zahnmedizinische Fachangestellte, Kauffrauen und -männer im Einzelhandel oder Büromanagement sowie Azubis in vielen anderen Bereichen werden gesucht.

Das mag für junge Menschen, die derzeit noch einen Ausbildungsplatz suchen, eine gute Nachricht sein. Für den Arbeitsmarkt grundsätzlich ist die hohe Zahl allerdings ein weiteres Warnsignal dafür, dass sich der Fachkräftemangel verschärft. „Während die Zahl der uns gemeldeten Ausbildungsstellen im Kreis Stormarn bis zum vergangenen Jahr stetig zugenommen hat, ist auf der Seite der Jugendlichen die Zahl derjenigen, die sich bei uns als Ausbildungsinteressierte gemeldet haben, gegenläufig gesunken“, sagt Sönke Zahrt. Unternehmen beklagten, dass sie wenige oder gar keine Bewerbungen für ihre Ausbildungsplätze auf den Tisch bekommen.

Viele Abiturienten gehen lieber an Hochschulen statt in Betriebe

Woran das liegt? „In Stormarn gibt es überproportional viele Abiturientinnen und Abiturienten“, so Zahrt. 2020 lag der Kreis mit einem Anteil mit 51,3 Prozent auf Platz 1 in Schleswig-Holstein. Junge Abiturienten gehen oft an Hochschulen statt in Betriebe. Zart: „Wir beobachten seit längerem den verstärkten Trend in Richtung Studium und stattdessen weg von der dualen Ausbildung.“

Das sei aber nicht der einzige Grund für den Mangel an Auszubildenden. Auch die Pandemie habe den Trend verstärkt. „Es gibt zwar viele Online-Angebote für die Berufsorientierung, es fehlten aber persönliche Angebote für die jungen Menschen, die sich sonst eher auf Ausbildungsmessen informiert hätten. Praktika haben nur sehr eingeschränkt, wenn überhaupt, stattgefunden“, so Zahrt.

Corona-Pandemie hat die Situation negativ beeinflusst

Viele Jugendliche seien während der Pandemie verunsichert gewesen und hätten die Zeit mit weiteren Schulbesuchen überbrückt. Oft falle es schwer, aus den vielfältigen Studiums- und Ausbildungsmöglichkeiten eine Wahl zu treffen. Immer mehr junge Menschen setzten sich erst spät mit der Berufswahl auseinander. Zahrt: „Die Verunsicherung und den Trend des Aufschiebens gab es schon vor der Corona-Pandemie. Sie hat dies nach unserer Wahrnehmung eher verstärkt.“

Seit dem vergangenen Herbst ist die Berufsberatung der Arbeitsagentur wieder an Schulen präsent, Sprechstunden und weitere Angebote finden nach der Pandemie wieder verstärkt statt. Doch auch hier hätten weniger Jugendliche Interesse an einer Ausbildungsvermittlung gezeigt. Die beliebtesten Ausbildungsberufe finden sich übrigens im Medienbereich, im kaufmännischen Bereich sowie in der Holzverarbeitung. Auch Ausbildungen im öffentlichen Dienst sind stärker nachgefragt als in den Vorjahren. Zahrt: „In der Beratungspraxis zeigt sich, dass seit Ausbruch der Corona-Pandemie der Aspekt Sicherheit bei der Berufswahl an Gewicht gewonnen hat.“

Wenig nachgefragt sind Ausbildungen in der Gastronomie und Pflege

Weniger nachgefragt sind laut dem Bereichsleiter unter anderem Ausbildungen in den Bereichen Pflege sowie Hotel und Gastronomie, letzteres insbesondere seit Ausbruch der Pandemie. Entsprechend ist auch der Fachkräftemangel in diesen Bereichen besonders groß – aber nicht nur. „Die Bereiche, in denen Fachkräfte fehlen, werden mehr“, so Zahrt. Ganz vorne stehe unter anderem das Handwerk. „Aber eben auch die Bereiche Pflege, Erziehung und Hotel und Gastronomie haben einen großen Fachkräfte- und Nachwuchsbedarf“, so der Bereichsleiter.

Nicht nur deshalb wirbt Zahrt für die duale Ausbildung. Sie bietet auch für die Auszubildenden zahlreiche Chancen. „Eine abgeschlossene Ausbildung ist der Grundstein für den Berufsweg. Sie wird meistens vorausgesetzt, um im Betrieb aufzusteigen zu können“, sagt Zahrt. Ein Berufsabschluss biete zudem mehr Sicherheit und höhere Verdienstmöglichkeiten als Helfertätigkeiten. „Ausgebildete Handwerkerinnen und Handwerker sowie andere Fachkräfte dürften auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung kaum arbeitslos werden oder längerfristig bleiben“, so Zahrt.

Wer jetzt noch sucht, soll nicht aufgeben

Übrigens: Wer jetzt noch einen Ausbildungsplatz sucht, solle nicht aufgeben. „Die Zahl der vakanten Ausbildungsstellen zeigt, dass noch ein breites Angebot vorhanden ist, um auch jetzt noch in eine Ausbildung zu starten“, so Zahrt.

Jugendliche können die Hotline der Arbeitsagentur 04531/16 71 54 anrufen, sich unter badoldesloe.berufsberatung@ arbeitsagentur.de an die Berufsberatung wenden, offene Sprechtage nutzen, sich auf der Internetseite der Arbeitsagentur die freien Ausbildungsstellen anschauen oder direkt Betriebe ansprechen, die noch Auszubildende suchen.