Ahrensburg. Die Einrichtung schlägt Alarm. Land soll mehr Plätze und Personal finanzieren, um Bedarf zu decken. Kapazitäten sind erschöpft.
Das Frauenhaus Stormarn hat eine der höchsten Auslastungsquoten in Schleswig-Holstein – und ist mit aktuell 15 Plätzen eine der kleinsten Schutzeinrichtungen für Frauen und Kinder, die Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind. Im Jahr 2019 sei es regelmäßig zur Überbelegung gekommen. Im vergangenen Jahr habe die Auslastung bei mehr als 95 Prozent gelegen, so der Trägerverein „Frauen helfen Frauen Stormarn“.
148 Frauen und 184 Kinder sind abgewiesen worden
Wegen Platzmangels habe die Einrichtung im Vorjahr 148 schutzsuchende Frauen mit zusammen 184 Kindern abweisen müssen. Dass die vorhandenen Angebote den Bedarf nicht decken, hatten auch die im Februar veröffentlichten Ergebnisse einer Analyse des schleswig-holsteinischen Innenministeriums belegt.
Zur Entlastung der landesweit 16 Frauenhäuser sieht Landesinnenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) an erster Stelle eine Stärkung der Präventions- und Beratungsstellen vor, wie sie anlässlich der Mittelverteilung in Höhe von 7,5 Millionen Euro gemäß des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) für den Haushalt 2021 im Innen- und Rechtsausschuss am 9. Februar erklärt hatte. Damit würden Frauenhäuser gegenüber den Beratungs- und Präventionsstellen finanziell schlechtergestellt, kritisiert nun das Frauenhaus Stormarn. Dabei sei ein Ausbau der Kapazitäten in den Frauenhäusern dringend notwendig.
Sehr schlechtes Verhältnis im Vergleich zur Einwohnerzahl
Der Kreis Stormarn habe das ungünstigste Verhältnis von Familienplätzen und Einwohnerzahl. Während ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, auch bekannt als Istanbul-Konvention, einen Familienplatz pro 10.000 Einwohner vorsieht, liegt der Kreis Stormarn derzeit mit einem Familienplatz pro 37.000 Einwohner fast um ein Vierfaches unter dem Standard.
Es stelle sich die Frage, so das Frauenhaus in seiner Kritik, welchen Nutzen eine Bedarfsanalyse habe, wenn die analysierten Defizite im Umgang mit von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen und Kindern danach nicht bei der Verteilung der Mittel bedacht würden.
Häufig kommt es zu Überbelegungen
Die häufige Überbelegung sei für die Bewohnerinnen und Kinder im Frauenhaus belastend. „Viele Frauen können durch das enge Zusammenleben im Haus nicht zur Ruhe kommen und haben Schwierigkeiten bei der Verarbeitung erlebter Situationen und einem Neustart“, sagt Frauenhausmitarbeiterin Carolin H. (Name zum Persönlichkeitsschutz verkürzt). Da die jüngste FAG-Mittelverteilung keine Erhöhung der Frauenhausplätze zulasse, werde die Einrichtung auch künftig immer wieder Schutzsuchende abweisen müssen. „Häufig werden wir von Frauen angerufen, die schon bei mehr als fünf Häusern angerufen haben, und wir können ihnen auch keinen Schutz anbieten“, so Carolin H.
Die Situation könnte durch den geplanten Ausbau von Beratungs- und Präventionsangeboten noch dramatischer werden, fürchten die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses Stormarn. Wenn die Schutzfunktion der Frauenhäuser dadurch noch bekannter werde, steige die Nachfrage weiter. Präventive Angebote für gewaltbetroffene Frauen würden die Flucht ins Frauenhaus nicht verhindern können, weil Betroffenen oft Alternativen fehlten.
Ruf nach mehr Personal wegen hoher Arbeitsbelastung
Die Konsequenz: Das Frauenhaus Stormarn fordert vom Land eine Erweiterung um zwölf Plätze, um dem Bedarf gerecht zu werden, und erwartet von der Politik die Zusicherung einer entsprechenden Finanzierung. Es sei nicht nur die Aufgabe von Frauenfacheinrichtungen, für den Schutz von Frauen und Kindern zu sorgen. Auch Gesellschaft und Politik trügen eine Mitverantwortung, Gewalt zu verhindern und Schutzmöglichkeiten zu schaffen. Ebenso bedürfe die Personalfinanzierung einer Aufstockung. Die hohe Arbeitsbelastung aufgrund der Belegungsquote führe zu hohen Krankenständen und Fluktuation bei Mitarbeiterinnen. Darunter leide die nötige Unterstützung für Bewohnerinnen. Der Stellenschlüssel von 1:6 müsse auf 1:4 angepasst werden, wie bereits die Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser Schleswig-Holstein gefordert habe.
Das Frauenhaus Stormarn wurde 1996 eröffnet und wird durch Mittel aus dem FAG finanziert. Zudem erhält es Spenden für Projekte und Anschaffungen, die keine Berücksichtigung in der Landesfinanzierung finden. Aufgenommen werden von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder, Jungen jedoch nur bis zu einem Alter von 14 Jahren. Es ist unter der Telefonnummer 04102/817 09 zu erreichen und per E-Mail an frauenhaus@fhf-stormarn.de.