Bad Oldesloe. Mitarbeiter der Regionalleitstelle Süd in Bad Oldesloe gewähren mit der Aktion „Twitter-Gewitter“ Einblicke in ihren Arbeitsalltag.

„Nur im Bademantel auf der Straße…, bei dieser Witterung sicher keine angemessene Kleidung. Die Kollegen von Rettungsdienst und Polizei schauen einmal nach dem Rechten“: Mit Meldungen wie diesen haben Mitarbeiter der Integrierten Regionalleitstelle Süd (IRLS) in Bad Oldesloe am Donnerstag Einblicke in ihren Arbeitsalltag gegeben.

Infos zu Einsätzen auf den sozialen Netzwerken

Fast im Minutentakt posteten Sebastian Wenk, Andreas Fichtner und Florian Brage zwischen 7 und 19 Uhr auf den sozialen Netzwerken Twitter, Facebook und Instagram von den Einsätzen der Rettungskräfte – mal humorvoll, mal sachlich und teils auch mit wichtigem Hintergrundwissen zu medizinischen Notfällen wie einem Schlaganfall.

Die Integrierte Regionalleitstelle Süd in Bad Oldesloe twitterte zwölf Stunden lang über ihre Einsätze.
Die Integrierte Regionalleitstelle Süd in Bad Oldesloe twitterte zwölf Stunden lang über ihre Einsätze. © HA

Anlass für das sogenannte Twitter-Gewitter war der europäische Tag des Notrufs 112. Seit Ende 2008 erreichen die Bürger aller 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Notfalldienste unter der europaweit einheitlichen Rufnummer 112.

Mitarbeiter erhalten 1200 Anrufe pro Tag

Bei der Notrufzentrale in Bad Oldesloe gehen täglich rund 1200 Anrufe ein. Die Mitarbeiter koordinieren die Einsätze in den Kreisen Stormarn, Herzogtum Lauenburg und Ostholstein. Sie sind damit für die Sicherheit von rund 670.000 Menschen zuständig. Aus den Telefonaten ergeben sich laut Leitstellen-Mitarbeiter Sebastian Wenk durchschnittlich 460 Einsätze pro Tag. Er sagt: „Den größten Anteil macht der Rettungsdienst aus.“ Werktags disponieren die Mitarbeiter rund 100 hauptamtliche Rettungsfahrzeuge, darunter elf Notarztwagen, ein Rettungshubschrauber und elf Krankentransportwagen. Allein am Donnerstag mussten zum Beispiel etwa 70 vorbestellte Krankentransporte koordiniert werden.

Die Mitarbeiter in der Zentrale arbeiten in Zwölf-Stunden-Schichten. Tagsüber von 7 bis 19 Uhr nehmen sieben Kollegen die Notrufe entgegen, nachts sind vier Kollegen im Einsatz. „Wegen Corona gibt es feste Wachabteilungen, die als Gruppe zusammenarbeiten“, sagt Wenk. Wenn jemand den Notruf wähle, werde dieser meist innerhalb von 4,5 Sekunden beantwortet.

Anrufer missbrauchen den Notruf für Corona-Fragen

Die gute Erreichbarkeit sorgt dafür, dass einige Menschen den Notruf missbrauchen. Nicht alle Anrufer haben tatsächlich einen Notfall zu melden und blockieren mit ihren Anliegen die Leitungen für lebensbedrohliche Fälle. Darauf macht die Leitstelle beim Twitter-Gewitter unter dem Hashtag „noNotruf“ aufmerksam, beispielsweise mit dieser Meldung: „Ein Anrufer fragt nach einer Telefonnummer. Um das Guthaben seines Mobiltelefons nicht zu belasten, war der kostenfreie Notruf 112 seine Alternative. Klarer Fall von #noNotruf, wir verweisen an die Auskunft.“

Bürger wollten über 112 Impftermin vereinbaren

„Im vergangenen Jahr haben sehr viele wegen Corona angerufen“, sagt Sebastian Wenk. Weil die Hotline des ärztlichen Bereitschaftsdienstes unter 116 117 oft überlastet und mit Wartezeiten verbunden war, hätten zahlreiche Menschen mit Grippesymptomen den Notruf gewählt. Das sei der falsche Weg. „Einige wollten bei uns auch Impftermine buchen“, sagt der 41-Jährige. „Aber auch das fällt nicht in unsere Zuständigkeit.“

Immer wieder riefen zudem Anwohner wegen Strom- oder Telefonausfällen an oder weil das Trinkwasser nicht funktioniere. „Die 112 ist nicht die Hotline von Vodafone oder der Telekom“, mahnt Wenk. Auch Sturmschäden sorgten oft für Anrufe. „Wir müssen dann erst einmal herausfinden, ob wir wirklich zuständig sind“, sagt Wenk. „Denn unsere Aufgabe ist nicht der Baumschnitt.“ Wenn ein Baum oder Ast auf einem Privatgrundstück umkippe oder abbreche und für die Allgemeinheit keine Gefahr darstelle, sei das kein Grund, den Notruf zu wählen. „Unsere Einsatzkräfte sind für die Gefahrenabwehr zuständig, etwa wenn ein Baum droht, auf die Straße zu fallen und Personen zu treffen.“

Beim Schlaganfall zählt jede Sekunde

Doch es gebe auch den umgekehrten Fall: Menschen, die bei echten Notfällen zögerten, den Notruf zu wählen und damit wertvolle Zeit vergeudeten. Sebastian Wenk ist als Notfallsanitäter auch im Rettungswagen unterwegs. Erst kürzlich sei er bei einem Einsatz auf ein älteres Ehepaar getroffen, dass mit dem Notruf bis zum Tagesanbruch gewartet habe, „weil sie uns nachts nicht stören wollten“. Insbesondere ältere Männer tendierten dazu, erst einmal allein klarkommen zu wollen und deshalb zu spät Hilfe zu holen. „Jüngere rufen uns dagegen auch nachts an, weil sie Zahnschmerzen haben“, sagt Wenk. Die Leitstellen-Mitarbeiter nutzen deshalb die Aktion auch, um Hinweise zum richtigen Verhalten im Notfall zu geben. „Verdacht auf Schlaganfall in Mölln, unsere Kollegen des Rettungsdienstes sind auf der Anfahrt“, schreiben sie bei Twitter. Und weiter: „Wählen Sie bei den kleinsten Anzeichen eines Schlaganfalls, zum Beispiel Sprachstörungen oder Lähmungserscheinungen, sofort den Notruf 112.“

Die Meldungen aus dem Twitter-Gewitter zeigen, wie vielfältig die Einsätze sind, mit denen die Rettungskräfte täglich zu tun haben. Allein in Ahrensburg beschäftigen sie am Donnerstag unter anderem eine allergische Reaktion, ein angebranntes Essen in einem Kindergarten, ein Unfall mit einem Rollerfahrer, Stürze auf glatten Wegen sowie eine bewusstlose Person im Altenheim. Im gesamten Gebiet kommen Einsätze wegen verschluckter Spülmittel, einer Person, die im psychischen Ausnahmezustand mit Gegenständen um sich schmeißt, Unfällen, Bränden und verschiedenen medizinischen Notfällen dazu.

Feuerwehrleute müssen eingefrorenen Schwan retten

Auch der Kreisfeuerwehrverband Herzogtum Lauenburg beteiligt sich an der Aktion. „Wir wollen den Fokus auch auf das Ehrenamt setzen und das, was die Menschen alles leisten“, sagt Wenk. In den drei Kreisen Stormarn, Herzogtum Lauenburg und Ostholstein gebe es insgesamt knapp 350 Freiwillige Feuerwehren, in denen sich rund 12.000 Menschen ehrenamtlich engagierten. Und nicht immer müssen sie nur zu Bränden ausrücken, am Donnerstag musste zum Beispiel ein Schwan gerettet werden. „Ein besorgter Bürger meldet einen eingefrorenen Schwan auf dem Ratzeburger See“, twittern die Leitstellen-Mitarbeiter. „Dieses wird durch die ersteintreffenden Kräfte der Freiwilligen Feuerwehr Ratzeburg bestätigt. Die Einsatzkräfte leiten die Rettung des Wasservogels ein.“