Buxtehude. Von seinen Fans wird Johann Diedrich Bellmann bis heute glühend verehrt. Wo der Nachlass des Dichters nun zu Hause ist.

Leben, Liebe, Literatur. Die drei großen „L“ waren das Thema des Schriftstellers Johann Diedrich Bellmann, der bereits zu Lebzeiten mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet wurde und von Bewunderern als „plattdeutscher Goethe“ bezeichnet wurde. Parallelen zum Dichterfürst finden sich und beziehen sich nicht nur auf den ersten Vornamen. Wie Johann Wolfgang von Goethe hat auch Johann Diedrich Bellmann in allen drei literarischen Gattungen gearbeitet: in der Epik, in der Lyrik und der Dramatik.

Und in allen drei Bereichen habe er ebenso wie Goethe Meisterwerke abgeliefert, schwärmen Bellmann-Fans, die bewundern, wie wortgewaltig der „Platt-Goethe“ seine eigentliche Muttersprache feierte. Nun bekommt der vielfach Ausgezeichnete eine eigene Bibliothek in Buxtehude. In der Stadt, in der er einst die Schulbank drückte.

Lange lagerte die etwa 2500 Bände umfassende Bibliothek des niederdeutschen Dichters und Schriftstellers im Buxtehuder Stadtarchiv. Nun hat der Heimat- und Geschichtsverein Buxtehude am Stavenort ein neues Domizil gefunden, in dem der Bücherschatz von Bellmann künftig von Interessierten genutzt werden kann. „Mit der Einrichtung der Bibliothek wollen wir der testamentarisch festgelegten Verpflichtung nachkommen, die Privatbibliothek von Johann Diedrich Bellmann für die Allgemeinheit zugänglich zu machen“, erklärt der Vereinsvorsitzende Dr. Martin C. Lockert.

Einer der bedeutendsten Autoren der niederdeutschen Gegenwartsliteratur

Johann Diedrich Bellmann gehört zu den bedeutendsten Autoren der niederdeutschen Gegenwartsliteratur. Er wurde 1930 in Ruschwedel im Landkreis Stade geboren und wuchs auf dem elterlichen Hof in Nindorf auf. Nach dem Abitur in Buxtehude studierte er Theologie, Theaterwissenschaft und Germanistik. Danach war er im höheren Schuldienst in Hamburg und Heide tätig.

Später lehrte er als Dozent für Deutsch an der Theologischen Akademie der Evangelischen Landeskirche Hannover in Hermannsburg. Nach seiner Lehrtätigkeit lebte er wieder auf dem Hof in Nindorf, wo er neben seiner schriftstellerischen Arbeit auch Landwirtschaft betrieb. Er starb am 25. Juni 2006 in Nindorf und ist dort auch begraben.

Johann Diedrich Bellmann wurde zu Lebzeiten als „plattdeutscher Goethe“ bezeichnet.
Johann Diedrich Bellmann wurde zu Lebzeiten als „plattdeutscher Goethe“ bezeichnet. © HA | Sabine Lepél

Neben Beiträgen zur niederdeutschen Philologie und evangelischen Theologie verfasste Bellmann zahlreiche Erzählungen, Gedichte, Hörspiele und Theaterstücke. Zu seinen bekanntesten Veröffentlichungen zählen der frühe Erzählband „Mien irste Buck“, das Kultbuch „Lüttjepütt oder In Grootvadder sien Hüüs“, der Gedichtband „Inseln ünner den Wind“, der Roman „Margareta Jansen – De letzte Professa“ und das auch im Fernsehen gezeigte Schauspiel „De Himmel is hoch“.

Im Jahr seines Todes veröffentlichte der Heimat- und Geschichtsverein Buxtehude den noch gemeinsam mit ihm vorbereiteten Band „Uns Herrgott sein Daglöhner“. Für seine literarische Tätigkeit wurde der Autor mit vielen Ehrungen ausgezeichnet.

Er war ein Hinterfrager – und glaubte „zu 51 Prozent“ an Gott

Viel wurde schon über Bellmann und sein Werk geschrieben. Für manch einen Weggefährten war er ein eher unnahbarer und eigensinniger Mensch, der sich den schweren Themen des Glaubens wie Schuld und Vergebung annahm. Neben seinem poetischen Werk verfasste er zahllose Aufsätze literarischer und theologischer Art und ein plattdeutsches Gesangbuch mit dem Titel „Dor kummt een Schipp“ samt der Liturgie mit einer Übersetzung des Vaterunsers.

Bellmann sprach Hunderte von plattdeutschen Morgenandachten im NDR und sah sich selbst als Grenzgänger, der als Bauer nie den Bezug zum Alltäglichen verlieren wollte. Und er war ein Hinterfrager: Er glaube zu 51 Prozent an Gott, hatte Bellmann auf die Frage nach seinem Christsein einmal geantwortet.

In der Bellmann-Bibliothek sollen bald auch Lesungen und andere Kulturveranstaltungen stattfinden.
In der Bellmann-Bibliothek sollen bald auch Lesungen und andere Kulturveranstaltungen stattfinden. © HA | Sabine Lepél

Johann Bellmann, der Mitglied im Heimat- und Geschichtsverein Buxtehude war, hat seine gesamte private Bibliothek dem Verein vermacht. Nach der Renovierung der neu angemieteten Räume ist eine Gruppe Ehrenamtlicher des Heimat- und Geschichtsvereins dabei, alle Bücher und Schriften der Sammlung fachgerecht zu verzeichnen. Unterstützt werden sie dabei von Catrin Gold und Olga Gammer, den Bibliothekarinnen des Landschaftsverbands Stade. Der Landschaftsverband hat die Einrichtung der Bibliothek auch finanziell stark gefördert. Die Miete für die niedlichen Räume, in denen vorher eine Abteilung des Stadtmuseums untergebracht war, trägt der Heimatverein aus eigener Tasche.

Wer hat noch Bellmann-Bücher in seinem Schrank stehen?

Der Bestand der Bellmann-Bibliothek wird übrigens für Jedermann im Internet recherchierbar sein – möglich macht dies eine Katalogisierung im Verbundkatalog des „Gemeinsamen Bibliotheksverbunds der Länder Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ (GBV). Von der Familie Bellmann hat der Heimat- und Geschichtsverein Buxtehude im Frühjahr 2022 den chronologisch geordneten schriftlichen Nachlass sowie handschriftliche Manuskripte unveröffentlichter Bücher von Johann Diedrich Bellmann geschenkt bekommen.

„Dadurch ist die Büchersammlung zu einer wirklichen Forschungsstätte für das Werk des Autors angewachsen“, sagt Helga Peters, im Vorstand des Heimat- und Geschichtsvereins Buxtehude zuständig fürs Plattdeutsche und Chefin des „Netwark Platt“ innerhalb des Vereins. Das eigene Werk des Schriftstellers ist in der Bellmann-Bibliothek übrigens nur lückenhaft vertreten. „Wir freuen uns über jeden, der noch ein Buch von Johann Bellmann im Schrank hat und es an uns abgeben mag“, so Helga Peters.

Festakt und Tag der offenen Tür am kommenden Sonntag

Am kommenden Sonntag, 9. Oktober, wird die Bellmann-Bibliothek mit einem Tag der offenen Tür und einem Festakt eingeweiht. Von 11 bis 11.30 Uhr können sich Interessierte in den neuen Räumlichkeiten am Stavenort 25 umschauen, bevor die Veranstaltung ins Kulturforum hinüberwechselt.

Helga Peters am Arbeitsplatz in der Bellmann-Bibliothek, in der auch Quellenforschung betrieben werden kann.
Helga Peters am Arbeitsplatz in der Bellmann-Bibliothek, in der auch Quellenforschung betrieben werden kann. © HA | Sabine Lepél

Dort geht es mit Musik von den „Plattdüütschkinnern“ und dem Bellmann-Freund Jan Graf und seinen plattdeutschen Songs weiter, es gibt Grußworte und Vorträge über Johann Bellmann und seine Bibliothek. Und auch im Anschluss soll der „Platt-Goethe“ in der Hansestadt weiterhin sicht- und erlebbar bleiben: Zur Förderung der niederdeutschen Sprache will der Heimat- und Geschichtsverein Buxtehude weitere Veranstaltungen – wie etwa Lesungen – in der Bellmann-Bibliothek anbieten.

Auch sind Stadtführungen auf den Spuren der letzten Nonne Neuklosters aus Bellmanns Roman „Margareta Jansen – De letzte Professa“ angedacht, die das kulturelle und touristische Angebot in der Stadt um den Bellmann-Aspekt erweitern sollen.