Pädagogik im Grünen ist auch für das Personal eine Herausforderung, sagt die Vorsitzende des Bundesverbands der Natur- und Waldkindergärten
Ute Schulte Ostermann ist Vorsitzende des Bundesverbands der Natur- und Waldkindergärten in Deutschland. Das Hamburger Abendblatt hat mit ihr über die Vorzüge der Kindertagesstätten unter freiem Himmel gesprochen.
Hamburger Abendblatt:
Frau Schulte Ostermann, was lernen Kinder in Waldkindergärten, das sie in konventionellen Tagesstätten nicht lernen würden?
Ute Schulte Ostermann:
Sie lernen, alles mit ihren Sinnen zu erfahren. Sie sehen kein zweidimensionales Foto von einer Raupe, sondern sie das echte Tier, dreidimensional. Sie erfahren dessen Eigenschaften nicht durch die Erklärungen des Erziehers, sondern in der freien Natur. Sie können der Raupe sogar einen selbst ausgedachten Namen geben.
Wenn die Kinder sich alles selbst beibringen, wo bleibt da die Erziehung? Haben die Kinder später keine Nachteile im Schulunterricht?
Schulte Ostermann:
Erziehung erhalten die Kinder immer noch in den Elternhäusern. Was die Nachteile anbelangt: Es gibt keine, ganz im Gegenteil. Diverse Studien belegen, dass Kinder, die in Waldkindergärten gegangen sind, später in der Schule in allen Bereichen Vorteile gegenüber Kindern haben, die klassische Kindergärten besucht haben.
Welche Vorteile sind das konkret?
Schulte Ostermann:
Im Wald gibt es mehr zu entdecken als in einem sterilen Raum. Somit eignen sich die Kinder viel natürlicher Vokabeln und Kenntnisse in Mathematik und Physik an. Auch neigen Waldkinder viel seltener zu Aufmerksamkeitsdefiziten oder Aggressivität.
Was kann ein Waldkindergarten nicht?
Schulte Ostermann:
Im Wald kann niemand aus dem Raum geschickt werden. Die Erzieher können nur am Positiven in den Kindern ansetzen. Das ist eine besondere Herausforderung.
Das Waldkindergarten-Konzept ist, ähnlich wie das der Waldorfkindergärten, eher alternativ. Gibt es da Verbindungen?
Schulte Ostermann:
Tatsächlich. Zwar haben die Konzepte nichts gemein, allerdings kann ein Waldorfkindergarten durchaus ein Waldkindergarten sein. Auch Montessorikindergärten können Waldkindergärten sein. Der Begriff besagt nur, dass die Kinder sich in der freien Natur bewegen.
Wie werden Waldkindergärten von der Bevölkerung angenommen? Ist der Zuspruch groß?
Schulte Ostermann:
Oh ja, auch wenn man sagen muss, dass unsere Klientel eher aus den umweltbewussten, gehobenen Schichten kommt. Viele normale Kindertagesstätten versuchen zurzeit allerdings auch, sich ein neues Profil anzueignen. Beispielsweise organisieren sie wöchentlich Ausfahrten in den Wald oder gründen Ableger, welche die Konzepte der Waldkindergärten aufgreifen. Dadurch kommen alle Bevölkerungsschichten mit unserer Idee in Berührung.