Hedendorfer Bürgerinitiative will, dass der Landkreis Stade Filteranlagen in Ställen zur Pflicht macht, wie es andere Landkreise längst tun
Buxtehude-Hedendorf. Die Bagger rollen bereits, doch die Hedendorfer Bürgerinitiative (BI) gegen Hähnchenmast gibt nicht auf. Etwa 60 Bewohner der Buxtehuder Ortschaft wollen sich nicht kommentarlos damit abfinden, dass Landwirt Diedrich Dammann wenige hundert Meter südöstlich des Ortes zwei neue Mastställe für fast 80 000 Hähnchen errichtet. Zwei Ställe mit ebenso vielen Tieren stehen bereits nebenan, so dass insgesamt fast 160 000 Masthähnchen in der Hedendorfer Feldmark gehalten werden.
Auch wenn der Landkreis die Baugenehmigungen bereits erteilt hat und die Arbeiter seit einigen Wochen Fakten schaffen, sind Bernd Prang und seine BI-Mitstreiter davon überzeugt, dass ihre Mühe nicht umsonst sein wird. Sie wissen zwar, dass sie die Anlage nicht mehr verhindern können. Trotzdem wollen sie dafür kämpfen, dass die Ställe zumindest Filteranlagen bekommen.
Die wiederum sind im Landkreis Stade nicht vorgeschrieben, und darin liegt laut BI das Problem. "Solange sie nicht verpflichtend sind, wird kein Landwirt sie freiwillig einbauen", sagt Prang, der als Dozent für Arbeits- und Gesundheitsschutz arbeitet. Nach seinen Schätzungen können sich die Kosten für Filtersysteme auf bis zu 40 000 Euro belaufen - viel Geld für einen landwirtschaftlichen Betrieb. Hinzu kommt, dass auch die regelmäßige Wartung sehr aufwendig ist.
Die BI hofft trotzdem, Diedrich Dammann dazu zu bewegen, die Filter einzubauen, damit die Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung möglichst gering gehalten wird. Dass diese Gefahr häufig ausgeblendet wird, ist für BI-Mitstreiterin Elly Kühl unbegreiflich. "Wie es uns geht, interessiert gar nicht", sagt sie. Sie könne selbst bei größter Hitze oftmals nicht ihre Fenster öffnen, so durchdringend und unerträglich sei der ammoniakhaltige Geruch, der von den Ställen herüberweht.
Vor allem ein Punkt ist für die BI schwer zu begreifen: Wie kann es sein, dass es innerhalb des Landes Niedersachsen unterschiedliche Regelungen hinsichtlich der Filteranlagen gibt? Laut Prang gebe es in anderen Landkreisen sehr wohl eine Filterpflicht, und deshalb wolle die BI dafür kämpfen, dass die unterschiedliche Auslegung des Bundesimmissionsschutzgesetztes endlich beendet werde.
Der Weg dorthin könne nur über die Politik führen, erklärt Prang. "Gesetze fallen schließlich nicht vom Himmel, dafür haben wir unsere gewählten Volksvertreter." Die BI hat deshalb bereits Kontakt mit der SPD-Landtagsabgeordneten Petra Tiemann aufgenommen, die ihnen beim Weg durch den Gesetzesdschungel helfen wolle. Auch direkt vor ihrer Haustür wollen die Hähnchenmastgegner aktiv werden. "Wir rufen dazu auf, dass sich Leute von uns in den Ortsrat wählen lassen", sagt Prang. Das "Informationsdefizit", an dem Hedendorf leide, sei in seinen Augen mit Schuld daran, dass die Ställe jetzt gebaut werden. Hätte die Stadt die Zuwegung zu der Mastanlage nicht ohne Wissen der Politik in einem Vertrag mit dem Betreiber geregelt, hätte man die neuen Ställe verhindern können.
Eine weitere Frage will die BI ebenfalls geklärt wissen: Wohin genau wird der Hühnermist gebracht? "Wir haben von der zuständigen Landwirtschaftskammer Bremervörde immer noch keine Antwort erhalten", sagt Marlene Prang, die so wie ihr Mann Bernd gegen die Hähnchenmast kämpft. Auf Nachfrage des Abendblatts erklärt Bezirksstellenleiter Joachim Ramme, dass es in Niedersachsen kein offizielles "Mistkataster" gebe. Es bestünde aber theoretisch durchaus die Möglichkeit, das politisch durchzusetzen, denn beispielsweise beim Klärschlamm sei es so geregelt, dass offiziell angezeigt werden muss, wo genau die Stoffe hinkommen.
Im Genehmigungsverfahren für eine Hähnchenmastanlage überprüft die Landwirtschaftskammer lediglich die Tierzahlen und vergleicht sie mit der Fläche, auf die der Mist gebracht werden soll. Die Kammer rechnet nach, ob die Fläche in der Lage ist, die anfallenden Nährstoffe aufzunehmen und gibt ihre entsprechende Stellungnahme an die Genehmigungsbehörde ab - im Hedendorfer Fall an den Landkreis Stade.
"In Stichproben überprüfen wir dann, ob der Landwirt eine Düngebilanz führt", sagt Ramme. Das heißt, der Landwirt muss bei einer solchen Kontrolle alle Unterlagen auf den Tisch legen und nachweisen, wie viel er welche Fläche gedüngt hat. Hat er selbst nicht genügend Flächen zur Verfügung, schließt er Verträge mit anderen Landwirten ab. "Wir versuchen generell, in die Hühnermist-Transporte noch mehr Transparenz zu bringen", sagt Ramme mit Blick auf das Verschicken von Mist aus dem westlichen Niedersachsen nach Ostdeutschland.
Etwas ist in dieser Hinsicht zumindest in letzter Zeit in Bewegung geraten. Die Landwirtschaftskammer verzeichne vermehrte Anzeigen aus der Bevölkerung, sagt Ramme. Liegt eine Anzeige vor, müssen die Prüfer aktiv und vom Mastbetrieb einen Einblick in die Düngebilanz fordern. Bisher ist das die einzige Chance der Bürger, dem Landwirt auf die Finger zu schauen.
Diese Möglichkeit dürfte auch für die Hedendorfer interessant sein. "Wir wollen saubere Luft zum Atmen und sauberes Wasser zum Trinken", sagt Elly Kühl. Die BI plane, gegen die neuen Ställe zu demonstrieren, wenn sie errichtet sind. "Wenn wir nicht Druck aufbauen, geht es doch immer so weiter", sagt Bernd Prang. Denn auch wenn Diedrich Dammann versichere, dass er in Zukunft nicht noch mehr Mastställe bauen wolle - wer könne da schon sicher sein?