Der Rettich hat viele Namen. Ob Ostergruß, ob Eiszapfen oder Radieschen. Ob weiß, rot oder schwarz. Es ist und bleibt dasselbe Gemüse.

Stade/Buxtehude. Rettich, bei Kindern ungefähr so beliebt wie Rosenkohl, ist eines der Stiefkinder unter den Gemüsesorten. Die längliche weiße Rübe ist in Norddeutschland nicht sonderlich geschätzt. Anders ist das in Süddeutschland: Da gehört der Rettich zur Brotzeit wie das Brot.

In Norddeutschland wird Rettich zudem selten angebaut. Händler Uwe Gehrke ist Selbsterzeuger und steht mit seinem Stand auf dem Harburger Wochenmarkt. Rettich verkauft er - doch nicht einmal er baut ihn an. "Das haben wir früher gemacht. Inzwischen lohnt sich der Aufwand nicht mehr", sagt er. Er bezieht seinen Rettich zurzeit noch aus Italien.

Ab Ende Mai beliefert ihn der Gärtner Bernd Urbach aus Stelle. Er baut Rettich auf 90 Hektar an. "Das geht allerdings nur unter Fließ- oder Folienabdeckung, damit die Temperatur nicht unter zehn Grad fällt", sagt er. Kühle Temperaturen sind für den Rettich das Zeichen zur Vermehrung. Dann schießt er aus und bildet eine Blüte. Mit den Folientunneln verhindern die Bauern, dass dies passiert.

Eigentlich kommt der Rettich aus Kleinasien. Die Römer brachten ihn um 50 vor Christus über die Alpen nach Mitteleuropa. Im 13. Jahrhundert wurde er als Heilpflanze genutzt. Noch immer schwören viele auf selbstgemachten Rettich-Hustensaft bei Erkältungen. "In Deutschland gibt es nur zwei Arten: Japanischen Rettich und Deutschen Rettich", sagt Gärtner Bernd Uhrbach. Der Deutsche Rettich sei kleiner und schärfer als sein japanischer Verwandter. "Das aber wollen die Kunden nicht. Die wollen immer möglichst viel für wenig Geld, und die wenigsten essen gern scharf", sagt der 47-jährige Gärtner.

Auf den meisten Wochenmärkten findet man ausschließlich japanischen Rettich. Wenn der 600 Gramm erreicht hat, wird er geerntet. "Rettich wächst anders, als die meisten denken. Nur ein Drittel der Rübe ist unter der Erde, zwei Drittel schauen heraus", sagt Uhrbach. Seine Mitarbeiter messen den Umfang des herausschauenden Teils. Anhand von Erfahrungswerten wissen sie, wie schwer er bei welchem Umfang ist. Ist der gewünschte Umfang erreicht, wird der Rettich geerntet.

Die Blätter kann man nicht essen, sie werden abgeschnitten. "Ein paar Zentimeter lässt man aber immer als Frischezeichen dran", sagt der Gärtner. Ob der Rettich tatsächlich frisch ist, erkennt man leicht. "Er darf nicht gummiartig sein", sagt Bernd Uhrbach. Wenn man mit der Rübe herumwedeln könne wie mit einer Peitsche, sei er eindeutig alt, und das mache sich beim Geschmack bemerkbar. Auch bei anderen Gemüsesorten wie Gurken kann man die Frische an der Festigkeit erkennen. Der Grund ist immer der gleiche: Verliert das Gemüse zu viel Wasser, verliert es auch an Stabilität. "Rettich lagert man am besten im Kühlschrank", sagt Bernd Uhrbach. In Frischhaltefolie verpackt, halte sich das Kreuzblütengewächs bis zu einer Woche.

Wie alle Gemüsesorten ist auch der Rettich bei Ernährungsexpertenbeliebt. "Allerdings sind Rettich und Radieschen eine Geschmackssache", sagt Ernährungsexperte Stefan Rebbin aus Harburg. Manchen gefalle die Schärfe des Gemüses nicht. Erzeugt werde dieser charakteristische Geschmack dank der in Rettich und Radieschen enthaltenen Senföle. Außerdem enthält Rettich Raphanol. "Dieses schwefelhaltige Öl kann bei manchen Menschen Mundgeruch auslösen", so der Ernährungsexperte.

Laut Rebbin ist der Rettich reich an Vitamin C. "Das ist wichtig für das Immunsystem", sagt er. Allerdings dürfte es in Mitteleuropa niemanden geben, der einen Mangel an diesem Vitamin habe. "Vitamin C wird allen möglichen Nahrungsmitteln zugesetzt", sagt er. Auch der Anteil an den Spurenelementen Kalium und Magnesium sei beim Rettich hoch. "Kalium und Magnesium sind wichtig für die Herztätigkeit und die Muskelsteuerung", sagt der 48-Jährige.

Für manche Menschen kann der gesunde Rettich jedoch gefährlich werden: "Menschen, die Phenylalanin nicht vertragen, sollten weder Rettich noch Radieschen essen", so Ernährungsberater Rebbin. Phenylalanin ist eine Aminosäure, die in vielen Light-Produkten vorkäme und eben auch im Rettich. Wer ihn verträgt, isst ihn am besten roh, davon ist Gärtner Bernd Uhrbach überzeugt. "Man schneidet mit einem Sparschäler einfach dünne Spiralen ab und isst sie mit Salz", sagt er.

Im Sommer bezahlt man für einen 600-Gramm-Rettich gerade einmal einen Euro, auch jetzt kostet er nicht sonderlich mehr. Reich werden die Händler mit den Kreuzblütengewächsen also nicht. "Rettich ist und bleibt bei uns ein Nischenprodukt", sagt Erzeuger Bernd Uhrbach. Die Hauptanbaugebiete sind in China, Japan und Korea. In Deutschland beträgt der Pro-Kopf-Verbrauch etwa 250 Gramm pro Jahr, in Korea sind es dagegen rund 30 Kilogramm.

Rettich wird das ganze Jahr über angeboten. Weißen und roten Mairettich gibt es von April bis Juni, weißen Herbstrettich von Juli bis September und violetten bis schwarzen Winterrettich von Oktober bis Februar. Genau wie die Farben variiert auch das Aussehen des Rettichs. Die Wurzel kann spindelförmig, oval oder rund sein. Nur eines ist immer gleich: Das Fleisch ist bei allen Rettichen weiß. Der Geschmack variiert je nach Sorte und Jahreszeit. Der Mairettich schmeckt weniger scharf als der schwarze Winterrettich. Mitunter haben Rettiche auch sehr fantasievolle Namen: So nennt man den kleineren Deutschen Rettich auch Eiszapfen und den roten Mairettich Ostergruß, der schwarze Winterrettich wird auch Bierrettich genannt.

Eine Variation des Rettichs ist das Radieschen. Da die kleineren Rettich-Verwandten jedoch mehr Sonne benötigen um schön rot zu werden, werden sie in Norddeutschland nur von Hobbygärtnern angebaut. Dass Rettich und Radieschen verwandt sind, ist nur noch in Süddeutschland geläufig, da nennt man die dicken Rettichrüben Radi.

Nur der Meerrettich hat mit den Rettichen eigentlich nichts zu tun: Anders als der Rettich, ist der Meerrettich ein Wurzelgewächs. Die Wurzeln müssen komplett ausgegraben werden um sie zu ernten. Dass Meerrettich trotzdem Rettich heißt, könnte damit zusammenhängen, dass er genau wie Rettich scharf schmeckt.