Vor allem Nordkehdingen braucht junge Familien, um eine Überalterung der Samtgemeinde zu stoppen. Doch die lassen sich kaum locken.
Stade/Buxtehude. Seit mehr als 15 Jahren stieg die Zahl der Einwohner im Kreis Stade kontinuierlich von 184 467 im Jahr 1996 auf 197 003 im Jahr 2008 an. Im Jahr 2009 machte sich der demografische Wandel erstmals bei der Einwohnerzahl bemerkbar, als 196 294 Menschen und damit 704 Bürger weniger im Kreis Stade offiziell gemeldet waren. Im Jahr 2004 gingen sowohl das Landesamt als auch die Kreisverwaltung noch von 199 732 Einwohnern für 2010 und 201 398 Einwohnern im Jahr 2014 aus. Die negative Entwicklung wird sich laut den aktuellen Daten des Statistischen Landesamtes Niedersachsen in Hannover, das eine Prognose bis 2014 aufführt, fortsetzen.
Das große Problem ist die immer noch geringe Anzahl an Neugeborenen. Ende 2009 betrug die Zahl der Kinder unter fünf Jahren gerade einmal 4,4 Prozent am Gesamtbevölkerungsanteil in der Region. Dieser Wert wird laut der Prognose bis 2014 weiterhin unverändert niedrig bleiben. Die Zahl der Kinder zwischen 5 und 15 Jahren werde zugleich von 11,1 Prozent auf 9,6 Prozent kreisweit abnehmen. Im Gegenzug werde sich die Überalterung der Gesellschaft weiter fortsetzen.
Waren 2009 noch 19,4 Prozent der Bürger 65 Jahre und älter, wird der Wert 2014 bereits bei 21,2 Prozent liegen, die Zahl der Bürger zwischen 45 und 65 wird von 27,8 auf 30 Prozent ansteigen. Damit wären mehr als die Hälfte der Bürger im Kreis im Jahr 2014 mindestens 45 Jahre alt. Der Kreis Stade stellt damit aber keine Besonderheit in Niedersachsen dar. Die Entwicklung ist laut dem Landesamt in vielen Landkreisen sehr ähnlich. Lediglich in Cloppenburg und Vechta werden derzeit deutlich mehr Kinder unter fünf Jahre als im Kreis Stade verzeichnet. Bei den mehr als 65 Jahre alten Bürgern stehen die Nordseekreise sowie die Region um Hannover, Goslar, Braunschweig und Hildesheim auf den unrühmlichen Spitzenplätzen.
Die Kreisverwaltung beschäftigt sich seit Jahren mit dem Problem des demografischen Wandels. "Wir haben 2004 eine Prognose in Auftrag gegeben, die uns helfen soll, die richtigen Entscheidungen zu fällen, um bestmöglich gerüstet zu sein", sagt der Erste Kreisrat Eckhard Lantz. Auf Kreisebene sei daher etwa die Schullandschaft den Gegebenheiten angepasst worden und Aktivitäten wie das "Lernen vor Ort"-Projekt ins Leben gerufen worden. "Mit solchen Aktionen schaffen wir für junge Familien ein gutes soziales Umfeld", sagt Lantz. Aber auch der S-Bahn-Anschluss und der Bau der A 26 würden die Region für junge Familien sicherlich attraktiver machen.
Im Kreis Stade ist vor allem die Lage in Nordkehdingen seit mehr als zehn Jahren angespannt. Nach wie vor ist die Region von einer starken Diskrepanz zwischen jungen und älteren Bürgern gekennzeichnet. Nur 3,6 Prozent aller Bürger sind dort unter fünf Jahre alt. Die Gegend ist damit Schlusslicht vor Stade, Jork und Himmelpforten. Bei den Bürgern, die 65 Jahre und älter sind, steht Nordkehdingen wiederum mit 25,5 Prozent Bevölkerungsanteil deutlich an der Spitze. In Buxtehude, auf Platz zwei in der Statistik, liegt der Wert bei 20,2 Prozent, in Stade bei 19,9 und in Harsefeld bei 17,4 Prozent.
Auch die Zahl der Kinder und Jugendlichen zwischen fünf und 15 Jahren ist in Nordkehdingen mit 10,2 Prozent Bevölkerungsanteil gering, allerdings ist Buxtehude hier noch etwas schlechter aufgestellt. In der Estestadt waren 10,1 Prozent zwischen fünf und 15 Jahre alt. Zum Vergleich: Harsefeld liegt kreisweit mit 13 Prozent auf Platz eins vor Apensen (12,7 Prozent) und Himmelpforten (12,1 Prozent).
Für Nordkehdingens Samtgemeindebürgermeister Edgar Goedecke sind die Zahlen aus Hannover kein Grund, um in Unruhe zu geraten. "Wir bemühen uns um familienfreundliche Angebote, aber der Nachwuchs lässt sich nicht so einfach nach Nordkehdingen locken", sagt er. Im Sportbereich und auch in der Erziehung sei in den vergangenen Jahren ordentlich investiert worden. Doch die Grenze dessen, was mit Infrastrukturmaßnahmen zu erreichen sei, sei halt begrenzt.
Das Problem in Nordkehdingen sei auch kein Novum. In der Vergangenheit sei die Region als Sonderfall bei der Bevölkerungsentwicklung - auch aufgrund der infrastrukturellen Probleme - immer wieder aufgefallen. Doch mit dem derzeitigen Trend befinde sich die Kommune bei einem Niedersachsenweiten Vergleich inzwischen in guter Gesellschaft, so der Samtgemeindebürgermeister. "Wir können jungen Familien als Kommune keine Geldgeschenke machen, um sie zu uns zu locken. Daher können wir uns nur auf das beschränken, was der Gesetzgeber und unsere Finanzlage erlaubt", so der Samtgemeindebürgermeister.
Die finanzschwache Samtgemeinde könne nicht mit Kommunen wie Harsefeld konkurrieren, die über eine deutlich bessere Finanzlage verfügen. Dort wird, die kommunale Selbstverwaltung ermöglicht es, von der Fleckenverwaltung offiziell mit Geld um junge Bürger geworben. So heißt es auf der Webseite der Samtgemeinde: "Der Flecken Harsefeld fördert die Grundstückserwerber [...], die das Objekt auch selbst bewohnen, mit 1000 Euro für jedes minderjährige, im Haushalt des Grundstückerwerbers lebende Kind".
Diese Strategie gilt als einer der Gründe, weshalb Harsefeld beim prozentualen Anteil von Kindern und Jugendlichen an der Spitze im Landkreis steht. Auch in Apensen wird vor allem mit im Vergleich zu Buxtehude niedrigen Baulandpreisen um junge Familien geworben.
Für Nordkehdingen sei dies aber kein Modell für die Zukunft. Die Baulandpreise sind bereits niedrig. Die Kreisverwaltung hofft daher, dass der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, insbesondere der Bau der A 26 und A 20, für neue Ansiedlungsimpulse sorgt.