Energiekosten steigen, Einnahmen sinken gleichzeitig. Insolvenzen nehmen zu. Immer mehr kleine Familienbetriebe geraten in Not.
Hans-Heinrich Witthut prüft die Lampen und Steckdosen am "Break-Dancer". Sein Sohn Pierre kriecht währenddessen auf dem Dach des Ausschanks "Schäfer-Stübchen" herum und bringt eine Lampenleiste an. Im Hintergrund schwingen Kranarme durch die Luft. Andere Schausteller rollen Stromkabel aus, nehmen Reparaturen vor. Es wird gehämmert, gebohrt und geschraubt. Wieder ein Aufbau. Diesmal auf den Sülzwiesen in Lüneburg. Eine neue Chance, die Einnahmen zu verbessern.
Denn die Schaustellerbranche steht unter Druck. So sehr, dass die Zahl der Insolvenzen nach Angaben des Deutschen Schaustellerbundes in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat. Der Interessenverband spricht von einer Tendenz, dass einige - vor allem kleine - Betriebe ihre Fahrgeschäfte nicht mehr profitabel unterhalten können. Zu hohe Kosten, zu wenig Einnahmen. Das ist die Entwicklung der vergangenen Jahre.
Derzeit bereiten den Fahrgeschäftbetreibern vor allem die gestiegenen Benzinkosten Schwierigkeiten. "Die Einnahmen haben sich halbiert, die Kosten haben sich vervierfacht", sagt Klaus Wilhem, Vorsitzender des Schaustellerverbandes Niedersachsen und Vizepräsident des Deutschen Schaustellerbundes. "Das ist die schlechteste Konstellation, die man sich vorstellen kann." Der Schaustellerbund hat in den vergangenen Jahren bereits Industrie- und Großabnehmerpreise gefordert, um wenigstens die Energiekosten für die Schausteller im Rahmen zu halten. Vergeblich. "Wir zahlen genauso viel für Strom wie andere für ihre Wohnungen", sagt Wilhelm. Und den Kirmesbesuchern mehr Geld abzuknöpfen traut sich keiner. "Bei den Besuchern ist das Geld ja auch nicht da."
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Die Krise trifft insbesondere die Betreiber von Fahrgeschäften für Kinder und Jugendliche. Und damit sind wir wieder bei Hans-Heinrich Witthut, 54, und seinem Sohn Pierre, 28, aus Barum, Kreis Lüneburg. Sie stehen mit insgesamt drei Geschäften - zwei Kinderkarussells und mit ihrem "Schäfer-Stübchen" - auf den Sülzwiesen. Dass sich immer weniger Menschen für ein Leben mit Kind entscheiden, macht sich bei ihnen deutlich bemerkbar. Seit 43 Jahren kommt die Familie mit ihrer Kindereisenbahn zum Lüneburger Frühjahrsmarkt. Genaue Zahlen will Hans-Heinrich Witthut nicht nennen, der das Geschäft von seinem Vater übernommen hat. "Aber seit den geburtenschwachen Jahrgängen ist das Geschäft rückläufig", sagt er. Und dann ist da noch die starke Konkurrenz namens Computerspiele und Handy, die den Geldbeutel der Eltern strapazierten. "Was heute für die Elektronik der Jugendlichen ausgeben wird, wanderte früher in die Fahrgeschäfte", sagt Otto Ernst Schulz, Geschäftsführer des Schaustellerverbandes Lüneburg.
Dennoch: Die Besucherzahlen seien in den vergangenen Jahren zufriedenstellend, sagt Schulz. Auch Benno Fabricius, Vorsitzender des Lüneburger Schaustellerverbandes, betont: "Die Besucherzahlen sind nach wie vor gut." Nur: Ein voller Rummelplatz heißt noch lange nicht, dass die Besucher reichlich Geld ausgeben. "Dass die Energie- und die Lebenshaltungskosten gestiegen sind, merken wir in der Freizeitbranche am ehesten", sagt Fabricius.
Wenn es Neues, Attraktionen, nie Dagewesenes gibt, zücken die Eltern gern ihr Portemonnaie. Damit die Schausteller aber in neue Fahrgeschäfte investieren können, brauchen sie Geld von den Kreditinstituten. "Den Banken ist das Schaustellergewerbe wiederum ein zu leichtlebiges Geschäft", sagt Schulz. "Sie wissen, wie sehr die Einnahmen der Fahrgeschäftbetreiber und Budeninhaber etwa vom Wetter abhängig sind."
Auch für den Fahrgeschäftbetreiber Witthut ist eine Investition in eine neue Jahrmarktattraktion undenkbar. Sich für seinen Ausschank alle paar Jahre neue Geräte für Modegetränke - etwa eine Eiswürfelmaschine für Caipirinhas - kaufen zu müssen, sei finanziell schon schmerzhaft genug. "Früher gab es von jeder Brauerei zu Saisonbeginn 200 bis 300 Gläser umsonst. Die Zeiten sind aber lange vorbei. Das müssen wir jetzt alles selbst zahlen."
Und weil die Gewinnspanne immer kleiner wird, nehmen die Schausteller auch nicht mehr einen langen Anfahrtsweg in Kauf. "300 bis 400 Kilometer fährt heute kein Schausteller mehr zu einem Volksfest", sagt Fabricius.
Der Frühjahrsmarkt kann da aber im Unterschied zu manch anderen Volksfesten noch punkten, da er sich terminlich an das Ende des Hamburger Frühjahrdoms reiht, und Lüneburg für die Schausteller auf ihrer Route zu den Veranstaltungen im Süden keinen großen Umweg bedeutet.
Dass der Markt auf den Sülzwiesen seine düsteren Zeiten hinter sich gelassen hat, spricht außerdem für die Hansestadt. Das geschah mithilfe der Polizei. Nachdem der Frühjahrsmarkt vor etwa zehn Jahren wegen Schlägereien und betrunkenen Jugendlichen für Schlagzahlen gesorgt hat, gibt es seit einigen Jahren eine mobile Wache, die für die Sicherheit auf dem Marktplatz sorgt. Dass die Jugendlichen keinen Alkohol und keine Waffen mit sich führen dürfen, versteht sich von selbst.
Aber mit einer Stadtsatzung, die Lüneburg speziell für die Sülzwiesen entwickelt hat, haben die Beamten auch eine Gesetzesgrundlage, um die Jugendlichen kontrollieren und notfalls Bußgelder verhängen zu können. "Dadurch fühlt sich das Familienpublikum, das wir ja haben möchten, wieder sicher und wohl. Die Kinder kommen auch wieder allein hierher", sagt Fabricius.
Hans-Heinrich Witthut und sein Sohn Pierre werden auch künftig auf den Sülzwiesen Station machen. Die Familientradition wird fortgeführt. Und ja, trotz allem bringt es noch Spaß, sagt der Senior. "Ich bin hier hineingeboren. Ich kann nichts anderes, und ich wollte auch nie etwas anderes."