Der neue niedersächsische SPD-Vorsitzende enttäuscht die Hoffnungen der Stader Bürgerinitiativen
Stade/Hannover. Der neue PD-Landesvorsitzende Olaf Lies sieht derzeit kaum Alternativen zu den Stader Kohlekraftplänen. Lies erklärte gegenüber dem Abendblatt, dass der von der SPD auf Bundesebene bereits beschlossene Atomausstieg beibehalten werden muss, zugleich aber der Weg für eine breite Nutzung der regenerativen Energien weiter geebnet werden müsse. Ebenso machte er deutlich, dass für die jetzige Übergangszeit die Nutzung der Kohlekraft nicht zu umgehen sei. E.on und Dow-Chemical planen, in Stade zwei Kohlekraftwerke zu errichten.
Olaf Lies setzt auf realistische Pläne statt utopischer Forderungen
"Wir müssen langfristig unsere gesellschaftlichen und parteilichen Ziele für eine atom- und kohlefreie Energiewirtschaft definieren, wir müssen dabei aber auch realistisch bleiben", sagte Lies. Die Forderungen von Bürgerinitiativen nach einem sofortigen Kohlekraftstopp bezeichnete er als nachvollziehbar, gleichwohl aber nicht durchsetzbar. Derzeit lasse die Struktur der Energiewirtschaft eine sofortige Abkehr von der Kohle nicht möglich. Etwa 50 Prozent der bundesweit produzierten Energie werde mit Kohle erzeugt. "Das lässt sich nicht von heute auf morgen einfach ersetzen", so der SPD-Landesvorsitzende.
Dennoch: Alle Kohlekraftwerke, die derzeit in Deutschland noch in der Planung sind, müssten hocheffizient sein und auf dem neuesten Stand der Technik sein. "Wir müssen ehrlich sein und uns fragen, wie viele Kraftwerke wir für unsere Energieversorgung brauchen und was wir in den kommenden Jahren in der Energiepolitik wirklich umsetzen können", sagte der SPD-Landeschef. Die Partei müsse in dieser Frage jetzt einen Konsens finden und Überzeugungsarbeit bei den Bürgern leisten - gerade hier vor Ort. Lies erklärte, dass ein vollständiger Ausstieg aus der Kohlekraft aus technischer Sicht womöglich nicht vor dem Jahr 2050 zu bewerkstelligen sei.
Das geplante Kohlekraftwerk des Dow-Chemical Konzerns in Stade bezeichnete er als einen Sonderfall. Das Unternehmen habe eine besondere wirtschaftliche Bedeutung für die Region. Daher könnten die Interessen, die helfen, die Existenz des weltweit agierenden Konzerns im globalen Wettbewerb zu sichern, nicht einfach ignoriert werden. Dafür stünden in der Region und darüber hinaus zu viele Arbeitsplätze auf dem Spiel. Die Politik müsse ein Interesse daran haben, vernünftige wirtschaftliche und infrastrukturelle Rahmenbedingungen für derartige Unternehmen zu bieten, ohne sie aber zu hofieren.
In diesem Zusammenhang sagte Lies, dass die Hinterlandanbindung der Häfen weiter gehen müsse. Lies setzt hierbei aber, anders als der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann (CDU), vorrangig auf eine bessere Bahnanbindung, denn auf einen Ausbau der Bundesautobahnen A 26 und A 20/22 und der Bundesstraße 73. "Die Küstenautobahn ist zweifellos wichtig, doch der Ausbau des Bahnnetzes ist bei uns das Kernthema", sagte Lies.
Für die kommenden Jahre würde von Experten ein Anstieg des Güterschienenverkehrs um etwa 60 Prozent prognostiziert. "Für diese Mehrbelastung sind unsere Bahntrassen aber kaum vorbereitet, es müssen daher neben dem Ausbau der Straßen auch dringend Bundesmittel in den Ausbau des Schienennetzes laufen, also auch in die Region zwischen Stade und Cuxhaven", so der SPD-Landeschef. Hier müsse die Politik dringend parteiübergreifend zusammenarbeiten.
Kritik an der Privatisierung der Verkehrsinfrastruktur
Die in den vergangenen Jahren verfolgte und teilweise umgesetzte Privatisierung der Bahnstrecken in Deutschland bezeichnete er als einen Fehler. "Ich bin der festen Meinung, dass die Infrastruktur eines Landes in staatliche Hand gehört und nicht in die Hand einiger privater Unternehmen", sagte Olaf Lies. Eine Zerstückelung des gesamten Verkehrswegenetzes mache es schwerer, nachträglich sinnvolle Infrastrukturmaßnahmen in Angriff zu nehmen. Davon sei vor allem das Bahnnetz betroffen. Zudem sprach sich Lies bei Bauprojekten wie dem Bau einer Y-Bahntrasse im Elbe-Weser-Raum für Festpreise auf Basis reeller Zahlen aus.