Das 1687 von Arp Schnitger geschaffene Instrument wurde für fast 250 000 Euro restauriert. Der Klang der Orgel ist jetzt ganz besonders.
Steinkirchen. Man könnte Jürgen Wiesecke um Mitternacht wecken und er würde alle Fragen zu den Orgelrestaurierungen im Alten Land und den dafür wichtigen Finanzierungskonzepten aus dem Effeff beantworten. Der 71-Jährige aus dem Guderhandviertel ist Kirchenvorstand der evangelischen Kirchengemeinde Lühekirchen. Er hat sich die Hilfe zur Rettung der historischen Kircheninstrumente zu einer seiner Lebensaufgaben gemacht. Sein jüngstes Projekt: die Arp-Schnitger-Orgel im Steinkirchener Gotteshaus Sankt-Nicolai-et-Sankt-Martini.
Mit ungebremstem Engagement ist Wiesecke seit fünf Jahren auf dem Parcours bürokratischer Hürden unterwegs, um die Rettungskonzepte für die kostbaren Orgeln mit Sachverständigen, Orgelbauern, Vertretern der Leader-Region Horneburg-Altes Land und Kirchenvorständen festzuzurren.
Von der Bewerbung um Fördermittel bis zur peniblen Abrechnung der Kosten behält der Ingenieur im Ruhestand alles im Blick und im Griff. Um so viel Geld wie möglich für die Restaurierung dreier Altländer Orgeln zu sichern, prüfte er Angebote von Orgelbaufirmen, beantragte Expertisen vom Amt für Bau- und Kulturdenkmalpflege Verden und stimmte sich mit Orgelsachverständigen ab.
Mit dem Ergebnis in Sankt-Nicolai-et-Sankt-Martini ist er sehr zufrieden. "Zum Glück standen uns hilfreiche Mitstreiter zur Seite, um die Restaurierungen zu einem segensreichen Ende zu bringen", sagt Wiesecke. Allen voran Kirchenmusikdirektor im Ruhestand Richard von Busch aus Hamburg, Landessuperintendent Christian Brandy und Friedrich Cassens, zuständig für Orgelrestaurierungen beim Landeskirchenamt Hannover. Finanzhilfe kam aus dem Leader-Fonds, das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung bewilligte für die Orgeln in Mittelnkirchen rund 28 000 Euro, in Borstel 19 600 Euro und zuletzt in Steinkirchen 102 960 Euro.
Die Fäden hielt Wiesecke in der Hand. Lohn seines Einsatzes ist der einmalige Klang jeder restaurierten Orgel - und der Erfolg des Unermüdlichen. Wiesecke strahlt glücklich, als er von seinem jüngsten Projekt berichtet. "Sie ist einmalig schön, ein handwerkliches Meisterwerk mit 28 Registern und fulminanter Klangschönheit", beschreibt er die Arp-Schnitger-Orgel in der Steinkirchener Kirche. Mit Pastor Olaf Prigge und dem Organisten Wolfgang Wissemann verfolgt er die ersten Klangproben. "Großartig, faszinierend", schwärmen die drei Männer von dem Ergebnis, und das obwohl die Restaurierungsarbeiten noch gar nicht vollständig abgeschlossen sind.
"Die Orgelbaufirma Rowan West aus Altenahr/Eifel hat die Restaurierung so durchgeführt, dass Technik und Intonation der Orgel behutsam wieder dem Originalklang der Schnitger-Zeit angeglichen wurden", sagt Wolfgang Wissemann. Im Laufe der Jahrhunderte habe die Orgel starke Stimmschäden durch unsachgemäße Behandlung erlitten. Vibrationen bewegten das Bleigefüge, worauf es tiefer sackte. Deshalb bestehe die Gefahr, dass große Prospektpfeifen, die das Erscheinungsbild der Orgel prägen, vom Instrument herabfallen könnten, sagt der Organist. Zudem werden die Pfeifen porös, sprechen beim Spielen der Orgel nur noch verzögert an und verfremden das Klangbild.
Für die aufwendige Restaurierung mussten 249 900 Euro aufgebracht werden - für Wiesecke die größte Herausforderung. Nachdem er federführend für die Schnitger-Schreiber-Orgel in Mittelnkirchen die Restaurierungen für knapp 67 000 Euro und für die Borsteler Orgel in St. Nikolai rund 50 700 Euro finanziell absicherte, war das Steinkirchener Prachtstück auch in dieser Hinsicht ein Mammutprojekt.
"Mit Hilfe der Leader-Förderung des Landes Niedersachsens und Eigenmitteln der Landeskirche in Höhe von 99 960 Euro sowie der Kirchengemeinde Lühekirchen, die 46 980 Euro dazugab, gelang das Unterfangen, die Gesamtsumme aufzubringen, die für die Restaurierung notwendig war", sagt Wiesecke. Nun sei die Steinkirchener Orgel wieder dem Original von Arp Schnitger weitgehend angeglichen. Im Jahre 1687 schuf Baumeister Arp Schnitger das Instrument, bei dem er auch älteres Pfeifenmaterial aus dem 16. Jahrhundert verwendete.
Die Orgel wurde im Laufe der Jahrhunderte wenig verändert und zuletzt in den Jahren 1947 und 1948 sowie 1887 instandgesetzt. "Das Instrument gilt als eine der wenigen reinen Schnitger-Orgeln und ihre Restaurierung erhält einem weltweit interessierten Publikum diese Klangpracht dauerhaft", sagt Pastor Olaf Prigge. Die Restaurierung erfolgte auf Empfehlung des Stader Orgelsachverständigen Martin Böcker in Abstimmung mit der Landeskirche.
Einen Tag nach Christi Himmelfahrt, am Freitag, 18. Mai, wird die restaurierte Orgel um 18 Uhr bei den Orgeltagen Elbe-Weser und dem Arp-Schnitger-Fest der Öffentlichkeit vorgestellt. Um 19 Uhr beginnt mit einem Konzert des Organisten Professor Harald Vogel aus Osterholz-Scharmbeck die Klangpremiere vor großem Publikum.
Natürlich wird auch Jürgen Wiesecke dabei sein, die Musik genießen und ausnahmsweise für einen Abend nicht an neue Projekte denken, die er längst angeschoben hat.