Westerland. Landschaftsmalereien sind eine Hommage an seine Heimat Sylt. Noch bis zum 15. Oktober sind sie ausgestellt.
Sie sind eine Wucht. Romantische Landschaften, expressionistische Pinselstriche, große Gefühle: All das vereint sich in den Malereien des Künstlers Lars Wiggert. Seine Ölbilder sind eine Hommage an seine Heimat Sylt.
Noch bis zum 15. Oktober stellt er in der Galerie im Hotel Roth in Westerland (Strandstraße 31) seine aktuellen Arbeiten aus. Der Künstler ist täglich von 14 bis 19 Uhr anwesend und steht für persönliche Gespräche zur Verfügung. Der Eintritt zur Ausstellung ist frei.
Die Malereien zeigen Strände, Buchten, sich brechende Wellen und Wolken
Entstanden sind die 35 Werke seit 2020, die meisten von ihnen von Juli bis Oktober dieses Jahres. Es sind Heimatbilder, die Wiggert da gemalt hat. Die meisten zeigen Sylts Westseite. „Das sind Stätten meiner Kindheit“, so der 56-Jährige. Die Protagonisten seiner Malereien sind Strände, Buchten, sich brechende Wellen, die untergehende Sonne und vor allem: Wolken. Die spielen eine große Rolle in Wiggerts Werk.
Doch dabei sind es gar nicht vordergründig die Motive, um die es dem gebürtigen Sylter geht. Sondern: Gefühle. „Die Bilder sind Projektionen für tief Empfundenes.“ Wenn er aufs Meer blickt, dann spürt er Freiheit. Wiggert: „Ich glaube, das geht vielen Menschen so.“
Lars Wiggert verbringt seine Kindheit und Jugend auf Sylt
Wiggert wird 1966 in Westerland auf Sylt geboren, verbringt seine Kindheit und Jugend auf der Insel. Bis zum Antritt seines Zivildienstes in München spielt die Malerei kaum eine Rolle im Leben des Norddeutschen. Doch das soll sich schlagartig ändern, als Wiggert 23 Jahre alt ist. Sie wird Leidenschaft, sie wird eine Notwendigkeit. Ein Besuch im Haus der Kunst verändert alles.
„Es war eine Emil-Nolde-Ausstellung“, erinnert er sich. Den norddeutschen Expressionist kennt er bis dato kaum. Aber seine Bilder hinterlassen Eindruck. „Sie entfachten mein Feuer“, sagt der Künstler. Auch das Gemälde „Morgen nach einer Sturmnacht“ von Johan Christian Dahl, das er in der Neuen Pinakothek sieht, bewegt etwas in ihm. Was er auf dem Bild sieht, kennt er von Sylt. „Das hat mir gezeigt, dass ich über die Malerei auch meiner Heimat nahe sein kann.“
Im Hamburger Schanzenviertel richtet der Künstler sein Atelier ein
Wiggert zieht nach seinem Zivildienst für sein Volkswirtschaftsstudium nach Göttingen, belegt dort einen Ölmalkurs. Alles andere bringt er sich selbst bei. „Ich bin Autodidakt.“ Nach seinem Examen 1997 geht der heutige Künstler nach Hamburg, arbeitet ein halbes Jahr bei einer Bank. Doch das ist nicht sein Ding. Wiggert: „Ich bin kein Zahlenmensch und auch kein analytischer Mensch.“
Im Schanzenviertel richtet er damals sein Atelier ein – und malt. Tagein, tagaus, jahrzehntelang, bis heute. Er macht sich einen Namen als Landschaftsmaler, stellt unzählige Male aus. Der Sylter Maler und Philosoph Siegward Sprotte wird eine wichtige Figur im Leben des Künstlers, begleitet und prägt ihn. Sein großes Projekt, „Helmut Schmidt und der Brahmsee“, realisiert der Maler in Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Bundeskanzler.
Wiggerts Arbeitstag beginnt um 20 Uhr
Wie ein typischer Arbeitstag im Leben eines freischaffenden Künstlers aussieht? „Ich habe eine feste Routine“, sagt Wiggert. Und die beginnt ziemlich genau um 20 Uhr. Die Nacht gehört seiner Kunst und ihm. Zu dieser Uhrzeit kann er in seinem archaischen Dachbodenatelier am besten malen, sich am besten seinen Gefühlen hingeben – übrigens in kompletter Stille.
„Ich male jeden Tag von 20 bis etwa 23 Uhr. Dann mache ich eine Pause und wärme mich mit Kaffee oder Tee auf“, so der Künstler. „Und dann geht es weiter bis 2 Uhr nachts.“ So kommt Wiggert auch auf einen 5- bis 7-Stunden-Tag – oder eher 5-bis 7-Stunden-Nacht. Idealerweise malt er ein Bild in einer Nacht, aus einem Strich, ohne Korrektur. „Dann sind sie am authentischsten.“ Malblockaden hat der Künstler aber trotzdem ab und zu: „Ich glaube das ist normal. Wenn das passiert, lasse ich es auch zu.“
Der Künstler kann als einer von wenigen von seiner Kunst leben
Viele Motive der aktuell ausgestellten Bilder existieren auf Sylt, einige sind Fantasiebilder. Oft sind es die prominenten Wolken, die den Betrachtern seiner Bilder auffallen. Andere freuen sich über den Bezug zur Insel Sylt. Mal ist es ein Satz, den der Künstler als Feedback bekommt. „Manchmal sind es auch epische Abhandlungen in Schriftform“, sagt Wiggert. In das Gästebuch einer vergangenen Ausstellung schrieb eine Frau über mehrere Seiten, wie seine Kunst sie bewegt. „Das war sehr schön.“
Lars Wiggert lebt als freischaffender Künstler, finanziert seinen Lebensunterhalt von der Malerei. Das schaffen die wenigsten. Unter zehn Prozent aller bildenden Künstlerinnen und Künstler können in Deutschland von ihrer Kunst leben. Corona hat die Lage für viele noch prekärer gemacht. Nicht so für Wiggert. „Gerade aktuell läuft es sehr gut für mich“, sagt er. Vor allem seine Druckgrafiken kaufen viele Leute. „Vielleicht haben die Menschen in Krisenzeiten wie diesen das Bedürfnis nach etwas Schönem.“
Das nächste Projekt steht schon in den Startlöchern
Übrigens: So schnell wird der Künstler nicht aufhören zu malen. Nach der Ausstellung ist vor der Ausstellung. Das nächste Projekt steht schon in den Startlöchern. „Mit der Arbeit beginne ich, wenn ich nach dem 15. Oktober zurück in Hamburg bin“, sagt Wiggert. Und die soll ganz besonders werden. Der Künstler malt für eine Ausstellung mit dem Titel „Hamburg – Westerland: Zugfahrt durch Schleswig-Holstein.“
Der Name ist Programm. Wiggert wird Bilder von den Stationen dieser Zugreise malen, konnte Bundeskanzler Olaf Scholz und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther für ein Vorwort seines Kataloges gewinnen. Im April 2023 werden die Bilder auf Sylt zu sehen sein.
Bis dahin wird der Künstler noch oft seine Heimat besuchen. Er hat nach wie vor viele Verbindungen nach Sylt, seine Mutter wohnt noch in Westerland. Bei aller Liebe zu Hamburg – seine Heimat Sylt wird immer einen besonderen Platz in seinem Herzen haben. Ob er sich vorstellen kann, jemals auf die Insel zurückzukehren? Wiggert: „Diese Frage stelle ich mir jeden Tag.“