Ein ehemaliger Obsthof wird zum Gewerbepark. Doch was Wissenschaftler jetzt dort fanden, könnte aus der Jungsteinzeit stammen.
Archäologen haben im Süden Lübecks auf einer Fläche von etwa 20 Hektar Überreste einer Siedlung aus der Zeit um Christi Geburt entdeckt. Außer Spuren von Häusern fanden die Archäologen auch Reste einer Ofenanlage. „Ob es sich dabei um einen Backofen oder einen Keramik-Brennofen handelt, wissen wir allerdings noch nicht“, sagte Grabungsleiter Leif Schlisio bei der Vorstellung der ersten Grabungsfunde am Donnerstag.
Auf dem Gelände des ehemaligen Obstguts Semiramis soll ein 44 Hektar großer Gewerbepark entstehen. Bevor voraussichtlich Ende dieses Jahres erste Bauarbeiten beginnen, wird das Gebiet schon seit 2018 archäologisch untersucht. „Erst gab es Oberflächenbegehungen, dann geomagnetische Untersuchungen und seit Sommer 2021 erste Voruntersuchungen“, sagte Ingrid Sudhoff, die bei der Hansestadt Lübeck für die Archäologie im Lübecker Landgebiet zuständig ist.
Archäologen nutzen GPS für ihre Untersuchungen
Auf dem Gelände im Süden der Hansestadt arbeiten derzeit drei Archäologen, zwei Grabungstechniker und sechs Grabungsarbeiter. Dort sind einige flache, rechteckige Gruben zu sehen, daneben weitere rechteckige Verfärbungen im Erdreich. „Hier haben mal große Holzpfosten gestanden, die das Dach eines Hauses getragen haben“, sagt Archäologe Kai Radloff. Er und sein Kollege Michael Unze sind gerade dabei, die Positionen der Pfosten mit GPS für einen Geländeplan einzumessen.
Ein Stück weiter legen die Grabungsarbeiter Rüdiger Bärsch und Thai Nguy mit Kelle und Pinsel etwas frei, was wie die Hälfte eines Kringels aussieht. „Wir vermuten, dass es sich um die Reste eines Ofens handelt. Darauf lassen unter anderem die Keramikreste schließen, die wir unmittelbar daneben gefunden haben“, sagt Radloff. „Ob hier nur einzelne Höfe standen oder ein ganzes Dorf, wissen wir aber noch nicht“, sagt er.
Archäologie: Siedlungsgeschichte reicht bis ins Jahr 4100 vor Christus zurück
Reste von insgesamt fünf Häusern haben die Archäologen hier bislang freigelegt. „Sie stammen aus der Zeit um Christi Geburt“, sagt Sudhoff. Vermutlich reiche die Siedlungsgeschichte in diesem Bereich aber bis in die Jungsteinzeit ab 4100 vor Christus zurück. „Dieses Gebiet zwischen der Stecknitz und dem Glinderbruchgraben war schon in der Frühzeit ein wichtiger Handelsweg“, sagt Sudhoff.
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Für Lübecks Kultursenatorin Monika Frank (SPD) sind die wissenschaftliche Relevanz und die kulturhistorische Bedeutung des Areals von großer Bedeutung. Siedlungsbefunde vor- und frühgeschichtlicher Kulturgruppen seien in Schleswig-Holstein bislang im Vergleich zu Bestattungsplätzen unterrepräsentiert, sagt Frank.