Kiel. Mit dem Feststellen der epidemischen Lage hat der Landtag in Kiel die Grundlage für eine weitere Verschärfung der Corona-Regeln gelegt.

Die ungebremst steigende Zahl der Neuinfektionen zwingt die Jamaika-Koalition zu handeln. Am Montagabend meldete Schleswig-Holstein 3440 Neuansteckungen und eine Inzidenz von 587,3 – nach 529,5 am Vortag. Und so verschärft das Land seine Corona-Regeln ein weiteres Mal. In einer Sondersitzung stellte der Landtag am Montag mit den Stimmen von CDU, SPD, Grünen, FDP und SSW die „epidemische Notlage“ für die nächsten drei Monate fest. Damit hat die Landesregierung Rückendeckung, von Mittwoch an Diskotheken und Clubs zu schließen.

Die Betreiber erhalten Überbrückungshilfen. Auch führt Schleswig-Holstein eine Sperrstunde von 23 Uhr an ein – wie sie in Hamburg schon gilt. Die Maskenpflicht in Innenräumen wird ausgeweitet. In Theatern oder bei Konzerten sind zudem nur noch 500 Menschen erlaubt. „Für Beschäftigte im Einzelhandel führen wir eine umfassende Maskenpflicht ein und für den organisierten Sport sowie Sport in Fitnessstudios 2G-plus-Bedingungen.“ Das kün­digte Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) in einer Regierungserklärung an. Ausgenommen von der 2G-plus-Regelung sind Geboosterte.

Corona News: Epidemische Lage – "Omikron große Herausforderung"

Garg erklärte in Abwesenheit von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) auch, dass sich geimpfte Beschäftigte in Pflegeheimen jetzt dreimal die Woche testen lassen müssen. Das Land führt zudem eine Testpflicht für Erzieher in Kitas ein. Er forderte die Schleswig-Holsteiner auf, private und beruf­liche Kontakte auf ein „absolutes Minimum“ zu reduzieren. Garg, der für die schnelle Einführung einer Impfpflicht warb, begründete die Maßnahmen mit der extrem gestiegenen Inzidenz und der daraus folgenden Belastung für die Kliniken. Er erwartet weiter steigende Infektionszahlen. „Mittlerweile haben wir Inzidenzen in einzelnen Kreisen um die 800.“ Während die grüne Fraktionschefin Eka von Kalben diese Zahlen „absolut unbefriedigend“ nannte, warnte CDU-Fraktionschef Tobias Koch, „mit hohen Infektionszahlen Panik zu verbreiten“.

Dass die Zahlen so stark steigen, liegt vor allem an der hochansteckenden Omikron-Variante. Omikron werde für mehr Corona-Patienten in den Kliniken sorgen – insbesondere auf den Normalstationen, so Garg. „Hierauf bereiten sich die Krankenhäuser vor. Aber deren Personalsituation ist bereits jetzt angespannt und droht sich zu verschärfen, wenn es zu Ausbrüchen innerhalb der Belegschaft kommt.“

Laut Garg stellt „Omikron eine große Herausforderung für die kritische Infrastruktur dar – für Ärzte, Pflegekräfte, Polizei, Feuerwehren, Rettungsdienst, Katastrophenschutz, für Kinderbetreuung und Bildungseinrichtungen, für Telekommunikation sowie Energie- und Wasserversorgung.“ Die SPD stimmte mit den Regierungsfraktionen für die Ausrufung der „epidemischen Notlage“. Oppositionsführerin Serpil Midyatli griff die Regierung dennoch scharf an, warf ihr vor, durch Lockerungen und den Verzicht auf die Schließung der Diskotheken schon vor Weihnachten die „Menschen in falscher Sicherheit gewogen“ zu haben. „Das war gefährlich und falsch.“

Schleswig-Holstein war bis vor kurzem Corona-Muster-Bundesland

Bis vor wenigen Wochen, bis sich die zuvor schon in Dänemark dominierende Omikron-Variante auch im Norden Deutschlands durchsetzte, galt Schleswig-Holstein als Corona-Muster-Bundesland. Regelmäßig meldete das Robert-Koch-Institut hier die geringsten Inzidenzen, regelmäßig waren Städte und Kreise in der Top-Ten-Liste der besten deutschen Kommunen. Doch das ist vorbei. Der Norden gehört mittlerweile zu den Ländern mit den höchsten Inzidenzen in Deutschland überhaupt. Die damit einhergehenden „Einschränkungen und Belastungen zehren an unser aller Nerven, sie strapazieren unser Miteinander, unsere Gesundheit und belasten unsere Wirtschaft, gefährden Existenzen – sie sind eine Bewährungsprobe für unseren freiheitlich demokratischen Rechtsstaat“, sagte Garg gestern.

Ministerpräsident Günther fehlte in der Sitzung, da er weiter in Corona-Quarantäne ist. Ein enger Mitarbeiter war vergangene Woche positiv auf das Virus getestet worden. Günther zog nach Rücksprache mit seiner Frau und den beiden Töchtern darauf zu Hause aus und quartierte sich mit Personenschützern auf eigene Kosten im Hotel ein. Frische Wäsche bringt die Ehefrau, das Essen stellen ihm Hotelangestellte vor die Tür. Ist niemand mehr auf dem Hotelflur zu sehen oder zu hören, holt Günther Kleidung, Mahlzeiten und Getränke rein.

Ministerpräsident Günther in Quarantäne: Besuch der Kinder

Am Wochenende guckten die Kinder bei ihm vorbei. Der pandemiegerechte Kontakt, der etwas Abwechslung in den ansonsten langweiligen Alltag brachte, sah so aus: Der Vater stand beim Gespräch auf dem Balkon, die Mädchen auf der Straße. Alle täglichen Tests auf das Virus hatten bei Günther und seinem Stab dasselbe Ergebnis: negativ. Dennoch bleibt er vermutlich bis zum Wochenende in Quarantäne im Hotel: Dann tritt, sofern der Bundesrat am Freitag zustimmt, die „Schutzmaßnahmenausnahmeverordnung“ mit den in der Ministerpräsidentenrunde beschlossenen verkürzten Quarantänezeiten in Kraft.