Sylt. Nikolas Häckel spricht über “zu viele Gäste auf Sylt“, hohes Verkehrsaufkommen und die “desaströse Anbindung“ durch die Bahn.

Im Rathaus von Westerland auf Sylt empfängt Bürgermeister Nikolas Häckel in seinem modern eingerichteten Büro zum Gespräch. Der 47-Jährige leitet seit 2015 die Geschicke der Gemeinde Sylt und wurde im März 2021 für weitere sechs Jahre von den Bürgern gewählt. „Sylt hat fünf eigenständige Gemeinden, die von der Gemeinde Sylt verwaltet werden, aber ihre eigenen Gemeindevertretungen haben“, sagt Nikolas Häckel, zu Gast im Sylt-Podcast des Hamburger Abendblatts.

Tourismus auf Sylt: „Die Straßen reichen nicht aus"

In seinem Amt ist er für rund 300 Mitarbeiter verantwortlich. Der Tourismusservice gehört zur Gemeinde, ebenso ein eigenes Wohnungsbauunternehmen und weitere Beteiligungen zum Beispiel am Flughafen. „Als Gemeinde ist man natürlich auf der Insel in allen Bereichen vernetzt“, sagt Häckel.

Vor einem halben Jahr ist der Tourismus nach der Corona-Zwangspause wieder gestartet. Seitdem ist die Insel nahezu ausgebucht. „Wir spüren einen großen Druck durch den Inlandstourismus. Wir haben ein neues Gästeklientel auf der Insel. Menschen, die sonst ins Ausland geflogen wären, machen jetzt bei uns Urlaub“, sagt der Bürgermeister.

Nikolas Häckel, Bürgermeister der Gemeinde Sylt, steht an der Promenade.
Nikolas Häckel, Bürgermeister der Gemeinde Sylt, steht an der Promenade. © picture alliance/dpa | Carsten Rehder

Und er spricht das Thema an, das wohl das größte Problem für die Insel darstellt: „Wir haben gefühlt zu viele Gäste, wenn wir den Individualverkehr betrachten. Die Straßen reichen nicht aus, für so viele Pkw.“ Die Ressourcen auf einer Insel seien schon allein auch wegen des Naturschutzes begrenzt, man könne nicht einfach breitere Straßen bauen.

Verkehrsversuch für Westerland geplant

Häckel kündigt im Sylt-Podcast einen Verkehrsversuch für Westerland an, der im Laufe des Novembers starten soll: „Wir wollen in den Bereichen, wo die Straßen im Zentrum die Fußgängerzonen queren, die Ampeln ausschalten. Dort sollen alle Verkehrsteilnehmer, allen voran die Fußgänger und Radfahren­den die gleichen Rechte haben. Das werden wir auch durch Bodenmarkierungen kenntlich machen, dass die Autofahrer hier keinen Vorrang mehr haben.“

Zudem schließt Häckel ein Nachtfahrverbot im Kurzentrum von Westerland nicht aus. „Das hatten wir schon mal in den 1970er-Jahren. Und sicherlich ist das Nachtfahrverbot eine Option. Aber ich setze eher auf Toleranz als auf Verbote.“ Häckel spricht Klartext. „Die Autos blockieren das Zentrum. Wir wollen Sylt nicht mit Blech zugestellt haben.“ Die Fahrradfahrer dürfte freuen, dass schon bald in Westerland einzelne Parkbuchten zu Fahrradstellplätzen umfunktioniert werden könnten, und Häckel verspricht: „Wir wollen viel Geld in die Hand nehmen, um die Radwege auszubauen, zum Beispiel den Westküstenradweg von Nord nach Süd durch die Gemeinde und demnächst auf dem Abschnitt zwischen Keitum und Tinnum.“

Ärger mit der Deutschen Bahn

Es gibt ein Thema, das bringt den Bürgermeister richtig in Rage: die Deutsche Bahn. „Die Anbindung durch die Marschbahn ist wirklich desaströs. Wie soll man den Urlaubern, die es halbwegs gut bis nach Hamburg geschafft haben, erklären, dass sie von dort noch mal mehr als drei Stunden mit der Bahn fahren sollen, die dann nicht pünktlich ist? Es ist ein Graus.“ Häckel beschreibt die Situation so: „Lokomotiven fallen aus, Waggons sind geschlossen, weil nicht ausreichend Personal vorhanden ist, und es kommt zu Gleisstörungen.“

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Mit der Bahn hat es schon viele Gespräche gegeben. Aber offensichtlich ohne große Ergebnisse. „Wir reden uns den Mund fusselig, wir schreiben uns die Finger wund. Aber es ist extrem schwierig. Noch nicht mal der Minister (Anm. d. Red. gemeint ist Verkehrsminister Bernd Buchholz) kann etwas erreichen. Wir wissen nicht, was wir noch tun sollen.“ Der Bürgermeister macht auch deutlich, wie schwierig das Problem für die vielen Pendler sei, die auf die Bahn angewiesen sind, um ihre Arbeitsplätze auf der Insel zu erreichen.

Auf Sylt fehlt bezahlbarer Wohnraum

Ein weiteres Thema ist der fehlende bezahlbare Wohnraum auf der Insel. Das weiß auch Häckel und sagt: „Wir bauen mit unserem Eigenbetrieb viele neue Wohnungen, vor allem auch im bezahlbaren Segment. Erst vor Kurzem haben wir ein Baugebiet erschlossen, in dem wir 17 Doppelhäuser für Sylter in Tinnum angeboten haben. Die ersten Hausscheiben sind bezogen, die letzte wird im April kommenden Jahres bezogen sein. Wir tun viel für den Wohnraum auf Sylt.“ Der Eigenbetrieb verwalte bereits mehr als 1100 eigene Dauerwohnungen für Sylter, mehr als 100 weitere Wohnungen seien in Planung.

Aber: „Wir kämpfen seit Jahren dagegen an, dass Dauerwohnungen in Ferienwohnungen umgewandelt werden“, sagt Häckel. Wer durch Westerland geht, sieht zum Beispiel in der Bismarckstraße gleich zwei Neubauprojekte, in denen Ferienwohnungen entstehen. Dagegen ist die Gemeinde machtlos, „wir können schließlich nicht das Baurecht aushebeln“, sagt Häckel. Ein Vorhaben liegt dem Bürgermeister besonders am Herzen: Westerlands Zentrum solle zu einem Wohlfühl-ort werden. Bunt, grün und kuschelig. Die Aufenthaltsqualität in den Außenräumen soll verbessert werden.

Tourismus: Sylt hat für jeden Geschmack etwas zu bieten

Der Diplom-Verwaltungswirt ist der einzige hauptamtliche Bürgermeister auf der Insel, die anderen vier Gemeinden haben ehrenamtliche Bürgermeister. Zur Gemeinde Sylt gehören die Ortsteile Archsum, Keitum, Morsum, Munkmarsch, Rantum, Tinnum und Westerland. „Ich bin gebürtiger Sylter und hier groß geworden. Im Rathaus, damals noch bei der Stadt Westerland, habe ich meine Ausbildung gemacht und hier auch gearbeitet. Parallel dazu habe ich ein Studium zum Verwaltungswirt an der Fachhochschule gemacht.“

Für zwölf Jahre kehrte Häckel seiner Insel den Rücken und arbeitete als Bauamtsleiter in Kronshagen bei Kiel. Als die Bürgermeisterwahlen 2015 anstanden, sei er angesprochen worden, ob er kandidieren wolle. Häckel reizte die Aufgabe. „Ich wollte mich weiterentwickeln, aus der zweiten in die erste Reihe. Denn solch eine Verwaltung zu leiten, ist der Höhepunkt der Karriere.“ Bleibt die Frage, was der Bürgermeister an seiner Heimat schätzt. Ganz einfach: Sylt hat für jeden Geschmack etwas zu bieten, „von ruhig bis turbulent“.