Kiel/Schleswig. Schleswig-Holstein feiert seinen 75. Jahrestag mit einem Festakt und Bürgerfest. Coronabedingt nur 5000 Besucher zugelassen.

Verordnung Nr. 46 der britischen Militärregierung ist die Geburtsurkunde des Landes Schleswig-Holstein: Sie trat zum 23. August 1946 in Kraft und erkannte den ehemaligen preußischen Provinzen vorläufig die staatsrechtliche Stellung von Ländern zu. An diesem Sonntag feiert der Norden in Schleswig mit einem Festakt und einem Bürgerfest den 75. Jahrestag seines Bestehens als Land. Schleswig-Holstein präsentiere sich dann in seiner gesamten Vielfalt, sagte Ministerpräsident Daniel Günther am Donnerstag in Kiel.

Am Anfang standen Hunger, Not, Armut und eine Riesenzahl von Weltkriegsflüchtlingen. Die Menschen im neu gegründeten Schleswig-Holstein hätten nach dem Zweiten Weltkrieg Unvorstellbares geleistet. Daniel Günther: „Städte lagen in Trümmern, Familien waren entzweit, Hunderttausende Flüchtlinge kamen nach Kriegsende zu uns und fanden bei uns im Norden ihre Heimat.“ Eine Million Flüchtlinge und Vertriebene hatten damals die Bevölkerungszahl in kurzer Zeit auf 2,5 Millionen Menschen erhöht. Die Menschen hätten mit viel Willen und Zuversicht ein neues demokratisches Land aufgebaut, sagte Günther.

Schleswig-Holsteiner sind krisenfest

Die weitere Geschichte habe auch gezeigt, dass die Schleswig-Holsteiner krisenfest seien. Als Beispiele nannte der Regierungschef die Sturmflut 1962, die Schneekatastrophe 1978/79, die Flüchtlingssituation 2015 und die Corona-Pandemie. „Weil wir zusammengehalten haben, haben wir diese Krisen auch bewältigt.“ Daraus könne das Land auch Kraft und Vertrauen für die Zukunft schöpfen.

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Heute sei Schleswig-Holstein innovativ und vielfältig, geprägt von den zwei Meeren, traditionsbewusst und zugleich zukunftsorientiert, sagte der Ministerpräsident gestern. „Schleswig-Holstein hat in den vergangenen 75 Jahren viel erreicht“, sagte Ministerpräsident Daniel Günther bei der Ankündigung der Jubiläumsfeier. „Darauf können wir mit Stolz zurückblicken.“

Wirtschaftsminister: „Schleswig-Holstein hat sich weiterentwickelt“

„Das Armenhaus der Nachkriegszeit hat sich ungeachtet aller Skepsis, was seine Lebensfähigkeit angeht, als sehr beständig und lebensfähig erwiesen“, sagt der Historiker Prof. Uwe Danker: Es bietet Spitzenforschung, von hier kommen Top-Medizintechnik, Megajachten, Hightech-Marineschiffe, Dutzende mittelständische Weltmarktführer, Windstrom en masse. Immer mehr Menschen planen zudem ihre Urlaube im Land zwischen den Meeren.

„Schleswig-Holstein hat sich in den vergangenen Jahren erheblich weiterentwickelt“, sagt Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP). Es gebe aber zu wenig industrielle Arbeitsplätze. Dadurch, dass 90 Prozent der Unternehmen nur fünf bis zehn Mitarbeiter haben, fehlten starke Forschungs- und Entwicklungsabteilungen.

Akteure aus Kunst, Kultur, Bildung und Wissenschaft

Doch Buchholz nennt Lichtblicke: „Die Westküste gehörte bis vor nicht allzu langer Zeit zu den strukturschwachen Regionen mit relativ wenig ausgeprägter Wirtschaftsperspektive“. Das habe sich in den letzten fünf bis zehn Jahren komplett geändert, und es gebe weiteres Potenzial.

Stationen in der Geschichte Schleswig-Holsteins

  • Vertrag von Ripen: Vertreter des schleswig-holsteinischen Adels proklamieren 1460 im dänischen Ripen (Ribe) König Christian I. zum Landesherrn. Schleswig und Holstein sollen unter gemeinsamer Herrschaft stehen. Der Verbund besteht bis 1864.
  • Deutsch-Dänischer Krieg (1864): Preußen und Österreich sind die Sieger. Dänemark muss die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg abtreten.
  • Volksabstimmungen: Nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg entscheiden laut Versailler Vertrag in zwei Regionen die Bewohner, ob sie zu Dänemark oder Deutschland gehören wollen. Am 10. Februar 1920 stimmen in der Nord-Zone 74 Prozent für Dänemark, am 14. März in Mittelschleswig 80 Prozent für Deutschland. Flensburg, Südtondern und Husum bleiben ebenso deutsch wie Föhr, Amrum und Sylt.
  • Geburtsstunde des Landes: Zum 23. August 1946 schafft die britische Militärregierung mit der Verordnung Nr. 46 zur Auflösung der ehemaligen preußischen Provinzen die rechtlichen Grundlagen für das Land. Hauptstadt wird Kiel.

„75 Jahre Land SH – Unsere Geschichte – Unser Tag – Unsere Zukunft“ heißt das Motto der Feier am Sonntag. Bei dem Bürgerfest in Schleswig präsentieren sich Akteure aus Kunst, Kultur, Bildung und Wissenschaft. Zahlreiche Verbände und Vereine stellen sich vor. Die Landesmuseen Schloss Gottorf laden die Besucher zu einem Tag der offenen Tür ein.

Wegen der Corona-Auflagen dürfen sich auf dem weiträumigen Schlossgelände am Sonntag nur 5000 Menschen gleichzeitig aufhalten. Trotz der Vorgaben solle fröhlich und unbeschwert gefeiert werden, sagte Günther. Auf zwei Bühnen treten im Lauf des Tages Künstler aus Schleswig-Holstein auf. Eröffnet wird die Feier um 10 Uhr mit einem ökumenischen Gottesdienst im Schleswiger Dom.

„Fest der Demokratie“

„Wir feiern am 22. August nicht allein den Landesgeburtstag, sondern auch ein Fest der Demokratie“, sagte Landtagsvizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber (SPD). 1946 habe nach sechs Jahren Krieg und zwölf Jahren des menschenverachtenden NS-Regimes endlich die Zeit der Demokratie, der Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit begonnen. Es sei die britsche Besatzungsmacht gewesen, die die Schleswig-Holsteiner zur Demokratie führen wollte.

Die Landespolitik

  • Das Land mit heute 2,9 Millionen Einwohnern hat Persönlichkeiten wie Willy Brandt, Max Planck, Günther Fielmann, Björn Engholm oder Friede Springer hervorgebracht. Hier gab es mit Heide Simonis die erste deutsche Ministerpräsidentin, deren 2005 gescheiterte Wiederwahl – sie ist bis heute unaufgeklärt – als „Heide-Mord“ in die Geschichte einging. Gerhard Stoltenberg regierte hier, Peter Harry Carstensen, der skandalbehaftete Uwe Barschel. In der Geschichte des Landes stellte die CDU rund 50 Jahre die Ministerpräsidenten, die SPD kam auf etwa die Hälfte. Im Mai 2022 wollen erstmals die Grünen, 26 Jahre nach ihrer Premiere im Landtag, um die Staatskanzlei kämpfen.

Eickhoff-Weber erinnerte daran, dass die Briten schon im Februar 1946 den Landtag als parlamentarisches Gremium einberufen hatten – er existierte also schon vor der offiziellen Gründung des Landes. „Die Tatsache, dass die Briten so großen Wert auf die Einführung des parlamentarischen Systems in ihrer nördlichsten Besatzungszone legten, sagt vieles aus.“

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