Sylt. Besuch vom Ordnungsamt zum Start der Modellregion – und wie das erste Wochenende mit Touristen sonst auf Sylt lief. Der Report.
Die Lieblingsinsel der Hamburger meldet sich zurück. Die Auslastung der Hotellerie liege zum Neustart des Tourismus bei etwa 60 Prozent, sagt der designierte Sylter Dehoga-Vorsitzende und Hotelier Dirk Erdmann, der das Hotel Rungholt in Kampen in dritter Generation führt und selber am Wochenende rund 70 Gäste hatte. „Die Ersten kamen am Sonnabend schon um 8.45 Uhr an und haben fast geweint. Wir sind alle so glücklich, dass wir endlich wieder loslegen dürfen“, sagte Erdmann dem Abendblatt, das mit Reportern auf der Insel war. Der Report:
Etwa 80 Reisende steigen am Sonnabend um 11.07 Uhr aus dem Zug, der aus Hamburg kommt und auf Gleis 1 am Bahnhof Westerland hält. Mit an Bord Klaus Damm und seine Frau Brigitta Schrage-Damm. Die beiden sind um 5 Uhr morgens im Sauerland aufgebrochen und mit dem Auto bis Niebüll gefahren, von dort geht es mit dem Regionalexpress weiter auf die Insel.
„Wir freuen uns auf 14 Tage Sylt und sind happy, dass wir endlich wieder Urlaub machen können“, sagte Brigitta Schrage-Damm. Am Bahnhof steht ein Bus. Doch das Fahrzeug wird nicht zur Inselrundfahrt genutzt, sondern als Corona-Testzentrum. Denn wer auf Sylt anreist, der muss einen negativen Corona-Test vorlegen, der nicht älter als 48 Stunden alt ist, alle 48 Stunden müssen sich die Urlauber wieder testen lassen.
Sylt: Restaurant nur mit negativem Corona-Test
Auf der Insel gibt es 37 Zentren, die kostenlose Tests anbieten. Das Ergebnis kommt dann kurze Zeit später per SMS oder E-Mail. Die Mitarbeiter der Betriebe müssen mindestens zweimal pro Woche selbst getestet werden. Was noch nicht alle Reisenden verinnerlicht haben: Wer in einem Restaurant essen will, muss einen negativen Corona-Test vorweisen, der nicht älter als 24 Stunden ist.
Das gilt auch für die Gäste des Cafés Wien an der Strandstraße in Westerland. Diese Institution hat seit einem halben Jahr zum ersten Mal wieder auch die Innengastronomie geöffnet. „Die ersten Gäste kamen direkt vom Autoreisezug. Es ist so ein tolles Gefühl, dass wir wieder Kunden bewirten dürfen“, sagt Tom Langmaack, der das Traditionshaus in der dritten Generation führt. Die Terrasse hat bereits seit zehn Tagen geöffnet, „da haben wir schon mal geübt“, sagt der 26-Jährige lächelnd.
Ole von Beust mit Maske in Westerland unterwegs
Aufbruchstimmung herrscht auch nebenan im Block House an der Neuen Straße. Um 11.45 Uhr stehen die ersten Gäste schon vor der Tür. Das Steaklokal öffnet erst um 12 Uhr. „Aber die Kunden hatten keinen negativen Corona-Test dabei, und deshalb konnten wir sie nicht bewirten. Und jeder muss sich über die Luca-App registrieren“, sagt Betriebsleiter Christian Müller. „Wir haben viele Reservierungsanfragen. Aber wir lassen bewusst Tische für Kunden frei, die spontan zum Essen kommen.“
Nicht reserviert haben Sabrina Dähn und Thorsten Cord. Das Paar, das demnächst heiratet, gönnt sich nach der Anreise aus Wolfsburg erst mal einen entspannten Lunch. „Das ist nach einem halben Jahr ein echtes Erlebnis“, sagt Thorsten Cord.
Unterdessen füllen sich die Terrassen der Lokale an der Friedrichstraße, der Fußgängerzone in Westerland. Hier gilt Maskenpflicht, und unter seiner Maske ist Ole von Beust kaum zu erkennen. Hamburgs ehemaliger Bürgermeister hat eine Wohnung in Westerland und freut sich, „dass Sylt Teil der Modellregion ist. Die Insel braucht den Tourismus.“
Sylt: Hotels und Restaurants atmen auf
Das weiß man auch im Severin’s in Keitum. Nach einem halben Jahr öffnet das Luxushotel wieder. Die 150 Mitarbeiter sind aus der Kurzarbeit zurück, am ersten Wochenende kommen rund 130 Gäste. „Wir sind alle total begeistert und freuen uns, endlich wieder Gastgeber sein zu dürfen“, sagt Direktor Christian Siegling.
So geht es auch dem jungen ambitionierten Koch Nicolas Rathge, der sein Restaurant Oma Wilma in einem Keitumer Reetdachhaus, benannt nach seiner Großmutter, erst im Dezember 2019 eröffnete und das Lokal gemeinsam mit seinem Schwager André Kaiser führt. „Wir sind froh, dass wir unser Restaurant auch innen wieder öffnen können. Heute Abend haben wir zwei Essenszeiten und sind ausgebucht. Endlich ist wieder Leben auf der Insel“, sagte Rathge, der Heimatküche neu interpretiert.
Sansibar-Chef schimpft über Kontrollen auf Sylt
Was wäre eine Reportage auf Sylt ohne einen Besuch in der legendären Sansibar in Rantum? Hier wird der negative Corona-Test unten an der Auffahrt nicht nur abfotografiert, sondern dem Gast auch auf Papier ausgedruckt, um dieses dann dem Kellner am Tisch auszuhändigen. Der heißt in diesem Fall Fabian aus Düsseldorf. Er arbeitet am Sonnabend zum ersten Mal wieder und strahlt. „Ich freue mich so sehr, auch wenn wir natürlich viele Regeln einhalten müssen.“
Bereits um 15.30 Uhr sind innen alle Plätze belegt. Trotz eines kleinen Schauers sind auch einige Tische auf der Terrasse besetzt, und als die Sonne wieder rauskommt, füllen sich langsam die Tische, die im Sand stehen.
Allerdings ist Sansibar-Chef Herbert Seckler nicht gut drauf. Der Stargastronom hat Besuch vom Ordnungsamt – die Mitarbeiter kontrollieren, ob alle Corona-Auflagen eingehalten werden – und macht seinem Ärger danach beim Gespräch mit dem Abendblatt Luft. „Eine Stunde lang haben die uns kontrolliert, wir mussten zig Unterlagen vorzeigen. Die waren richtig arrogant zu mir. Aber ich kenne das schon, ich habe hier dauernd irgendwelche Kontrollen“, sagte Seckler. Doch immerhin läuft das Geschäft. „Wir sind heute Abend ausgebucht, haben etwa 100 Mitarbeiter an Bord“, erzählt der 69-Jährige Wirt, und dann huscht doch ein Lächeln über sein Gesicht.
Modellregion Sylt ist happy
Am Sonntag beim Ortstermin mit den beiden Dehoga-Chefs Dirk Erdmann und Raphael Ipsen im Hotel Rungholt herrscht gute Stimmung. Auf der Insel hat der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband rund 150 Mitgliedsbetriebe. Raphael Ipsen sagt: „Wir haben bislang nur positive Rückmeldungen aus der Hotellerie und Gastronomie erhalten. Und das tut gut, denn wir haben viel dafür getan, dass Sylt wieder öffnen darf.“
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