Neumünster. Auch in Corona-Zeiten kann man ein mehrgängiges Menü genießen. Man muss nur mit den eigenen vier Wänden vorfahren.

Kerzenschein, Porzellangeschirr, eine Tischdecke und dazu ein mehrgängiges Menü. Die Camper hier vor der Kochschule in Neumünster genießen vier Gänge, darunter eine Kartoffel-Pastinaken-Suppe, Braten vom Bürgermeisterstück und eine Tarte Fine mit Rahmeneis und Krokant. Auswärts essen zu gehen, ist ja unter den derzeitigen Coronabeschränkungen nicht möglich. Eigentlich.

Aber wer mit den eigenen vier Wänden angefahren kommt, kann es sich in seinem Wohnmobil und Wohnwagen bei einem feinen Essen eben doch gemütlich machen. Die Gastronomen bieten das Essen, der Gast seinen Tisch, so das Konzept. Bettina Seitz von der Kochschule hat dieses Wohnmobildinner mit ins Leben gerufen - mittlerweile deutschlandweit ein Trend. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Wohnmobildinner: Der Andrang ist riesengroß

In der Facebookgruppe Wohnmobildinner haben sich knapp 25.000 Menschen registriert. Die Camper sind gut miteinander vernetzt und scheinen ungewöhnlichen Ideen gegenüber offen zu sein. Gastronomen in ganz Deutschland bieten mittlerweile das Camperdinner coranakonform an. Bettina Seitz ist bis Februar ausgebucht und bietet auch Weihnachts- und Silvestermenüs an. Der Andrang ist riesengroß. 20 bis 22 solcher Dinner hat sie bereits veranstaltet, 650 Anfragen liegen vor, es gibt eine entsprechend lange Warteliste. „Ich mache derzeit einen Job für zwei“, sagt sie. Jeden Tag 12 bis 16 Stunden arbeitet sie momentan.

Das alles ist eine große logistische Herausforderung für Seitz und ihr Team. Zwei Auszubildende aus dem benachbarten Hotel springen mit ein. Es ist ein hartes Jahr für die Gastronomen, und Frau Seitz ist eine Kämpferin. „So viele haben sich in diesem Jahr ein Wohnmobil angeschafft, da lag diese Idee, trotz der Beschränkungen Gäste zu bewirten nah.“ Jeder, der ein Wohnmobil hat, kann vor ihrer Kochschule parken. Manche kommen mit Wohnmobilien, die so groß sind wie ein Reisebus, andere mit schlichten VW-Campern.

Ein bisschen Luxus im Coronaalltag

An diesem Abend sind es 12 Wohnmobile, die vorgefahren kommen. Darunter Frank und Astrid Mohr aus Pinneberg mit ihrem neun Meter langen Mobil. Hinten in der Hecksitzgruppe hat es sich das Paar gemütlich gemacht. Kerzenschein, echte Gläser, Lichterketten gehören dazu. Der Service verläuft kontaktlos. Für jedes Fahrzeug gibt es eine Box mit Porzellangeschirr, Gläsern, Besteck, Tischdeko und Wein und der Speisekarte.

Dass ihre Gäste nicht von Papptellern essen, ist Bettina Seitz wichtig. „Bei uns geht es um Qualität und einen gehobenen Anspruch.“ Das Menü kostet 89 Euro pro Person mit Getränken. Zum Aperitif gibt es Prosecco. Ein bisschen Luxus im Coronaalltag. Wer hierher fährt, möchte genießen. Um die Fahrtüchtigkeit wieder herstellen zu können, dürfen die Gäste auch auf dem Parkplatz übernachten.

Das schätzt besonders Frank Mohr sehr. Der 79-Jährige möchte gern den guten Wein genießen und wird mit seiner Astrid vor dem Restaurant die Nacht verbringen. Um all zu viel Reisetourismus zu vermeiden, gilt das Wohnmobildinner bei Bettina Seitz nur für Hamburger und Schleswig-Holsteiner.

Manche feiern so ihren Geburtstag oder sogar ihre Hochzeit. „Dass so viele kommen und dieser Zuspruch, das gibt mir und meinem Team sehr viel Kraft“, sagt Bettina Seitz. „Wenn wir es schaffen, so durch diese Krise zu kommen, haben wir viel gewonnen. Das spornt auch meine Mitarbeiter an.“ Alles sei besser als zu Hause Däumchen zu drehen. „Wir sind guter Dinge, dass wir das packen.“

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Drei Gänge für 27.50 Euro im Wohnmobil

Auch bei Aggi Meusel von Meusels Landdrostei in Pinneberg läuft das Wohnmobildinner gut. „Wir haben hier viele Freunde, die sich auf diese Weise treffen, aber coronagerecht mit Maske. Alle halten sich an die Regeln“, sagt Aggi Meusel. Das Drei-Gang-Menü kostet hier 27,50 Euro pro Person. Zum Camperschmaus lädt Jan Droste seit einigen Wochen freitags bis sonntags ab 17 Uhr vor seinen Landgasthof Niedersachsen in Amelinghausen ein.

„Das ging megaschnell, dass die Leute davon erfahren haben und hierher kamen“, sagt er. Sonnabends stehen manchmal bis zu 13 Wohnmobile auf seinem Parkplatz. Von Campern mit viel Geld und großen Fahrzeugen bis zur kleinen Familie im VW-Bus – es sind ganz unterschiedliche Gäste. Sie alle verbindet der Wunsch nach dem kleinen Abenteuer vor der Haustür und die Sehnsucht, bei einem guten Essen in kleiner Runde ein Stück Freiheit zu genießen.

Über Weihnachten hatte Jan Droste geschlossen, das Wohnmobildinner gibt es erst ab dem 8. Januar wieder. „Es war ein hartes und stressiges Jahr für uns, wir mussten jetzt einmal durchatmen.“

Das hat auch Nora Döhmer von der Kochfabrik in Prisdorf getan, die auch Wohnmobildinner anbietet. „Wir haben uns zwischen den Jahren gesammelt und schauen, ob sich diese Art der Gastronomie wirtschaftlich rechnet. Dann sehen wir weiter.“ Frank und Astrid Mohr haben bei Bettina Seitz in Neumünster auch das Silvestermenü gebucht. „Das ist einfach eine wunderbare Idee“, sagen sie.