Kiel. Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen und die Afrikanische Schweinepest verschärfen die Situation von Schlachtbetrieben und Landwirten.

In Schleswig-Holstein warten die Besitzer von 40.000 Schweinen auf die überfällige Schlachtung der Tiere – das ist ein Verzug von etwa einer Woche. Grund hierfür seien Corona-Fälle bei Mitarbeitern in großen Schlachtbetrieben in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen und damit eingeschränkte Kapazitäten, sagte Landwirtschaftsminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) am Mittwoch im Kieler Landtag. Dort war die aktuelle Lage der schweinehaltenden Betriebe Debattenthema. Rund die Hälfte der Schweine im Norden werden laut Albrecht in den beiden Bundesländern geschlachtet.

Für den einzigen großen Schlachthof in Schleswig-Holstein in Kellinghusen (Kreis Steinburg) habe er eine vorübergehende Ausweitung der Arbeitszeiten beim Sozialministerium beantragt, sagte Albrecht. Noch seien dem Ministerium keine tierschutzrelevanten Situationen aus Betrieben bekannt geworden, aber die Lage sei extrem schwierig. Am 11. November habe er die Branche zu weiteren Gesprächen eingeladen. Die Schweinebetriebe müssten auf Dauer eine sichere Zukunft haben.

Afrikanische Schweinepest verschärft Lage zusätzlich

Diese gerieten zudem durch die Folgen der Afrikanischen Schweinepest (ASP) zunehmend unter Druck, obwohl in Schleswig-Holstein diese Tierseuche bisher gar nicht aufgetreten sei. Aber nach den ASP-Fällen in Brandenburg hätten 13 Nicht-EU-Staaten - darunter China - ein Importverbot für Schweinefleisch aus Deutschland verhängt. Dies habe die Marktsituation mit gesunkenen Preisen deutlich verschlechtert, stellte der Minister fest. Es gebe aber bisher kein Absatzproblem, da mehr Schweinefleisch in Europa verkauft werde.

Albrecht rief dazu auf, die Lasten auf alle Schultern zu verteilen und nicht allein auf die Schweinebetriebe abzuwälzen. Zugleich appellierte der Grünen-Politiker an die Branche, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und zu bremsen, wo es möglich sei. Die Corona-Krise und die Afrikanische Schweinepest hätten die Schwächen der „Just-in-time-Schweineproduktion“ aufgezeigt.

Kritik am Minister aus der eigenen Koalition

Kontra erhielt Albrecht aus der eigenen Jamaika-Regierungskoalition. Der CDU-Agrarexperte Heiner Rickers bescheinigte ihm zwar die richtige Beschreibung der Probleme, aber eine falsche Analyse. Nicht das System sei der Fehler, sondern die schwierige Situation wegen Corona und ASP hätten zum Schweinestau geführt. Schweinefleisch „Made in Germany“ und der damit verbundene Export des sogenannten fünften Viertel, wie „Schnuten und Poten“ insbesondere in den chinesischen Markt seien bisher ein Garant für stabile Schweinepreise in Deutschland gewesen.

„Die Nerven der Schweinehalter liegen blank und zu Recht werden von der Politik Lösungen erwartet“, sagte Rickers. Längere Arbeitszeiten in Schlachtung und Verarbeitung, eingeschränkte Quarantäne- Bedingungen für Mitarbeiter, staatliche Ankaufprogramme für nicht absetzbare Schlachttiere und eine europaweite Koordinierung der Schlachtkapazitäten seien sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene in der Umsetzung.

SPD: "Ein 'Weiter so' darf es nicht geben"

Bei der Schweinepest muss es Rickers zufolge das Ziel sein, für Deutschland wieder den ASP-freien Standard zu erlangen. Die Hürden dafür lägen hoch. Zwölf Monate dürfe es keine nachgewiesenen, neuen Fälle von ASP geben. Im Sinne der tierhaltenden Betriebe und des Tierschutzes sei es erforderlich, „dass alle beteiligten Akteure an einem Strang ziehen“.

Die SPD-Angeordnete Kirsten Eickhoff-Weber kritisierte: „Weiterhin werden Ferkel geboren, für die eigentlich kein Platz ist. Das ist eine Situation mit vielen Ursachen und bisher ist auch für Schleswig-Holstein keine Lösung in Sicht. In dieser Krise offenbart sich die Situation in der Landwirtschaft - ein "Weiter so" wird es nicht geben!“