Kiel. Auch in Schleswig-Holstein infizieren sich immer mehr Menschen mit Covid-19. Sperrstunde für Lokale in Stormarn.

Schleswig-Holstein, das Land zwischen den Meeren, hat lange versucht, das Coronavirus mit besonders rigiden Maßnahmen gewissermaßen an der Grenze abzuweisen. In der ersten Phase der Pandemie gab es sogar Einreiseverbot für Zweitwohnungsbesitzer und die Kontrolle von Ausflüglern an der Grenze zu Hamburg. Doch jetzt steigen die Zahlen. Dreimal in Folge gab es mehr als 100 Neuinfektionen. Gestern waren es 111, am Vortag noch 163, am Dienstag 111. Und Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) weiß nun: „Die aktuelle Situation zeigt, dass auch Schleswig-Holstein sich nicht vom Bundestrend gänzlich abkoppeln kann.“

Eine etwas seltsame Formulierung, belegen doch die aktuellen Daten, dass Schleswig-Holstein die bundesweite Entwicklung nahezu komplett nachvollzieht. Zwar ist die Infektionstätigkeit im nördlichsten Bundesland immer noch niedriger als in den meisten anderen Bundesländern, aber der Trend zeigt auch in Schleswig-Holstein derzeit nur in eine Richtung: Es gibt immer mehr Neuinfektionen. Während es vor rund einem Monat insgesamt 211 Neuinfektionen an fünf Tagen gab (von Montag, 21. September, bis Freitag, 25. September), ist diese Zahl nun schon nach zwei Tagen deutlich überschritten.

Kreis Stormarn überschreitet Inzidenzwert von 35

Am Mittwoch war der Kreis Stormarn dran. Nach Neumünster und dem Kreis Dithmarschen sprang nun auch in dem Nachbarkreis zu Hamburg der Inzidenzwert über die 35er-Grenze. 32 Neuinfektionen kamen hinzu, der Inzidenzwert stieg damit auf 38,1. Stormarns Landrat Hennig Görtz erklärte, es müssten nun „unverzüglich wirksame Maßnahmen zur Verzögerung der Ausbreitungsdynamik und zur Unterbrechung von Infektionsketten ergriffen werden“.

Zunächst bis zum 2. November müssen Gastronomiebetriebe um 23 Uhr schließen. Bei Festen und Veranstaltungen im öffentlichen Raum ohne feste Sitzplätze dürfen nicht mehr als 25 Gäste anwesend sein. Im privaten Wohnraum, auch im Garten, dürfen nur 15 Menschen zusammenkommen. Zudem müssen auf einigen öffentlichen Plätzen in Bad Oldesloe, Bargteheide und Ahrensburg nun Masken getragen werden.

Professor Helmut Fickenscher, der Leiter des Kieler Universitätsinstituts für Infektionsmedizin, hält es für richtig, nicht erst beim Grenzwert von 50, sondern schon beim Warnwert von 35 mit Einschränkungen zu reagieren. „Wir haben in Schleswig-Holstein immer noch eine relativ günstige Situation, diesen Vorteil sollten wir uns erhalten“, sagte er. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Rakete nicht startet“, sagte er mit Blick auf die stets vorhandene Gefahr eines starken Anstiegs bei der Zahl der Neuinfektionen. Maßnahmen wie Sperrstunden und Maskenpflicht auf öffentlichen Plätzen seien „milde Maßnahmen“, die hilfreich seien.

Daniel Günther: "entscheidende Phase der Pandemie"

Im Kreis Dithmarschen (Inzidenzwert 39,8) und in Neumünster (39,5) gibt es ähnliche Beschränkungen. Der Kreis Ostholstein, der noch unter der 35er-Grenze liegt, will am Freitag bekannt geben, wie dort verfahren wird. Lübeck meldete am Mittwoch einen Corona-Ausbruch in einem Pflegeheim. „Mehr als zehn Menschen“ seien positiv getestet worden, einer sei bereits an der Viruserkrankung gestorben. Mit weiteren Corona-Fällen sei zu rechnen. Bürgermeister Jan Lindenau forderte die Lübecker auf, diszipliniert zu sein. In der Hansestadt ist der aktuelle Inzidenzwert von 21,3 wieder nah dran an dem bisherigen Höchstwert aus dem März: 22,2.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther sagte am Mittwoch bei einer Veranstaltung des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen: „Wir bewegen uns in der entscheidenden Phase der Pandemie“. Man müsse alles tun, um einen starken Anstieg der Infektionszahlen zu vermeiden. „Wir wollen auf keinen Fall unser wirtschaftliches Leben herunterfahren“, so Günther. Bei einem Telefonat mit einem polnischen Politiker habe er erfahren, dass in Polen schon die Hälfte der Plätze in den Krankenhäusern belegt seien. Es gehe dort „rasant nach oben“. Günther sagte, er könne sich nicht vorstellen, dass Schleswig-Holstein einen finanziellen Kraftakt wie im März/April ein weiteres Mal stemmen könne.

Nur die Dänen - die hat er nicht im Griff. Am Mittwoch wurde spekuliert, dass Dänemark den Nachbarn Deutschland zum Quarantäneland erklären könnte. Deutschlandweit wird mittlerweile der Inzidenzwert von 50 überschritten, er liegt nun bei 51,3. Die Einstufung als Quarantäneland würde bedeuten: Reisen aus Deutschland nach Dänemark sind nur noch aus bestimmten Gründen erlaubt. Urlaubs- und Geschäftsreisen zählen nicht dazu.

Macht Dänemark also wie im Frühjahr die Schotten dicht? In Kiel gab es dazu keine konkreten Auskünfte. Man hoffe, dass zumindest der kleine Grenzverkehr erlaubt bleibe, sagte Regierungssprecher Peter Höver. Das würde bedeuten: Pendler und Shopper dürfen rüber. Aber Urlaub in Dänemark könnte für unbestimmte Zeit unmöglich werden.

Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

  • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum, und halten Sie mindestens 1,50 Meter Abstand zu anderen Personen
  • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
  • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
  • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
  • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an Ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden