Kiel. Jetzt gegen Grippe impfen lassen – das wird schwierig. Der Impfstoff sei laut Apotheken und Ärzten vorerst weitgehend aufgebraucht.
Tausende Schleswig-Holsteiner können sich nach Angaben der Apothekerkammer wegen Mangels an Impfstoff derzeit nicht gegen Grippe impfen lassen. Täglich beklagten sich deshalb Patienten, sagte Geschäftsführer Frank Jaschkowski. Das Gros der 630 Apotheken im Land habe keinen Impfstoff mehr. Das treffe besonders auch Privatversicherte, da es für sie keine Einzelpackungen mehr gebe.
Der Unmut sei insgesamt groß, sagte Jaschkowski. Im November werde eine zweite Tranche erwartet. „Aber ich gehe davon aus, dass es bei weitem nicht ausreichen wird – nach meiner Einschätzung ist das im Dezember alle.“
Grippeimpfung: Nachfrage in diesem Jahr viel früher als sonst
Der Hausärzteverband bestätigte, die erste Impfstoff-Lieferung sei weitgehend verbraucht. Seine Praxis in Leck (Kreis Nordfriesland) sei seit Freitag „blank“, sagte der Landesvorsitzende Thomas Maurer. Die 700 Dosen aus der ersten Tranche seien verbraucht. Angesichts der erwarten Nachfragesteigerung habe seine Praxis für diese Saison die Zahl der georderten Dosen von 700 auf 1120 erhöht. „Auf die restlichen warten wir jetzt“, sagte Maurer. Ob dies ausreiche, sei offen. In diesem Jahr habe die Nachfrage sehr viel früher eingesetzt als sonst. „Vielleicht kommen zum Ende hin nicht so viele.“
Aus Sicht der Kassenärztlichen Vereinigung (KVSH) dagegen kann von einem Impfstoff-Mangel nicht die Rede sein. Die nächste Charge werde jetzt an die Großhändler geliefert und von dort an die Praxen weitergeleitet, sagte Sprecher Nikolaus Schmidt. „Bis Ende des Jahres wird alles ausgeliefert sein, was bestellt wurde.“ Insgesamt seien das 20 Prozent mehr gewesen als im vergangenen Jahr.
Nicht alle brauchen auch wirklich einen Impfschutz gegen Grippe
Es ließen sich auch viele Menschen impfen, die keinen Impfschutz gegen Grippe bräuchten, sagte Jaschkowski. Aus seiner Sicht sollten nur über 60-Jährige und besondere Risikogruppen geimpft werden. Die Ständige Impfkommission zählt dazu unter anderem Frauen ab der 14. Schwangerschaftswoche, Personen mit Vorerkrankungen und Menschen, die berufsbedingt ein erhöhtes Infektionsrisiko haben.
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„Der Hauptfehler besteht darin, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und einzelne Ärzteverbände im Blick auf Corona dazu aufgefordert haben, auch Menschen zu impfen, die keinen Schutz brauchen“, sagte Jaschkowski. Deshalb stehe jetzt nicht ausreichend Impfstoff zur Verfügung. Es seien sicher auch Patienten geimpft worden, die nicht zu Risikogruppen gehörten, sagte der Hausärzte-Vorsitzende Maurer. Diese folgten schlicht der Empfehlung Spahns. Er selbst gehe aktiv nur auf Risikopatienten zu, sagte Maurer.
Grippewellen fallen jedes Jahr unterschiedlich aus
Spahns Aufruf sei wenig hilfreich gewesen, sagte auch KVSH-Sprecher Schmidt. Richtschnur sollten weiter die Empfehlungen der Impfkommission sein.
Die Grippewellen fallen von Jahr zu Jahr oft unterschiedlich aus. In der vorigen Saison gab es relativ wenige Kranke, zwei Jahre davor sehr viele. Influenzaviren, die die Grippe hervorrufen, zirkulieren nach Angaben des Robert Koch-Instituts zwischen Anfang Oktober und Mitte Mai.
Auch nach Einschätzung der Ständigen Impfkommission ist in Deutschland voraussichtlich nicht genügend Impfstoff vorhanden. Für die Saison 2020/21 sollen rund 25 Millionen Dosen zur Verfügung stehen, aber allein für die Versorgung der Menschen mit Impf-Empfehlung würden rund 40 Millionen Dosen benötigt.