Puttgarden/Hamburg. Proteste am ersten Prozesstag beim Bundesverwaltungsgericht. Es geht auch um Folgen für Hamburg.
Bislang geht es von der deutschen Ostseeinsel Fehmarn nur mit der Fähre weiter in Richtung Dänemark. 2008 haben sich Dänemark und Deutschland auf den Bau einer festen Fehmarnbeltquerung verständigt. Die ursprünglich angedachte Brücke ist längst dem Plan eines 18 Kilometer langen Ostseetunnels gewichen. Doch vor allem Umweltschützer, Reedereien und die Stadt Fehmarn leisten Widerstand. Heute verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ihre Klagen.
Es geht auch um die Fahrzeit zwischen Hamburg und Kopenhagen, die mit dem ICE (und dem Auto) erheblich reduziert werden soll. Außerdem geht es um den Lärm entlang der dann vermutlich deutlich stärker befahrenen Güterstrecke zwischen Ahrensburg und Hamburg, wobei es schon jetzt Aufregung und Befürchtungen rund um Wandsbek gibt.
Und gleich am ersten Prozesstag noch vor Beginn der Verhandlung haben Umweltschützer in Leipzig protestiert. Das Bündnis "Beltretter" forderte einen Stopp des Projekts. Das Bundesverwaltungsgericht hat bis zu sieben Tage für dieses Großverfahren eingeplant. Weil unter Corona-Bedingungen der Platz im Gerichtsgebäude nicht ausreicht, wird in der Leipziger Kongresshalle verhandelt (Az. BVerwG 9 A 7.19 u.a.).
Fehmarnbelt-Tunnel: Das Geschäft
Deutschland und Dänemark unterzeichneten 2008 den Staatsvertrag über eine feste Beltquerung. Dänemark plant, baut und betreibt sie auf eigene Kosten. Beide Länder verpflichten sich zum Ausbau der jeweiligen Hinterlandanbindungen. Deutschland trägt nur die Kosten für den Ausbau der Bahnstrecke und einen Ersatz für die Fehmarnsundbrücke zwischen der Ostseeinsel und dem deutschen Festland.
Der Ostseetunnel
Geplant ist ein 18 Kilometer langer Absenktunnel zwischen Puttgarden auf Fehmarn und Rødby auf Lolland. Der kombinierte Eisenbahn- und Straßentunnel wird aus Fertigelementen zusammengesetzt, die in eine auf dem Meeresboden gegrabene Rinne abgesenkt werden. Die Bauzeit soll sechseinhalb Jahre betragen. Die dänische Projektgesellschaft Femern A/S gibt die Kosten mit 7,1 Milliarden Euro an – gerechnet mit dem Preisniveau von 2016.
Die Klagen
Gegen den 1300 Seiten umfassenden Planfeststellungsbeschluss für den knapp 9,5 Kilometer langen deutschen Abschnitt gab es acht Klagen, von denen sich eine bereits im Vorwege der Verhandlung in Leipzig erledigt hat. Neben dem Naturschutzbund (Nabu) und dem Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung klagen mehrere Fährunternehmen, ein Landwirt und die Stadt Fehmarn. Für das Verfahren in Leipzig sind zehn Verhandlungstage angesetzt. Auf dänischer Seite gibt es bereits seit 2015 Baurecht.
Die Umwelt
Die Trasse des Ostseetunnels quert das Naturschutzgebiet Fehmarnbelt. Es soll neben Schweinswalen und Seehunden auch Sandbänke und Riffe schützen. Nicht weit entfernt gibt es weitere Natur- und Vogelschutzgebiete. Umweltschützer kritisieren, der Meeresboden sei nicht ausreichend auf mögliche Riffe untersucht worden. Sie monieren, der Lärm der Bauarbeiten gefährde Schweinswale. Beim Ausbaggern des Tunnelgrabens werden Sedimente aufgewirbelt. Dadurch sind nach Ansicht des Nabu weitere Arten gefährdet.
Die Gegner
Der Nabu und das Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung bestreiten neben den aus ihrer Sicht fatalen Folgen für die Meeresumwelt den Verkehrsbedarf für den Tunnel. Die Reederei Scandlines und weitere Fährunternehmen fürchten um Arbeitsplätze. Die Stadt Fehmarn sieht sich mit dem Unfall- und Katastrophenschutz des Tunnels überfordert. Schleswig-Holsteins Verfassungsgericht hat jüngst entschieden, dass das Land die Zuständigkeit der Stadt Fehmarn auf den Brandschutz erweitern darf, aber die Kosten übernehmen muss. Der Landwirt, dessen Grundeigentum teils dauerhaft, teils vorübergehend für den Bau in Anspruch genommen wird, fordert Entschädigungen.
Die Tunnel-Befürworter
Die Wirtschaft hofft auf einen Schub für die regionale Entwicklung. Während die Fähre von Puttgarden nach Rødby 45 Minuten braucht, sollen Autos durch den Tunnel in zehn Minuten fahren. Die Zugfahrt von Hamburg nach Kopenhagen verkürzt sich von viereinhalb auf zweieinhalb Stunden.
Die Verkehrsprognose
Eine 2016 veröffentlichte Verkehrsprognose geht davon aus, dass 2030 täglich durchschnittlich 12.158 Fahrzeuge die vierspurige Autobahn und 111 Züge die zweigleisige Strecke durch den Tunnel nutzen werden.
Die deutschen Kosten
Die Bahn beziffert die Kosten der Hinterlandanbindung inklusive Ersatz für die Fehmarnsundbrücke auf 2,4 Milliarden Euro, plus Risikopuffer von 1,1 Milliarden Euro.