Bad Segeberg. Fernreise wegen Corona storniert? Nord- und Ostsee überlaufen? Machen Sie Urlaub vor der Haustür – tolle Ziele im Hamburger Umland.

Oma ist die Beste. Einmal im Jahr zur Ferienzeit schwingt sich Dörte Schnoor aus Nahe mit ihren Enkelkindern Leonie (8), Lara (7), Luis (7) und Lukas (9) aufs Fahrrad, um zwei Wochen lang kreuz und quer durch Schleswig-Holstein zu radeln. Für drei Nächte hat sich die fröhliche Truppe nun in der Karl-May-Jugendherberge in Bad Segeberg eingemietet. Und ist schon früh auf den Beinen. Oma Dörte hat für alle eine geführte Tour gebucht. Denn heute gilt es, gemeinsam einen spannenden Blick hinter die Kulissen der Karl-May-Spiele zu werfen.

Doch nicht ohne vorher gut zu frühstücken. Lukas genießt seine Melone, Luis steht eher auf Salamibrötchen, Leonie auf Cornflakes. Die Nacht im Mehrbett-Zimmer war scheinbar gemütlich. Die Blicke sind allesamt ausgeruht und fröhlich. „Wir haben ein Riesenzimmer. Man kann vom Fenster aus direkt auf den Kalkberg sehen“, schwärmt Leonie und lässt sich die Cornflakes munden.

Herbergsgäste wollen die Karl-May-Festspiele besuchen

Es schmeckt! Das freut Claudia Timmerberg. Sie hat die Küchenleitung der Jugendherberge inne und ist schon seit halb sieben auf Trab. Liebevoll hat die 49-Jährige das Büffet aus frischem Brot und Brötchen vom Bäcker, Tomate mit Mozzarella, Wurst, Käse, Obst, Müsli, Eiern und vielem mehr angerichtet. Frisch und gesund muss und lecker darf es sein! Seit 2012 zählt die Küchenfee zum Jugendherbergsteam. Ob Groß oder Klein – für jeden hat Claudia Timmerberg ein verbindliches Wort.

Die Jugendherbergsleiter René Petzold (47) und seine Frau Mi-Young (44) sind stolz auf ihre Mannschaft. Beide kommen ursprünglich aus der gehobenen Hotellerie, waren beruflich weltweit im Einsatz und entschieden sich vor 15 Jahren, Richtung Jugendherberge zu schwenken. 2013 übernahm das Ehepaar das Haus im Kastanienweg 1 – mit 47 Zimmern aller Standardgrößen, 170 Betten und in der Spitze bis zu 20.000 Übernachtungen pro Jahr.

Besucher fühlen sich wie im Indianermuseum

2020 ist wegen Corona alles anders. Vom 16. März bis 18. Juni war die Jugendherberge geschlossen. Die Karl-May-Festspiele in diesem Sommer, deren Zuschauer in dieser Zeit eine Vielzahl der Herbergsgäste ausmacht, wurden abgesagt. Auch wenn Winnetou und Schwester Nscho-tschi im Freilichttheater am Kalkberg dieses Jahr keine aktive Rolle spielen, sind sie doch präsent, denn: Sie schmücken lebensgroß den Eingang der Karl-May-Jugendherberge. Auf den Fluren verteilt hängen Indianerbilder. Das ergibt Sinn, denn: „Wenn da schon Karl May dran steht, muss auch Karl May drin sein“, sagt Petzold.

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. © Unbekannt | Unbekannt

In der Tat fühlt sich der Besucher schnell wie in einem Indianer-Museum. „Das ist unser Ziel. Wir sind überzeugt: eine Jugendherberge braucht Individualität. Die wenigsten Ausstellungsstücke sind übrigens gekauft. Sie werden uns von Gästen zugetragen, die regelrechte Indianerfans sind.“ Da gibt’s zum Beispiel kleine Armbänder oder ein original Tomahawk und einen Federschmuck aus echten Adlerfedern. „Das ist ein Originalstück, etwas richtig Wertvolles, für das wir ein Zertifikat erhalten haben, es überhaupt besitzen und für die Ausstellung nutzen zu dürfen.“ Auch von den Initiatoren der Festspiele kommt tolle Unterstützung. Die haben den Petzolds sogar einen Totempfahl vors Haus gestellt.

Zahlen und Daten:

  • Anreise: Per Bahn: Von Hamburg aus mit dem RegioExpress bis Bad Oldesloe. Umstieg in die Nordbahn bis Bad Segeberg.  Bad Segeberg ist im Netz des Hamburger Verkehrsverbundes HVV.
  • Per Pkw: Von Hamburg: über die A1 und die A21. Oder über B 206.
  • Kontakt: DJH Jugendherberge Bad Segeberg, Kastanienweg 1, 23795  Bad Segeberg, Tel.  04551/2531, badsegeberg@jugendherberge.de
  • Kosten: Individuelle Preise für Ein- und Mehrbettzimmer inkl. Verpflegung verschiedene Arrangements.

Und im Haus? Wie sieht’s da aus? Es wird wieder lebendiger, die Gäste kommen langsam wieder. Rund ein Viertel – wie Dörte Schnoor und ihre Enkel – mit dem Fahrrad. „Im Normalfall hätten wir um diese Zeit täglich etwa 150 Gäste. Aktuell sind es durchschnittlich 20 bis 30“, sagt Petzold. Er bleibt optimistisch und setzt auf die Attraktivität von Haus und Lage: Spielplatz, Bolzplatz mit Handballtoren, Volleyballplatz und Tischtennis powern auch die aktivsten Kids so richtig aus. Gruppen können den gemütlichen Grillplatz nutzen.

Lust aufs kühle Nass? Die bewachte Badestelle des Großen Segeberger Sees samt Bootsverleih befindet sich direkt neben der Jugendherberge.

441 Jugendherbergen gibt es in Deutschland – noch

Zum anderen gestalten die Petzolds ihr eigenes Programm. „In den kommenden Herbstferien sind bei uns die Indianer los.  Vor der Jugendherberge bauen wir unser großes Tipi auf. Hier können wir gemütlich zusammensitzen. Unsere Indianer Kalle und Gerd wissen viel über die ‚Rothäute’ zu erzählen und bringen einige echte Requisiten und indianische Spiele mit“, sagt Petzold. „Gebastelt werden Wurfpfeile und Indianerschmuck aus echten Federn und authentischen Materialien. Wir lauschen, welch alte Geschichten uns die Indianertrommeln zu berichten haben. Wir erfahren, wie man mit Kräutern einen indianischen Tee zubereitet.“

Manchmal wirkt die Herberge wie ein Museum der Karl-May-Spiele.
Manchmal wirkt die Herberge wie ein Museum der Karl-May-Spiele. © Bianca Bödeker | Unbekannt

Einen Tag lang dreht sich alles um Fledermäuse. Was sie können, erfahren die Gäste im Fledermauszentrum Noctalis. „Die Abende sind gesellig. Eine Fackelwanderung führt uns in der Dämmerung vom Kalkberg zum Segeberger See. Wieder zurück, erwartet uns ein gemütlich knisterndes Lagerfeuer.“  Auch für Schulklassen gibt’s übrigens spannende mehrtägige Angebote. Urlaub in der Jugendherberge – das ist doch immer noch wie heile Welt. 2019 wurden etwa 9,8 Millionen Übernachtungen in den derzeit 441 Jugendherbergen des Deutschen Jugendherbergswerks gezählt, die meisten davon in den Landesverbänden Bayern, Baden-Württemberg und Nordmark, die die Regionen Schleswig-Holstein, Hamburg und Nordniedersachsen umfasst.

Das lohnt auch:

  • Wandern und Radeln: Die Jugendherberge ist von Wander- und Radfahrwegen umgeben. Ein Tipp ist eine Tour ins Naherholungsgebiet Ihlsee mit Strandbad. Hier gibt es Trimmpfade, Spiel- und Grillplätze und Kegelbahnen.
  • Bad Segeberg kulturell: Bad Segeberg bietet die städtische Kunsthalle Otto Flath und Villa Flath, die Rantzaukapelle mit dem Rantzauobelisken, das Heimatmuseum, das Alt Segeberger Bürgerhaus und die Fischerkate. Infos unter: www.bad-segeberg.de
  • Hinter die Kulissen der Karl-May-Spiele geblickt: Die Stadt Bad Segeberg hat aus der Corona-Not eine Tugend gemacht und bietet erstmals in der Geschichte der Karl-May-Spiele 90-minütige öffentliche Führungen durch das Freilichttheater am Kalkberg an.

Dank Richard Schirrmann, dem geistigen Vater der Jugendherbergen. Als den Lehrer im Sommer 1909 mit seinen Schülern während einer Wandertour von Altena nach Aachen ein Unwetter ereilt, sucht er für alle Schutz in der nahe gelegenen Dorfschule. Und nimmt dieses Ereignis zum Anlass, das Konzept einer Jugendherberge zu entwickeln. 1912 ist es dann soweit: die erste Ferienjugendherberge auf der Burg Altena wird gegründet, die der Lehrer zwei Jahre später zu einer ständigen Unterkunft erweitert – ausgestattet mit großen Schlafsälen für Gruppen sowie kleineren Zimmern für mitreisende Betreuer.

Bis 1928 entstehen knapp 2.200 feste Herbergen. Im Ausland stößt die Idee von günstigen Jugendherbergen für junge Reisende, Wandervereine und Schulklassen schon um 1919 auf breites Interesse. 1932 wird daraufhin die ‚International Youth Hostel Federation‘ gegründet. Nach dem Motto „Gemeinschaft erleben“ haben sich bis heute mehr als 94 nationale Verbände in rund 90 Ländern etabliert – mit etwa 4.000 Jugendherbergen und -hotels.

Und mit welcher Philosophie leben die Petzolds und ihr Team ihre tägliche Aufgabe? „Wir wollen die Menschen glücklich machen“, sagt das Ehepaar unisono. „Haben wir das erreicht, dann haben wir alles richtig gemacht!“ Das gilt wohl auch fürs heutige Abendessen. Claudia Timmerberg verrät, was auf dem Speiseplan steht: „Köttbullar mit Reis und Kaisergemüse. Als Dessert Götterspeise mit Vanillesoße – hausgemacht!“ Das muss die Reporterin den Kindern unbedingt noch als kleinen Vorgeschmack mit auf den Weg geben. Große Vorfreude macht sich daraufhin im Frühstücksraum breit.

Der dreitägige Einkehrschwung in der Karl-May-Jugendherberge ist so richtig nach Leonies, Laras, Luis’ und Lukas’ Geschmack. Dörte Schnoor sei Dank. Oma ist eben einfach die Beste! War sie schon immer.

In der nächsten Folge geht es zum Zelten auf einen Flakbunker.