Seedorf. In der Metropolregion gibt es viele Möglichkeiten für erholsame Tage. Heute: Das Gut Groß Zecher im lauenburgischen Seedorf.

Als sich der Himmel über dem Schaalsee langsam in sein abendliches Rot färbt, fordert uns die Gutsherrin geradezu zum Gehen auf: „Nun müssen Sie aber wirklich hoch.“ Also schnellen Schrittes zum Herrenhaus, ins obere Stockwerk und von dort aus noch eine Etage höher, in unser eigenes Turmzimmer mit den gläsernen Wänden. Und ja: So opulent hat man den norddeutschen Sonnenuntergang selten erlebt.

Die Gutsherrin heißt Hannelore von Witzendorff und ist studierte Landwirtin. 1994 übernahm sie das im lauenburgischen Seedorf gelegene Gut Groß Zecher und setzt seither die seit 1691 währende Tradition ihrer Familie auf dem Stammsitz fort.

Im Restaurant „Zur Kutscherscheune“ mit Sonnenterrasse wird saisonal Fleisch aus hofeigener Jagd und Fisch aus der eigenen Fischerei sowie hausgebackener Kuchen serviert. Die Gerichte sind hervorragend komponiert und auch dann noch vergleichsweise preiswert, wenn man berücksichtigt, dass die Portionen recht knapp bemessen sind.

Boote können direkt auf dem Gut ausgeliehen werden

Auf dem weitläufigen Grundstück des Guts sind mehrere Rückzugsorte im Garten und am See sowie Übernachtungsmöglichkeiten für zwei bis acht Personen verteilt. Die Ferienhäuser haben ihre ursprünglichen Namen behalten. Waschhaus, Plätthaus, Palmenhaus und – passend zu der von Seen und Wäldern geprägten Landschaft – das Schwedenhaus. Seit einigen Jahren wird im Juni auf der Terrasse stilecht das Mittsommerfest zelebriert.

Gläsernes Quadrat: Das Turmzimmer von außen.
Gläsernes Quadrat: Das Turmzimmer von außen. © HA

Der bei den Gästen beliebteste Platz, das Turmzimmer, ist der „neue“ Teil des 300 Jahre alten Herrenhauses. Die Idee dazu kam Hannelore von Witzendorff bei einer Renovierung im Jahr 2004, als das Dach komplett abgedeckt war. „Dann stand ich da auf der oberen Etage“, erzählt sie, „hatte den freien Rundumblick auf den See und den Wald und dachte: Daraus müssen wir doch etwas machen.“

See, Wald und Garten sind nur wenige Schritte entfernt

Es wurde etwas Einzigartiges daraus gemacht. Im unteren Bereich der 55 Quadratmeter gibt es außer dem Badezimmer eine Fernsehecke, einen Esstisch, ein Doppelbett und eine Küche mit Kühlschrank, Geschirr, einer Kochplatte und einem Mini-Ofen. In einer Nische unter dem Dach liegen zwei Matratzen und über die andere Treppe gelangt man in den oberen Bereich, in das Turmzimmer mit den zwei großen Sesseln.

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Hier dürften sich Naturbegeisterte, Stubenhocker und naturbegeisterte Stubenhocker gleichermaßen wohlfühlen. Der See, der Wald, der Garten sind nur wenige Schritte entfernt. Doch mit Buch oder Bier lässt es sich auch im Turmzimmersessel hervorragend urlauben. „Auch im Herbst ist es sehr schön“, sagt die Gutsherrin. „Wenn es mal stürmt oder die Bäume ihre Herbstfärbung haben, lässt sich der Turm noch mehr genießen.“ Mit etwas Glück sind sogar Seeadler zu sehen, wie sie auf der Jagd nach Fischen über dem Schaalsee kreisen.

Funkloch als zusätzliche Erholung

Handynetz oder stabiles mobiles Internet haben wir auf dem Grundstück kaum mal. Mails oder Nachrichten kommen teilweise nur mit stundenlanger Verspätung durch. Das Turmzimmer und die einzelnen Ferienhäuser sind aber durch WLAN mit der Außenwelt verbunden. Doch wer es sich erlauben kann, sollte das Funkloch in der Umgebung als zusätzliche Erholung betrachten. Denn wer hier Urlaub macht, sucht in der Regel ohnehin die Ruhe. „Wir haben nicht nur ein bestimmtes Klientel zu Gast. Es ist ein Ort für jedermann“, sagt Hannelore von Witzendorff. „Aber natürlich steht für viele die Natur im Vordergrund.“

Hannelore von Witzendorff, Gutsherrin seit 1994.
Hannelore von Witzendorff, Gutsherrin seit 1994. © Angela Liebich Fotografie

Besonders für Familien mit Kindern ist das große Gelände geeignet, aber auch viele ältere und jüngere Paare oder Reisegruppen kommen nach Groß Zecher. Das Hauptargument bleibt für die meisten die unmittelbare Umgebung. Es gibt viele Möglichkeiten für die Tagesgestaltung und fast alle davon sind ganz spontan je nach Laune und Wetterlage umsetzbar.

Richtung Westen lässt es sich stundenlang bis nach Salem paddeln

Ruderboote und Kanus für eine Tour auf dem Schaalsee liegen am für die Gutshof-Gäste vorbehaltenen Steg. Richtung Westen lässt es sich stundenlang bis nach Salem paddeln. Richtung Osten – die innerdeutsche Grenze verlief durch den Schaalsee – dürfen viele Bereiche aus Gründen des Naturschutzes nicht befahren und betreten werden.

Urlaub in Zeiten des Coronavirus

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    Zum Baden kann der private Steg genutzt werden, aber auch beim Wandern durch den Zecher Werder finden wir einige etwas versteckte Zugänge zum Wasser. Für Fahrradtouren empfehlen sich die besser ausgebauten Wege in der Umgebung, wandern kann man auf dem Werder dafür sogar bei Regen. Das grüne Naturdach hält viele der Wege trocken.

    Waldbaden ist der neueste Naturtrend

    Der neueste Naturtrend hat trotz des Namens erst mal nichts mit See- oder Regenwasser zu tun: Waldbaden. Der Begriff ist aus der Übersetzung des Japanischen Shinrin Yoku abgeleitet. was das Eintauchen in den Wald mit allen Sinnen bedeutet. „Schlendern, lauschen, schnuppern, schauen, atmen, verweilen, begreifen, bewundern – einfach locker lassen und dich selbst, andere Menschen und den Wald ganz neu erfahren“, verspricht die Kursleiterin auf ihrer Internetseite. „Beim Waldbaden erlebst Du Natur, Ruhe und Ausgleich, lässt den Alltag hinter Dir und findest zu Dir selbst.“ Waldbaden sei sogar förderlich für die Gesundheit.

    Tipps für die Umgebung:

    • Waldbaden: Beginnend auf dem Gut Groß Zecher wird das Waldbaden an jeweils drei Donnerstagen im August (6., 13., 20.), September (3., 10., 24.) und Oktober (8., 22., 29.) von 10 bis 13 Uhr angeboten. Festes Schuhwerk und dem Wetter entsprechende Kleidung werden empfohlen. Die Teilnahme kostet 25 Euro pro Person und 44 Euro für zwei Personen. Kinder ab sechs Jahren zahlen zehn Euro. Es nehmen vier bis zwölf Personen teil. Anmeldung bis zum Vortag um 18 Uhr bei Kathrin Sohst. E-Mail: post@aruna-waldbaden.de Telefon: 0173/656 40 37
    • Wandern: Mehrere Rundtouren verlaufen über das Gut Groß Zecher oder in der unmittelbaren Umgebung. Das Personal der Kutscherscheune stellt den Gästen auf Wunsch umfangreiches Kartenmaterial zur Verfügung.

    Das mag man reflexartig als neumodisches Chichi für gelangweilte Städter abstempeln. Hannelore von Witzendorff sieht das anders – und sie ist „im Wald aufgewachsen“, wie sie sagt. Mit ihrem Team nahm sie an einem Waldbad teil. „Es ist doch noch mal etwas anderes, wenn einem der Wald extra bewusst und auf eine andere Art wiedergegeben wird.“ Im August, September und Oktober beginnt das Waldbaden jeweils dreimal direkt an der Kutscherscheune.

    Keine Halluzination: Da steht ein Nandu im Feld

    Auf der Heimfahrt nehmen wir einen kleinen Umweg in Kauf, lassen die Inselstadt Ratzeburg westlich liegen und fahren über die lauenburgischen und mecklenburgischen Dörfer. Dies ist keine Spritztour, dies ist eine Nandu-Safari!

    Vor rund 20 Jahren brachen einige der in Südamerika beheimateten Laufvögel aus einem privaten Gehege bei Lübeck aus und vermehren sich seither kräftig, weil sie in der Region keine natürlichen Feinde fürchten müssen. Zwischenzeitlich wuchs der Bestand auf mehr als 500 Tiere an. In diesem Frühjahr wurde der Nandu in Mecklenburg-Vorpommern in das Jagdrecht aufgenommen, um die Population einzudämmen. Auf Feldern war teilweise großer Schaden entstanden.

    Anreise und Kontakt:

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    • Anreise: Ab Hamburg über die A 24 bis zur Ausfahrt Gudow. Der L 205 folgen und über Gudow und Hollenbek bis nach Seedorf fahren. Rechts abbiegen auf die Straße Zuckerhut, die bis zum Gut Groß Zecher führt. Mit dem Bus ab Wandsbek Markt mit Umstieg in Ratzeburg-Demolierung bis zur Haltestelle Groß Zecher, Seedorf.
    • Kosten: Das Turmzimmer ist buchbar ab zwei Nächten und kostet für zwei Personen 135 Euro pro Nacht.
    • Kontakt: Lindenallee 15, 23883 Groß Zecher, Telefon: 04545/801, E-Mail: cafe@kutscherscheune.de

    Den Landwirten machen nicht nur Fressschäden zu schaffen, sondern auch das Verhalten einiger Touristen, die auf der Nandu-Suche über Felder und Äcker stapfen. Das ist weder angebracht noch nötig. Wir entdecken einen Nandu in der Nähe von Utecht auf einem Rapsfeld, das gerade abgeerntet wird. Ein Foto für die ungläubigen Städter, dann lassen wir Tier und Treckerfahrer wieder in Ruhe.

    Nandus und Adler in einer schwedisch anmutenden Landschaft, wo der Sonnenuntergang frei Haus in das gläserne Turmzimmer geliefert wird – es war eine Trip wie in ein anderes Land. Die Anreise hat eine Stunde gedauert.

    Nächste Folge: Am Donnerstag, 30. Juli, übernachten wir im Serengeti Park Hodenhagen.