Rantum. Eine Chronik erzählt die Geschichte des 1920 auf Sylt eröffneten Jugendheims, das jetzt Corona trotzen und Umbaupläne realisieren muss.
Puan Klent hat eine bewegte Geschichte. Seit 100 Jahren existiert das Jugendgästehaus in den Rantumer Dünen auf Sylt mittlerweile. Errichtet wurde es vom Hamburger Jugendverband aus einem militärischen Barackenlager, damit sich notleidende Jugendliche nach dem Schulabschluss an der frischen Nordseeluft vom großen Weltkrieg und seinen Folgen erholen können. 1925 wurden die Holzbaracken durch Neubauten ersetzt und Puan Klent als Ferienheim immer gefragter – in den Anfangsjahren zunächst bei Jugendverbänden und Turnvereinen, später dann bei Schulklassen und ab Mitte der 1980er-Jahre auch bei Familien.
Die große Puan-Klent-Chronik „Puan Klent - 100 Jahre Sylter Sand in Hamburger Schuhen“ lässt jetzt dieses Jahrhundert wieder aufleben. Anhand von Briefen, Fotos, Tagebucheinträgen, Interviews mit Zeitzeugen, Rechnungen, Bauzeichnungen und alten Zeitungsberichten erzählt Chronist und Puan-Klent-Archivar Peter Braasch die Geschichte dieser legendären Anlage, in der Zehntausende Hamburger Schüler die vielleicht schönsten Sommerwochen ihrer Jugend verbracht haben.
Archivar Braasch: 42 Aktenordner mit Informationen zu Puan-Klent
Braasch hatte 1995 bereits ein Büchlein zum 75-jährigen Bestehen Puan Klents verfasst. Sein Archiv besteht mittlerweile aus 42 Aktenordnern. Sein neues Werk hat 224 Seiten, ist reich bebildert und vermittelt einen umfangreichen Einblick in die Entwicklung des Jugenderholungsheims – das nie ein Schullandheim war, aber dennoch ein festes Ziel Hamburger Klassenreisen.
Dargestellt werden die verschiedenen baulichen Entwicklungen Puan Klents, aber auch der Wandel in der Jugendarbeit, bei der es zunächst um Pflege und Erholung ging, später um Erziehung und Jugendbildung. Durch Briefe und Tagebucheinträge bekommt man auch einen guten Eindruck vom Leben in Puan Klent. Da ist zum Beispiel der in Sütterlin geschriebene Brief eines Gymnasiasten aus dem Hamburger Westen, der sich am Anfang des Aufenthalts darüber beklagte, dass er sein Bett selber machen muss und von dem Personal geduzt wird – aber auch der eines Klassenkameraden, der am Ende ganz begeistert das Erlebte schildert.
„100 Jahre Puan Klent – das ist eine Zäsur, ein Anlass, innezuhalten und zurückzublicken, aber auch, über die Zukunft nachzudenken“, sagt Braasch, der seit 1984 im Vorstand der Stiftung Puan Klent ist. Sie hatte sich 1937 gebildet, um das in freier Trägerschaft und teilweise mit Hilfe des Hamburger Senats erwirtschaftete Vermögen des Jugenderholungsheims vor dem Zugriff der Nazis zu bewahren, und wird seitdem mit großem ehrenamtlichem Engagement geführt. Mehr als 200 Vorstandsmitglieder haben sich bislang um Puan Klent verdient gemacht – alle sind am Ende der Chronik verewigt. „Jeder von uns zieht den Karren ein Stück weiter“, sagt Braasch, der bis 1991 Vorstandsvorsitzender war.
Coronabedingte Stornierungen machen Puan Klent zu schaffen
Das trifft auch auf Peter Klix (2017 - 2018) und Horst Bötcher (seit 2018) zu, mit denen gemeinsam Braasch die Chronik am Donnerstag vorstellte. Neben einem Rückblick wagten sie auch einen Ausblick nach vorn. Denn dass das Schullandheim hat zwar den Nationalsozialismus, den Zweiten Weltkrieg, die Nachkriegszeit, den in den 1980er-Jahren von den Gewerkschaften ausgerufenen Klassenreise-Boykott und die 2018 nur knapp abgewendeten Insolvenz überstanden – aber die bewegten Zeiten noch lange nicht hinter sich. Derzeit machen Puan Klent die coronabedingten Stornierungen zu schaffen. Außerdem müssen noch gewaltige Lücken bei der Finanzierung des geplanten Umbaus zum inklusiven Dünendorf Puan Klent geschlossen werden.
Dafür sind die Verkaufserlöse durch die Chronik eine kleine, aber willkommene Einnahmequelle. Denn den Großteil des Umbaus finanziert zwar das Bundesfamilienministerium mit 15 Millionen Euro, die Stiftung muss aber einen Eigenanteil von 1,5 Millionen Euro aufbringen.
„Das ist gerade in diesen Corona-Zeiten eine gewaltige Herausforderung“, sagt Bötcher, der seit 30 Jahren gemeinnützige Tagungs- und Übernachtungsstätten berät und in dieser Funktion auch als Vorsitzender eingesetzt wurde. „Wie alle gemeinnützigen Häuser konnte auch Puan Klent keine nennenswerten Rücklagen bilden und wurde dadurch besonders schwer getroffen.“
Aktuell sind 120 Gäste in Puan Klent - üblich wären 400
Die für dieses Jahr erwarteten Umsatzeinbußen beziffert er mit rund 80 Prozent des Jahresumsatzes, der bei normaler Auslastung etwa 1,7 Millionen Euro beträgt. Dazu kommt, dass von 200.000 Euro ausstehenden Stornogebühren für abgesagte Klassenreisen bislang nur etwa 40.000 Euro gezahlt wurden – und das nur von Schulen aus anderen Bundesländern. Die Hamburger Schulbehörde hat nach Abendblatt-Informationen bislang noch gar nichts gezahlt. Laut Bötcher laufen derzeit Verhandlungen.
Momentan sind 120 Gäste in Puan Klent, meist Familien, üblich in den Sommerferien ist eine Belegung mit 400 Personen. Bötcher und die anderen Vorstandsmitglieder hoffen, dass es im Herbst wieder mit den Klassenreisen losgeht – und dass alle Schulen die Stornierungen ausgleichen. „Beides ist für uns überlebenswichtig“, so Bötcher. Ebenso wie die Überbrückungshilfe, die aber bei maximal 100.000 Euro liegt.
Um die 1,5 Millionen Euro aufzubringen, muss die Stiftung also weitere Wege beschreiten - und hat diesbezüglich schon ihre Fühler ausgestreckt. „Wir sind in Verhandlungen mit großen Partnern, die sich finanziell an Puan Klent beteiligen. Es gibt bereits zwei sehr interessierte potenzielle Partner, und eine dritte, die wir hoffentlich auch noch gewinnen können“, sagt Bötcher und gibt sich zuversichtlich.
Im Dünendorf sollen sich junge Menschen mit der Zukunft auseinandersetzen
„Unser Konzept, den Schwerpunkt von der Jugenderholung auf die Jugendbildung zu verlegen und uns dabei auch an inklusive Gruppen zu richten, ist in Deutschland nahezu einmalig und damit für viele Organisationen interessant.“ Auch private Darlehen, die verzinst werden, wurden der Stiftung bereits gewährt – laut Bötcher in sechsstelliger Höhe (weitere Informationen unter www.stiftung-puan-klent.de).
Im Dünendorf Puan Klent sollen 350 junge Menschen gleichzeitig die Möglichkeit haben, sich intensiv mit Themen der Gegenwart und der Zukunft auseinanderzusetzen. Den für Ende 2020 angesetzten Baubeginn hoffen die Vorstände noch einhalten zu können. „Wir sind noch nicht über den Berg, aber zuversichtlich, dass wir das Dünendorf realisieren können“, sagt Peter Klix.
Die Chronik kostet 24 Euro und ist ab dem 1. August lieferbar (ISBN: 978-3- 944861-20-3).