Kellenhusen. Wo es erst nachts so richtig hell wird und wo man tagsüber seltsame Sportarten treibt – das ist Kellenhusen an der Ostsee.
McKaiser steht auf Spielbahn 1 und prüft die Wurfscheiben. Viel Wind heute, dagegen muss sein Disc erst einmal anfliegen. Also Rückhand ausholen – und voll ins Aus. „Wenn der Bauer nicht schwimmen kann, liegt’s an der Badehose“, sagt der Spieler und lacht. McKaiser hat Handicap 32, „ganz schlecht“, wie er selbst sagt, und heißt eigentlich Nils Paustian. In seinem Verein „Ostsee Discgolf Kellenhusen e. V.“ haben sich alle Mitglieder einen Mc-Titel verpasst. Ganz lustig, diese Frisbee-Fans.
Ziel beim Discgolf ist es, mit so wenig wie möglich Würfen die Scheiben in ein Ziel (den Disc-Korb) zu befördern. Genau wie beim Golf wird stets dort weitergespielt, wo die eigene Scheibe gelandet ist. Es gibt auch Vorgaben (Par), nach denen die eigene Spielstärke im Verhältnis zu anderen Spielern beurteilt werden kann. Doch vollkommen anders als beim Golf kostet diese Sportart so gut wie gar nichts. Wer als Tourist keine eigenen Discs besitzt, kann sich die Scheiben bei der Kurverwaltung für einen Euro ausleihen.
Ostseebad Kellenhusen – Wald, Wind, Wellen und Discgolf
Die Bahn in Kellenhusen hat 22 Körbe direkt am Südstrand. Ein großer Aufsteller spricht von der größten Discgolf Anlage Deutschlands. Könnte ein veralteter Rekord sein, aber das trübt keineswegs die Spielfreude.
Während der Coronavirus-Hochphase übte ein Anfänger jeden Tag, manchmal kam er sogar zweimal täglich, jetzt hat er bereits Handicap 25, das sind Erfolge in der Krise! „Super Hobby. Man braucht keine Platzreife, keine Reservierung und kein Geld“, sagt Nils Paustian und ruft einen DJ an. Der soll bei einer öffentlichen Gartenparty auflegen, die Paustian für das erste August-Wochenende in Kellenhusen plant, denn Paustian ist der Veranstaltungsleiter des kleinen Ostseebades.
1000 Einwohner nur, mehr als 3000 Leute werden es selbst im Sommer mit den Besuchern nicht, doch für diese Gäste möchte Paustian trotz Corona ein gutes Programm bieten. Es gibt Krimispaziergänge für Mensch-Hund-Teams, die in Gruppen nach den "Drei ??? Fragezeichen" suchen, Qi-Gong-Treffen, Bernstein schleifen, Yoga am Strand, Bogenschießen, Theater für Kinder, Mal- und Strickkurse, Katamaran-Schnupperstunden und verschiedene geführte Spaziergänge im Wald.
Kellenhusen hat nämlich hinter einem schicken Neubaugebiet, wo sich Gartenlandschaftsarchitekten austoben, einen wunderschönen Wald. Wege ohne Ende, in denen man stundenlang laufen kann, ohne jemandem zu begegnen. Es sei denn, der weiße Hirsch taucht auf, von dem so viel berichtet wird, oder ein paar Wildschweine.
Kellenhusener Eiche war Vorbild für Fünf-Mark-Münze
„Bei uns kann man sich wirklich aus dem Weg gehen“, sagt Paustian, der uns nun zwei ganz besondere Bäume zeigen möchte. Wir wandern und wandern, der weiße Hirsch versteckt sich leider, aber hinter einer Bank quer durch die piksenden Brombeersträucher (das muss im Herbst ein Festessen sein hier), taucht sie plötzlich auf, die Fünf-Mark-Eiche. Dieser 350 Jahre alte Baum im Kellenhusener Forst soll als Vorbild für die Gestaltung der Bildseite auf der von 1927 bis 1933 geprägten Fünf-Reichsmark-Münze gedient haben.
Sieht ein wenig in die Jahre gekommen aus, aber man spürt die Nähe von Geld förmlich. Braucht man in Kellenhusen nur nicht, denn die meisten Wald-Führungen sind ebenfalls kostenfrei. Besonders beliebt ist die Tour „Wie Bäume sich unterhalten“ sowie die Fledermausführung in der Dämmerung. Der gewachsene Mischwald beherbergt eine Menge der heimischen Fledermäuse, die durch Corona zu einer ungewollten Prominenz gelangten.
Zwei Reiterhöfe und ein Campingplatz in Kellenhusen
In der Nähe befindet sich eine weitere historische Eiche, die „Wasserstandseiche“, die zusammen mit einem Gedenkstein an das Ostseesturm-Hochwasser 1872 erinnert. „Dieses Unglück stellte irgendwie auch die Geburtsstunde des Touristenortes Kellenhusen dar“, erklärt Nils Paustian.
Wie das? Nach der Flut sollte ein hoher Deich gebaut werden. Landvermesser, Ingenieure und Baufachleute kamen an die Küste, die ihre Familien mitbrachten und irgendwo wohnen mussten. Immer mehr Einwohner stellten ihre Häuser für die Unterbringung und Verpflegung der Fremden zur Verfügung, und so begann die Entwicklung als Badeort.
Heute gibt es neben vielen Ferienwohnungen drei Hotels, zwei Reiterhöfe, einen Campingplatz, zwei Großraumparkplätze direkt hinter der zwei Kilometer langen Promenade, einen nagelneuen Inklusions-Spielplatz (jedes Gerät ist barrierefrei zu erreichen), zwei Mini-Golfanlagen, eine Surfschule, vier Schlafstrandkörbe und einen Kurpark, der abends aufwendig beleuchtet wird. Beim „Lichterklang“ werden verschiedene Farben mit Musik kombiniert, die Äste schimmern wie in Märchen-Zeichnungen von Walt Disney. Sehr stimmungsvoll!
Die Kellenhusener scheinen vom Licht angezogen zu sein, sie haben auch ihre ohnehin schon teure Seebrücke (2,5 Millionen) im Oktober vergangenen Jahres noch mal für 265.000 Euro aufgerüstet. Auf der 305 Meter langen, mit Hängematten ausgestatteten Stahl-Beton-Konstruktion sind nun 15.000 LEDs angebracht, die einzeln angesteuert werden können. „Unsere Lichtershows sind besser als jedes Feuerwerk“, sagt Sina Puck von der Kurverwaltung. „Und auf unserer Seebrücke darf man sogar heiraten.“ 15 Ehen wurden in diesem Jahr schon über dem Meer geschlossen, sogar zu Corona-Zeiten.
Kellenhusen weiß, was Eltern brauchen
Das Promenadenfest muss dieses Jahr allerdings ausfallen, doch grundsätzlich sei es in Kellenhusen entspannter, weil übersichtlicher, als an anderen Badeorten Schleswig-Holsteins, erklärt Puck: „Hier können Sie an der Promenade essen und gleichzeitig Ihre im Sand buddelnden Kinder im Auge behalten.“ Kellenhusen weiß, was Eltern brauchen.
P.S.: Eine Eisdiele mit selbst gemachtem Eis gibt es auch. Unbedingt Buttermilch Sanddorn probieren!
Anfahrt und Informationen
- Über die A1 ist Kellenhusen mit dem Auto 1,5 Stunden von Hamburg entfernt.
- Der nächste Bahnhof liegt in Neustadt (Holstein).
- Der Gästeservice hilft auch bei der Vermittlung einer Ferienunterkunft, Telefon 04364/49750 oder www.kellenhusen.de
Nächste Folge: Hinterm Strand geht's weiter – das Hinterland der Lübecker Bucht
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