St. Peter-Ording. Die besten Urlaubsorte an Nord- und Ostsee. Teil 15. Im Sommer kommen Besucher in Scharen, dennoch wird es am Strand nie wirklich eng.

Das größte Kompliment für einen Ferienort? Vermutlich, dass man sich sehr gut vorstellen kann, dort dauerhaft zu wohnen. Also nicht nur als Tourist in der vermeintlich schönsten Zeit des Jahres mit traumhaft langen Tagen und lauen Nächten. Sondern halt auch dann, wenn es einsam geworden ist um einen. Wenn es stürmt, dass es kracht, wenn der Regen waagerecht kommt, wenn das Lieblingsrestaurant gleich für mehrere Monate schließt oder die Salzwiesen unter Wasser stehen. Solch ein Sehnsuchtsort das ganze Jahr hinweg ist für mich St. Peter-Ording. Oder einfach nur: St. Peter.

Auch wenn einige Leser mir das jetzt übel nehmen dürften: Aber die schönste Zeit in St. Peter ist die Zeit ohne sie, ohne die ganz vielen Besucher im Hochsommer, wenn an den Wochenenden zusätzlich zu den rund 17.000 Übernachtungsgästen Tausende Tagesausflügler kommen – jedenfalls vor Corona. Aber selbst im Juli oder August, wenn kein Zimmer mehr zu bekommen ist und man nur mit Glück einen Tisch in einem Restaurant oder einen Parkplatz vor den Supermärkten ergattert, selbst dann ist St. Peter ein toller Ort, sich zu erholen

Buntes Leben am und auf dem Wasser

„Fünfmal so breit wie die Pariser Champs-Elysées, knapp viermal so lang wie der Ku‘damm in Berlin – die Ausmaße des Strands von St. Peter-Ording entziehen sich nicht nur jedem unmittelbaren Vergleich. Sie sind europaweit auch nahezu konkurrenzlos. Rein rechnerisch liegen dem Strandbesucher rund zehn Millionen Quadratmeter cremig-weiße, feinsandige Weitläufigkeit zu Füßen“, schwärmt das für St. Peter-Ording zuständige Amt Eiderstedt auf seiner Homepage.

Das Wahrzeichen der Halbinsel Eiderstedt: Einer der schönsten Leuchttürme überhaupt steht in Westerhever auf einer Warft.
Das Wahrzeichen der Halbinsel Eiderstedt: Einer der schönsten Leuchttürme überhaupt steht in Westerhever auf einer Warft. © imago/Westend61

Apropos Sandbank: Die lässt sich prima zu Fuß über die Seebrücke im Ortsteil Bad erreichen, über Strandwege von Ording aus – oder man fährt mit dem Auto auf den großen Strandparkplatz, was zumindest für die vielen Surfer und Kiter ganz praktisch ist, müssen sie doch ihr schweres Equipment dann nicht ganz so weit zum Wasser schleppen. Kitesurfer, die sich von ihren Lenkdrachen ziehen lassen, Windsurfer, Stand-up-Paddler und Kitebuggy-Fahrer – diese Gefährte sind so etwas wie Seifenkisten mit Drachenschirm – machen das Leben am und auf dem Wasser bunt.

Beeindruckender Panoramablick

„Wer das erste Mal an die Nordseeküste nach St. Peter-Ording kommt, wird von dem Panoramablick vom Deich über den Strand auf die Nordsee direkt begeistert sein“, schwärmt die Tourismuszentrale. Das dürfte stimmen, aber das gilt ebenso für die Aussage, dass die Nordsee hier regelmäßig zeigt, wie viel Kraft in ihr steckt. Wenn die Wellen bei Sturm mit Wucht an den Strand schlagen, kann es ziemlich ruppig werden.

Doch Strand und Meer allein machen noch keinen Hotspot aus. Gemeinde und Tourismuszentrale arbeiten deshalb seit rund 15 Jahren daran, St. Peter touristisch voranzubringen. Das sah um die Jahrtausendwende noch ganz anders aus. Diverse Gesundheitsreformen hatten dem Kurbetrieb massiv zugesetzt, etliche Lokale und Hotels wirkten ähnlich in die Jahre gekommen wie viele der Stammgäste.

Drei Tipps:

  • Das Eidersperrwerk gilt als Jahrhundertbauwerk. 1973 eingeweiht, gibt es fünf Stahltore von je 40 Metern Länge, die bei Sturmfluten geschlossen werden.
  • Der Westerhever Leuchtturm von 1908 kann nur zu Fuß oder mit dem Rad erreicht werden. In den beiden ehemaligen Wärterhäuschen am Sockel ist eine Naturschutzstation. Es gibt geführte Besichtigungen.
  • Der unter Denkmalschutz stehende Hochdorfer Garten in Tating stammt aus der Zeit des Barocks. Eine Stiftung kümmert sich um den Erhalt. Im ehemaligen Sommerhäuschen ist mit dem Schweizerhaus ein zauberhaftes Café und Restaurant mit tollem Garten.

Und was machte die Gemeinde? Sie investierte. In Bad – zu St. Peter gehören von Nord nach Süd die Ortsteile Ording, Bad, Dorf und Böhl – ließ die Gemeinde die Seebrücke umgestalten und die Strandpromenade neu anlegen. Die Dünentherme wurde modernisiert und ausgebaut. In dieser Eins-a-Lage machte Gosch eine Vorzeigefiliale auf, gleich nebenan entstand das Strandgut, ein neues Designhotel mit 100 Betten. Eta­blierte Hotels wie das Ambassador oder das Kubatzki wurden aufwendig umgestaltet, weitere neue Häuser wie das Beach Motel und die Zweite Heimat kamen hinzu. Die Gastronomie entdeckte eine Frische-Küche mit Gerichten abseits von Bratkartoffeln mit Fischfilet oder Schnitzel „Wiener Art“.

Zahl der Übernachtungsgäste hat sich verdoppelt

Die Erfolge waren immens: Die Zahl der Übernachtungsgäste verdoppelte sich auf mehr als 422.000 im Jahr 2019. Vor Corona zählte man jährlich rund 2,6 Millionen Übernachtungen, rund 2500 Menschen hatten im Tourismus Arbeit. Auf 4000 Einwohner kommen heute rund 4200 Zweitwohnungsbesitzer, rund 550.000 Tagesgäste und etwa 17.000 Betten in Hotels, Pensionen und vor allem Ferienwohnungen. Aktuell entsteht gerade die „Erlebnis-Promenade II“ mit Spielbereichen für Kinder, Skaterpark, Ruhezonen und Aussichtsplattformen.

Darüber hinaus sind die Möglichkeiten, etwas zu unternehmen, vor allem aus der Perspektive des Städters eher begrenzt. Die Entscheidungen, die man hier treffen muss, haben so gar nichts mit denen zu Hause zu tun: Ziehe ich das blaue Hemd an oder das grüne Polo? Flipflops oder Turnschuhe? Gehen wir an den Strand, oder machen wir eine Radtour? Alternativ bei schlechtem Wetter: Wollen wir saunen in der Dünentherme (wenn sie wieder öffnet) oder besuchen wir das Schutzzentrum Wattenmeer? Kochen wir oder essen wir im Restaurant zu Abend? Vielleicht ist es an anderen Urlaubsorten abseits der Städte auch so – aber für mich ist es nirgends so schön und so erholsam wie hier.

Bei schönem Wetter endlich wieder geöffnet: die Strandbar 54 Grad Nord auf einem der charakteristischen Stelzenbauten. Es gibt fünf Pfahlbaurestaurants am Strand.
Bei schönem Wetter endlich wieder geöffnet: die Strandbar 54 Grad Nord auf einem der charakteristischen Stelzenbauten. Es gibt fünf Pfahlbaurestaurants am Strand. © Stephan Steinlein | Stephan Steinlein

„Urlaub, so weit das Auge reicht.“ Der Slogan trifft zu. Egal, ob am Strand von Böhl, Dorf, Bad oder Ording: Irgendwann landet der Blick dann doch auf einem der Wahrzeichen St. Peters – einem Pfahlbau. Hölzerne Restaurants, Strandbars, Cafés, die auf gigantischen Stelzen ruhen. Mit „Genuss sieben Meter über dem Alltag“ wirbt beispielsweise die Strandhütte für sich. Die Vorstellung, nach den Lockerungen jetzt wieder in Lokalen wie der Seekiste sitzen, Fisch oder Lamm essen oder einfach nur den Sonnenuntergang auf der Terrasse bei einem Glas Wein genießen zu können, macht schon beim Schreiben im Homeoffice gute Laune.

Fantastische Luft und ein weiter Blick

Solche Pfahlbauten gibt’s übrigens nur hier – und das schon seit mehr als 100 Jahren. Der Weg vom Strand zurück ins Dorf war einfach zu weit, nur um ein paar Getränke einzukaufen. So entstand 1911 die erste „Giftbude“ auf Stelzen. Die hieß so, weil es hier was gibt, „wat geev“.

Geht es mal nicht an den Strand, bietet sich eine Radtour an, etwa am Fuß des Deichs. Man fährt von Böhl aus am Golfclub vorbei und am Wasser entlang – wenn es denn gerade mal da ist – in Richtung Eidersperrwerk. Ein Weg ist rund 15 Kilometer lang und führt mitten durchs Weideland. Damit die Schafe nicht ausbüxen, sind Gatter montiert, die auch Radler kurz bremsen. Wer freundlich ist, hält bei Gegenverkehr dem anderen das Törchen auf. Ein kleiner Abstecher zur historischen „Schankwirtschaft Andresen“ (Motto: „Ein denkmalgeschützter Genuss“) in Katingsiel, schon geht’s wieder zurück. Und wieder haben Sie eine schwere Entscheidung zu treffen: ob Sie die Strecke am Deich nehmen oder die „über Land“. Genauso toll ist übrigens die etwa gleich lange Tour über Ording zu Deutschlands schönstem Leuchtturm in Westerhever. Probieren Sie in der Nach-Corona-Zeit hier mal einen Lamm-Burger bei Schäfer Hinz.

So kommen Sie nach St. Peter-Ording:

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  • Mit dem Wagen nehmen Sie die A 23, fahren in Heide-West ab, halten sich Richtung Eidersperrwerk, dann weiter nach St. Peter-Ording. Alternativ können Sie in Heide-West Richtung Tönning und dann nach St. Peter fahren. Die rund 130 Kilometer lange Fahrt dauert etwa 90 Minuten.
  • Mit der Bahn sind Sie über Elmshorn und Husum rund drei Stunden unterwegs. In St. Peter fahren Busse.
  • Büros der Tourismuszentrale finden Sie in den Ortsteilen Bad und Dorf. Sie sind telefonisch erreichbar unter 04863/99 90 und unter st-peter-ording.de.

Die fantastische Luft, der weite Blick, die intakte Natur, der nie enden wollende Strand, die ökologische Vielfalt von Salzwiesen und Wattenmeer: Sollte es noch eines Grundes bedürfen, St. Peter für sich zu entdecken, dann ist es die Ruhe. Was Städter zunehmend stört? Dass es nie still wird. Und das ist in St. Peter ganz anders. Selbst im Sommer, wenn alle Gästebetten belegt sind, wirkt es, als lege jemand abends den Schalter um in den Gutenachtmodus. Heißt: Wer Nachtleben sucht, ist hier verkehrt. Einen Cocktail auf der neuen Terrasse des Strandgut Resorts, ein Wein bei Gosch, ein Craft-Bier in einem Strandkorb der Insel – na klar, gern. Aber die Nacht durchtanzen? Nicht in St. Peter.

Ein Tipp für die Zeit, wenn sich das Leben normalisiert: Gehen Sie mal wieder ins Kino: Das Nordlicht hat so gar nichts gemein mit modernen, riesigen Multiplexen. 102 Sitze, kleine Tischlein mit Lämpchen und Klingel für den Service – das wirkt alles ein bisschen wie aus der Zeit gefallen. Schön, dass St. Peter auch solche Orte noch hat.

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