Husum. Die schönsten Urlaubsorte an Nord- und Ostsee. Teil 12 der Serie. Die Nähe zu Marsch, Geest, Watt und Meer prägen den Charme Husums.

Die Nordfriesen, das weiß an der Küste jedes Kind, sind ganz weit oben. Als in Hamburg bei der Begrüßung noch kompliziert nach Tageszeiten unterschieden wurde, pflegte man in Husum längst „Moin!“ zu sagen – praktisch rund um die Uhr. Abzugucken gäbe es viel mehr. Statt sich selbstgefällig als angeblich „schönste Stadt der Welt“ zu bezeichnen, nennen die Nordlichter an der Husumer Bucht ihren Ort mit gerade mal 24.000 Einwohnern augenzwinkernd „Metropölchen“. Dafür hat die Hafenstadt eine Menge Erstaunliches zu bieten. Ohne Schnack: Stadt, Land, Watt gibt es in dieser konzentrierten Komposition nirgendwo sonst. Wer Husum noch nicht kennt, sollte sich auf den Weg machen.

Doch bevor wir zu früh ins Schwärmen geraten, gönnen wir uns eine Siesta norddeutscher Art: An der Fischbude ein Krabbenbrötchen auf die Hand geben lassen, auf einer Bank am Binnenhafen Anker werfen, genüsslich Fofftein machen. Sanft plätschert das Wasser im Rhythmus der Gezeiten. Es lässt die „Nordertor“, das Restaurantschiff am Kai, sachte schaukeln. Du guckst umher und fragst dich, worauf sich Husums Ruf als „graue Stadt am Meer“ bezieht? Zumindest seit der vor gut zwei Jahrhunderten hier geborene Lyriker Theodor Storm ein Gedicht verfasste, das sogar Kulturbanausen kennen. Lag’s an den seinerzeit rußigen Heizöfen oder an nebulöser Novemberwitterung? Heutzutage würde der Rechtsanwalt fraglos zu einem anderen Urteil kommen. Denn Husum ist richtig schön bunt.

Husum führt ein facettenreiches Eigenleben

Vielfalt wird gepflegt, gewürzt mit einer belebenden Prise Dänemark. Im Gegensatz zu mancher anderen Ferien­region führt die „bunte Stadt am Meer“ ein facettenreiches Eigenleben. Das unterscheidet die Hafenstadt angenehm von Touristenorten des nördlichsten Bundeslandes in der Zeit nach Corona umso mehr. Die Einkaufswelt im Areal zwischen Schloss, Marktplatz, Schifffahrtsmuseum und Deichstraße bietet inhabergeführte Fachgeschäfte und reichlich Raum zum Stöbern und Flanieren. Kundschaft kommt auch von weither.

Im Schloss vor Husum gibt es ein Museum und ein Café.
Im Schloss vor Husum gibt es ein Museum und ein Café. © picture alliance

Vom Bahnhof, nicht gerade ein Schmuckstück, sind es wenige Fußminuten in den Stadtkern. Ruckzuck mittenmang. Ein Bummel über Damm und Zingel, durch die Hafenstraße, weiter via Wasserreihe, Hohle Gasse und Großstraße bis zum Markt und zur Stadtkirche St. Marien beschert einen prima Überblick.

Fassaden und Giebel sind zumeist hübsch gestaltet. Vom Bombenhagel des Weltkrieges blieb Husum weitgehend verschont. Kuschelig ist es hier, kleinkariert keinesfalls. Irgendwie passt es ins Bild, dass die berühmte Novelle „Pole Poppenspäler“ gleichfalls aus Theodor Storms Feder stammt. Übrigens ist das Storm-Haus an der Wasserreihe 31–35 einen Besuch wert. Im Poetenstübchen kann die Fantasie auf Reisen gehen. Sehenswert sind auch ein Garten mit Hof, ein Waschhaus sowie eine alte Pumpe.

Einziges Schloss an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins

Auch das Schloss „vor“ Husum, das einzige an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins, befindet sich im Zentrum. Wer im Frühjahr zur Krokusblüte kommt, kann sich über ein Meer aus Millionen violetter Blüten freuen. Eine Krokus­königin gibt es nicht, wohl aber eine „Krokusblütenmajestät“. Ähnlich erstaunlich sind – in coronafreien Zeiten – ein spektakuläres Tauziehen über ein Hafenbecken hinweg, Taucherclubs, ein Service-Kino traditioneller Schule, das Torhaus an der Schlossstraße.

Drei Tipps:

  • Mittenmang an Bord: Das weiß-blau getünchte Restaurantschiff „Nordertor“ am Binnen­hafen ist für seinen urigen Charme, nordische Tapas und ein opulentes Frühstück bekannt. MS „Nordertor“, Hafenstraße, Infos unter www.ms-nordertor.de
  • Das Storm-Zentrum besteht aus einem Museum, einem Archiv, einem Garten und einem kleinen Hof – mit Kopfsteinpflaster. Das Haus, in das der Dichter und Jurist Theodor Storm mit seiner Familie 1866 einzog, ist ein typisches Husumer Kaufmannshaus mit historischer Fassade, Wasserreihe 31–35, www.storm-gesellschaft.de
  • Das Künstlercafé im Zentrum ist ein traumhafter Ort, um Klönschnack oder innere Einkehr zu halten. Die Kuchen sind nach traditioneller Konditorkunst hergestellt­, Neustadt 15, Infos unter www.künstlercafehusum.de

Gute Tipps parat haben Jutta Albert, Geschäftsführerin der Tourismus und Stadtmarketing Gesellschaft, sowie ihre Mitarbeiterin Lena Pukropski. Mehr als 300.000 offiziell registrierte Übernachtungsgäste pro Jahr und mehrere Millionen Tagesbesucher sorgen in normalen Jahren für das passende Maß an Betrieb: nicht zu viel Remmidemmi, keine verschlafene Stille. Bei einer Tasse Kaffee im wunderbar restaurierten alten Rathaus am Markt werden Fakten satt serviert. An dieser Stelle passt die Empfehlung für ein liebevoll gestaltetes und bebildertes Büchlein der örtlichen Druck- und Verlagsgesellschaft: „Kleines Husum-Abc“ für 9,95 Euro.

Husumer Lokalpatriotismus

Autor Thomas Steensen, früher Direktor des Nordfriisk Instituuts und Professor an der Europa-Universität in Flensburg, schildert kurz und knapp Wissenswertes für Neueinsteiger. Stichworte sind unter anderem Herzöginnen, Sturmfluten, das heimliche Wahrzeichen „Tine“, der Tonnenleger „Hildegard“, sieben Museen und ein das Jahr über geöffnete­ Weihnachtshaus am Westerende 46.

Wer weiß schon, was „Husumerei“ ist? Gemeint ist die einst vom Schriftsteller Theodor Fontane erdachte Formulierung für den angeblich stark ausgeprägten Husumer Lokalpatriotismus. Damit wollte er seinen Kollegen und Seelenverwandten Theodor Storm foppen. Nach diesem Intermezzo führt die Spurensuche hinaus aus der Innenstadt. Denn die örtliche Nähe von Stadt, Marsch, Geest, Watt und Meer prägen Charme und Charakter eines Kleinods vom Feinsten. Das Wattenmeer praktisch vor Husums Haustür, ein offizielles Unesco­-Weltnaturerbe und zudem der größte Nationalpark zwischen Nordkap und Sizilien, ist ein einmaliger Pluspunkt.

Durch ein Meer von Krokussen schiebt eine Besucherin des Husumer Schlossparks ihr Fahrrad.
Durch ein Meer von Krokussen schiebt eine Besucherin des Husumer Schlossparks ihr Fahrrad. © picture-alliance

Der Spaziergang bis zum Dockkoog tut nicht nur wegen der frischen Nordseebrise gut. Hier wird in allen möglichen Betrieben handfest gearbeitet – und nicht nur optische Kosmetik für Touristen inszeniert. Die Landspitze inklusive Badestelle offeriert Natur pur. Eigene Erkenntnis: Stehst du oben auf dem Deich und blickst aufs Watt, kannst du dich wie ein kleiner König von Nordfriesland fühlen. Und wenn dich dann – nach Corona – unten an der orangefarbenen „Mitfahrbank“ ein hilfsbereiter Autofahrer zur Rückfahrt ins Stadtzen­trum einlädt, ist dieser Tag definitiv dein Freund. Aktivere Zeitgenossen wandern weiter nördlich Richtung Schobüll, einem entzückenden Stadtteil am Wasser mit reetgedeckten Friesenhäusern, einem deichfreien Ufer, sattgrünen Wiesen, Pferdekoppeln und einer sanften Steigung. Von der Innenstadt verkehren auch Busse. Der Blick ist wirklich ein Traum.

So kommen Sie nach Husum:

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  • Mit dem Auto: Von Hamburg sind es via Autobahn 23 etwa 100 Kilometer bis Heide, anschließend 35 Kilometer über die Bundes­straße.
  • Mit dem Zug: Entspannter ist eine Zugfahrt mit der Regionalbahn. In eindreiviertel Stunden geht es ohne Umsteigen von Altona nach Husum. Mit dem Schleswig-Holstein-Ticket ist man günstig und unkompliziert dabei (ab 29 Euro).
  • Beim Husum-Tourismus findet man Wissenswertes für den Urlaub, über Veranstaltungen und Freizeitangebote. husum-tourismus.de

Nach Nordstrand, Pellworm, Langeneß und Föhr ist es nicht weit. Südlich an der Küste befinden sich St. Peter-Ording und Büsum, nördlich Dagebüll sowie Dänemarks Grenze. Doch warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah.

Nach einer Stippvisite im Nationalpark-Haus am Binnenhafen meldet sich die innere Stimme zu Wort. Nur zu gerne wird ihr nachgegeben: „Noch eines dieser leckeren Krabbenbrötchen, bitte.“ Anlass, an der Waterkant noch ein bisschen die Beine baumeln zu lassen – und die Seele ebenso. Geht selten hierzulande so vortrefflich wie in Husum.

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