Föhr. Die schönsten Urlaubsorte an Nord- und Ostsee – Teil 8. Wo der Status keine Rolle spielt und Camper noch willkommen sind.

Schon die Anreise nach Föhr ist der Startschuss für den Urlaub, das Signal zum Abschalten und Loslassen. Diese rund 45-minütige Überfahrt mit Fähren, die so nordisch-exotische Namen wie „Runghild“, „Uthlande“ oder schlicht „Schleswig-Holstein“ tragen, markiert die Grenze zwischen dem, was war, und dem, was kommen wird. Vorfreude! Hamburg? Ach ja, da war ja was. Was eigentlich außer Hektik, Verkehr und Lärm?

Die Liebe zu Föhr begann im Juni vor zwölf Jahren. Mit dem Camper ging es damals mit Kleinkind und sechs Wochen altem Säugling zum ersten Mal auf die Insel. Es war ein verregneter Juni, und wir grillten trotzdem unter Plastikplanen in Strandnähe, das Kind fand am Strand von Nieblum sein Bullerbü, konnte es doch den ganzen Tag nahezu unbeaufsichtigt bei Ebbe am Strand herumlaufen. Und abends gab es für die Urlauberkinder vor dem Veranstaltungszentrum in der Inselhauptstadt Wyk eine Gutenachtgeschichte.

Die Leute sind meistens entspannt

Am Strand hingegen braucht kein Mensch Kinderanimation. Wird danach gefragt, lachen manche Einheimischen nur. Eine Slackline zum Balancieren, das Beachvolleyballfeld und jede Menge Platz am Strand reichen völlig. Gefahren? Nicht doch. Höchstens eine Scherbe im Sand. Wer eine findet, darf damit auch heute noch zu Christa Hückstädt von der Niemblumer Wassersportschule und sich ein Gummibärchen abholen. Christa und Holger Hückstädt eröffneten 1977 am Strand von Nieblum ihre Windsurfschule als eine der Ersten in Deutschland. Inzwischen hat Sohn Dirk die Wind- und Wassersportschule übernommen.

Zu Beginn unserer Beziehung zeigte sich Föhr besonders lässig. Mit dem Camper standen wir direkt auf einem Parkplatz am Strand in Goting. Die Männer von der Gemeinde stellten damals noch das Wasser in den öffentlichen Duschen extra für uns warm. Das ist längst vorbei. Die Brausen sind abgebaut, und seit es einen Wohnmobilstellplatz in Utersum gibt, sollte man das Übernachten auf einem Parkplatz nicht ausreizen.

Drei Tipps:

  • Restaurant Hennigs in Utersum: norddeutsche Küche, maritim, unaufgeregt und freundlich. Hier gibt’s nicht nur Fisch, sondern auch Steaks. Geöffnet von 17.30 Uhr bis 20.30 Uhr, Sonnabend, Sonntag und an Feiertagen von 12 bis 13.30 Uhr, mittwochs Ruhetag. Hotel Waastwinj & Restaurant Hennigs, Jaardenhuug 2, Utersum. www.waastwinj.de
  • Nicht nur bei miesem Wetter lohnt sich ein Besuch des Museums Kunst der Westküste in Alkersum, Hauptstraße 1 in Alkersum. Infos und Öffnungszeiten unter www.mkdw.de. Eintritt: 10 Euro, Kinder bis 18 Jahren frei.
  • Ein Klassiker ist das Kerzenziehen in der Kerzenscheune in Nieblum. Kinder können das prima allein machen. Nebenan im Café gibt’s Kuchen für die Eltern. Infos unter www.hof-pergande.de

Dennoch ist das bezeichnend für Föhr: Die Leute sind meist entspannt. So jedenfalls unsere Erfahrung, und das ist ein großer Unterschied zur spießigeren Ostsee. Auf Fehmarn oder in Heiligenhafen halten sich Ordnungshüter streng an ihre Vorgaben und Paragrafen. Mal ein Auge zudrücken? Ist nicht, wissen wir aus leidvoller Erfahrung.

Föhrcup fiel zum Jubiläum in diesem Jahr coronabedingt aus

Schafe am Deich von Dunsum: Die Tiere sind Küstenschützer.
Schafe am Deich von Dunsum: Die Tiere sind Küstenschützer. © picture alliance / Klaus Nowottn | dpa Picture-Alliance / Klaus Nowottnick

Seit damals fahren wir mindestens einmal im Jahr auf die Insel. Immer über Himmelfahrt zum Föhrcup, dem Windsurf-, Kite- und Katamaranwettbewerb im kleinen, familiären Maßstab, typisch Föhr eben. Der Föhrcup fiel ausgerechnet zum 40. Jubiläum in diesem Jahr coronabedingt aus. Groß und angeberisch, das kann Sylt besser. Föhr ist zum Sehnsuchtsort geworden. Wir haben hier etliche wunderbare Urlaube verbracht mit Sonnenuntergängen am Strand, mit grillen und chillen, mit Kindern, die mit dreckigen Füßen spät­abends ins Bett fielen.

Mit Ausritten durchs Watt – Pferdeinsel eben. Föhr ist weniger überlaufen als die Orte an der Ostsee, unspektakulärer als Sylt. Auf den Weiden grasen Kühe, auf den Deichen gibt es Schafe. Ländliche Idylle am Meer. Auf der 82 Quadratkilometer großen nordfriesischen Insel, zwischen den Schwestern Sylt und Amrum gelegen, ist Entspannung garantiert.

Die geografische Lage passt auch zum Charakter Föhrs: Die Insel ist mittendrin, das Sandwichkind sozusagen, das vielleicht weniger Beachtung findet als Sylt im Nordwesten und Amrum im Südwesten. Ist auch besser so. Als Föhr-Fan möchte man das Augenmerk gar nicht so sehr auf diesen Geheimtipp lenken.

Viele Hamburger haben auf Föhr eine Ferienwohnung

Rund 210.000 Menschen übernachten in normalen Jahren auf der Insel. Was Stammurlauber am meisten fürchten, ist, dass zu viele auf den Geschmack kommen und der Insel eine Schickimickisierung droht. Bloß nicht! Und doch besitzen auch hier längst viele Hamburger Ferienwohnungen, genauer: 1745 Menschen haben hier einen weiteren Wohnsitz, 8339 Menschen ihren ersten. Und außerhalb der Saison stehen viele Häuser leer, die als Ferienwohnungen vermietet werden. Als Föhr-Freund, der es sich finanziell nicht leisten kann, ist man ein wenig neidisch auf die, die hier ihren zweiten Wohnsitz haben.

Ein Besuch des Wellenbades oder der heruntergekommenen Sauna im Aquaföhr gehört zu jedem Aufenthalt auf der Insel dazu. Für uns ist die olle Sauna Kult. Hauptsache warm. Immerhin: Es tut sich was. Neben dem Aquaföhr soll ein neues Schwimmbad und Thalassozentrum gebaut werden, und wenn das steht, wird das jetzige abgerissen und dort durch ein Hotel ersetzt. Es kann sich nur noch um Jahre handeln.

Im Herbst 2018 hat mit dem Upstalsboom das erste Wellnessresort am Südstrand eröffnet. „Das ist eine wahre Bereicherung“, sagt Jochen Gemeinhardt, Geschäftsführer bei Föhr Tourismus. Hier wie anderswo an der Küste setzen die Touristiker auf weitere Hotels. Denn längst wollen die Urlauber nicht unbedingt immer eine Woche im Ferienhaus verbringen, sondern auch nur zwei, drei Tage in einem Hotel, Wellness inklusive. Ein weiteres neues Hotel ist an der Westkaje des Wyker Hafens vorgesehen.

Anreise und Informationen:

  • Mit dem Auto über die A 23 und B 5 bis Dagebüll und von dort mit der Fähre der WDR. Das Auto kann am Hafen länger geparkt oder mit auf die Insel genommen werden. Tickets sind erhältlich bei der Wyker Dampfschiffsreederei unter www.faehre.de.
  • Kosten: Die Preise variieren. Ein drei Meter langes Auto kostet um die 68 Euro hin und zurück. Eine einfache Fahrt von Dagebüll nach Wyk/Föhr kostet 9 Euro, Kinder sechs bis 14 Jahren 7,20 Euro.
  • Entfernung: 204 km.
  • Mit der Bahn von Hamburg-Altona bis Niebüll und von dort nach Dagebüll. Dauer: um die vier Stunden.

Föhr wird auch als „friesische Karibik“ bezeichnet

Föhr-Freunde werden einwenden: Wozu Wellnesshotels, wenn der breite Sandstrand von Wyk bis hoch nach Utersum vor der Tür ist, man im weitläufigen Watt die 14 Kilometer von Föhr nach Amrum gehen oder am Strand sitzen und den ganzen Tag aufs Wasser oder Watt starren kann, ohne dass es langweilig wird? Runterkommen, das geht hier im Sand besonders gut, auch für die, die sonst Hummeln im Hintern haben.

„Friesische Karibik“ nennen die Marketingleute vom Tourismus die Insel. Manchmal, wenn man im Mai immer noch dick eingemummelt die Winterjacke trägt, fragt man sich, warum. Und dann reißt der Himmel auf, wird blau, die Sonne scheint, und vor einem liegt diese unendlich scheinende Weite des Wattenmeeres. In der Ferne glitzert das Meer, und dann denkt man sich an heißen Tagen: Warum in die Karibik fliegen, wenn man das Paradies vor der Tür hat? Warum Südsee, wenn man ein erfrischendes Bad im Priel nehmen kann? Was Föhr so einmalig macht: Egal, ob Arzt, Journalist, Hamburger Senator oder Staatsrat– das alles interessiert nicht. Am Strand im Sand sind alle gleich. Hier verschwimmen die Gesellschaftsgrenzen, Alter und Beruf sind egal. In Badeshorts sehen eh alle gleich aus.

Föhr hat elf knuffige Dörfer

Wyk auf Föhr: Hier kann man genauso gut shoppen wie in Eimsbüttel oder Eppendorf.
Wyk auf Föhr: Hier kann man genauso gut shoppen wie in Eimsbüttel oder Eppendorf. © picture alliance / Bildagentur-o | dpa Picture-Alliance / Bildagentur-online/Frank Exss

Kommt es sonst auf Äußerlichkeiten an, auf Statussymbole: Im Sand verlieren diese Dinge an Bedeutung. Das Leben ist einfach nur schön. Die Sandkörner zwischen den nackten Zehen, die Sonne im Gesicht, ein gutes Buch in der Hand, lassen wir uns treiben. An unserem Lieblingsort, der Surfstation in Nieblum, sitzen wir alle an dem großen Holztisch bei Bier, Limo oder Kaffee, die Kinder beim Eis: Die, die hier schon seit Jahren hinfahren, und die, die neu dazukommen. Wegen Corona darf derzeit dort niemand sitzen, die Getränke müssen am Strand getrunken werden.

Wer Action braucht, bekommt sie: Windsurfen, Kiten, Katamaransegeln, Stand-up-Paddling – das alles ist an mehreren Stationen auf der Insel möglich. Fahrradfahren sowieso, gern auch mit dem Elektrorad, dann stört der Gegenwind weniger. Was die grüne Insel Föhr ausmacht, sind die elf knuffigen Dörfer. Mehr als 200 Kilometer Radwege sowie fünf Themenrouten laden zur Entdeckungsreise ein.

Nur das Wetter spielt manchmal verrückt: Regen, Sturm, Kälte. Nichts für Weich­eier. Und weil ich eins bin, geht’s im Sommer auch mal in den Süden. Sorry, Föhr. Aber im Frühjahr oder im Herbst sehen wir uns auf jeden Fall!

doc7aki25vih843fdib7e3_MASTER.jpg

„Nord? Ost? See!“ Das neue Abendblatt-Magazin zum Urlaub an Nord- und Ostsee gibt es in der Geschäftsstelle, unter www.abendblatt.de/magazine sowie unter Telefon 040/ 333 66 999. Preis: 9 Euro, Treuepreis: 7 Euro (zzgl. Versandkosten)