Kiel. Am Donnerstagmorgen sind in Schleswig-Holstein fünf Objekte durchsucht worden. Was sich die Behörden davon versprechen.
Nach dem ersten bundesweiten Verbot einer Reichsbürger-Gruppierung durch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sind in Schleswig-Holstein am Donnerstagmorgen fünf Objekte durchsucht worden. Sie seien zwei Personen aus den Kreisen Segeberg und Steinburg zuzuordnen, sagte Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) in Kiel. Er hatte die Durchsuchungen zuvor beim Verwaltungsgericht Schleswig beantragt. Mit dem Verein „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ wurde auch dessen Teilorganisation „Osnabrücker Landmark“ verboten. In Niedersachsen habe die Polizei das Haus eines Reichsbürgers in Friedland-Mollenfelde (Landkreis Göttingen) durchsucht, sagte eine Sprecherin. Der Mann soll Mitglied des Vereins sein.
Der Verein wird der extremistischen Reichsbürgerbewegung zugerechnet. „Seine Ideologie ist dabei besonders durch Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus geprägt“, erläuterte das Kieler Innenministerium. So sollen insbesondere das Wahlrecht und das Recht, Eigentum an Grund und Boden zu besitzen oder zu erwerben, von der Zugehörigkeit zum „Volk der Germanen“ abhängig sein. Der Holocaust werde geleugnet, diesbezügliche Denkmäler und Hinweisschilder sollten nach dem Willen des verbotenen Vereins entfernt werden.
Reichsbürger: Durchsuchungen in zehn Bundesländern
Nach dpa-Informationen gab es in zehn Ländern Durchsuchungen - neben Schleswig-Holstein auch in Brandenburg, Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen.
„Mit dem heutigen Vereinsverbot setzen die Innenminister ein weiteres deutliches Signal im Kampf gegen den Extremismus“, sagte Grote. „Unser Rechtsstaat geht auch in Zeiten der Corona-Krise konsequent gegen Verfassungsfeinde vor.“ Bund und die beteiligten Länder hätten sich eng abgestimmt. „Es geht uns darum, heute das Vereinsvermögen einzuziehen, um so die Vereinigung an der Weiterverfolgung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele zu hindern.“
Verein seit Ende 2016 bundesweit aktiv
Darüber hinaus sollten laut Grote Beweismittel sichergestellt werden, mit denen die verfassungswidrige Zielsetzung des Vereins, seine Strafgesetzwidrigkeit sowie die aggressiv-kämpferische Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung belegt werden könnten. Über Ergebnisse der Durchsuchungen im Norden gab es zunächst keine Angaben.
Der verbotene Verein ist nach Angaben der Behörden seit Ende 2016 bundesweit mit mehr als 100 Mitgliedern aktiv. Seine Mitglieder sprechen laut Grote der Bundesrepublik die Legitimität ab und wollen basierend auf dem „Bodenrecht von 1914“ einen „Naturstaat“ errichten. Der Verein werde der extremistischen Reichsbürgerbewegung unter anderem deshalb zugeordnet, weil er die Legitimität der staatlichen Institutionen und der Rechtsordnung der Bundesrepublik leugne.
Bundesweit rund 19.000 Mitglieder der Szene
Das Bundesinnenministerium betonte, in den vergangenen Jahren sei die Gruppierung auch durch „verbalaggressive Schreiben“ aufgefallen. Darin sei den Adressaten „Inhaftierung“ und „Sippenhaft“ angedroht worden. Das „Höchste Gericht“ der Gruppe drohte Regierungsmitgliedern mit Klagen wegen der „Zersetzung hoheitlicher Staatlichkeit“. Bundesweit soll es laut Verfassungsschutz rund 19.000 Mitglieder dieser Szene geben, deren Mitglieder als waffenaffin gelten.
Schwerpunkt der Aktionen der Kleingruppe „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ war zuletzt Berlin. So versuchte beispielsweise 2017 eine Handvoll Anhänger, das Rathaus im Bezirk Zehlendorf zu „übernehmen“. Im Brustton der Überzeugung verlangten sie die Herausgabe eines Schlüssels, bevor die Polizei schließlich die Aktion beendete.
Bereits 2019 mehrere Verbotsverfügungen angekündigt
Nach Angaben der Polizei setzten sich ihre Mitglieder zudem mit Vehemenz und Drohungen für eine vorzeitige Haftentlassung des wegen Volksverhetzung verurteilten todkranken Holocaust-Leugners Horst Mahler ein. Im vergangenen September hatten Polizeibeamte in drei Bundesländern vier Durchsuchungsbeschlüsse gegen Mitglieder der Gruppe vollstreckt.
Seehofer hatte 2019 mehrere Verbotsverfügungen angekündigt. Ende Januar verbot er dann die rechtsextreme Gruppe „Combat 18“. Der Name gilt als Codewort für „Kampftruppe Adolf Hitler“. Mehrere mutmaßliche Mitglieder haben gegen das Verbot gemeinsam Klage eingereicht.