Hamburg/Brunsbüttel. Bundesrechnungshof rügt Verkehrsministerium. Kosten für den Neubau der fünften Schleusenkammer drohen zu explodieren.

Der Neubau der fünften Kammer der Schleuse des Nord-Ostsee-Kanals in Brunsbüttel droht zum Milliardengrab zu werden. Zu diesem Schluss kommt der Bundesrechnungshof in einem Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags, der dem Abendblatt vorliegt.

Nachdem der Haushaltsausschuss das Bundesverkehrsministerium (BMVI) zur Vorlage eines Sachstandsberichts aufgefordert hatte, haben die Gutachter des Bundesrechnungshofes diesen ausgewertet. Sie kommen zu dem Schluss, das Ministerium versuche die Schwierigkeiten beim Bau "zu bagatellisieren". Anders als das BMVI erwartet der Bundesrechnungshof weitere Kostensteigerungen.

Ursprünglich sollte die Schleuse 273 Millionen Euro kosten

Die bei Beginn der Planungen mit ursprünglich 273 Millionen Euro bezifferten Kosten für den Neubau hatten sich zwischenzeitlich bereits auf 540 Millionen Euro verdoppelt. Im Herbst 2018 wurde bekannt, dass das BMVI inzwischen mit Kosten von mehr als 800 Millionen Euro rechnet.

Laut Einschätzung des Bundesrechnungshofes stellt aber auch die aktuelle Ausgabensumme von 830 Millionen Euro nur "einen Zwischenstand dar". Es sei nicht auszuschließen, dass die "Gesamtausgaben die Milliardengrenze erreichen werden". Konkret heißt es in der Bewertung: "Der Bundesrechnungshof verkennt nicht, dass es sich beim Bau der 5. Schleusenkammer um ein anspruchsvolles Bauprojekt handelt. Umso wichtiger wären eine sorgfältige Vorbereitung und ein funktionierendes Risikomanagement gewesen. Die Stellungnahme des BMVI überzeugt nicht."

Abschließend empfiehlt der Bericht, die verstärkte parlamentarische Kontrolle des Großprojektes fortzuführen.

Inbetriebnahme der Schleusenkammer nicht vor 2024

Das BMVI rechnet mit einer Freigabe der neu gebauten Schleusenkammer im Jahr 2024. Ursprünglich war eine Eröffnung im Jahr 2020 geplant. Dieser Zeitplan stellte sich schnell als nicht haltbar heraus, so dass das Ministerium in Bezug auf 2024 von einer Verzögerung von rund zwei Jahren spricht.

Ob der Bundesrechnungshof diesen Termin für realistisch hält, geht aus dem Bericht nicht direkt hervor.

Rüdiger Kruse: Nord-Ostsee-Kanal "steht und fällt mit den Schleusen"

Rüdiger Kruse, Hamburger CDU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Haushalts- und Rechnungsprüfungsausschusses, nennt die Verzögerungen und Kostensteigerungen auf Abendblatt-Anfrage "mehr als ärgerlich". Ein voll funktionsfähiger Nord-Ostsee-Kanal "steht und fällt mit den Schleusen".

Kruse weiter: "Ich begrüße sehr den detaillierten Bericht des Verkehrsministeriums, zusammen mit dem Bericht des Rechnungshofes erhalten wir einen sehr guten Überblick zum Projekt."

Der Bundestagsabgeordnete Bernd Reuther kritisiert das verantwortliche BMVI: "Das Verkehrsministerium hat die Kosten beim Neubau der fünften Schleusenkammer Brunsbüttel nicht im Griff." Auf Abendblatt-Anfrage vergleicht der FDP-Politiker das Großprojekt mit dem Berliner Flughafen BER: Zustände wie dort müssten durch "intensivere parlamentarische Kontrolle" vermieden werden.