Kiel. Der Zeugin gegenüber sei angedeutet worden, dass die Kadettin seinerzeit erdrosselt wurde. Nun könnte der Fall neu aufgerollt werden.
Im Fall der 2008 ums Leben gekommenen "Gorch Fock"-Kadettin Jenny Böken hat die Staatsanwaltschaft Kiel eine neue Zeugin vernommen. Die staatsanwaltliche Vernehmung habe vor Ostern in Kiel stattgefunden, sagte Oberstaatsanwalt Axel Bieler am Freitag. "Jetzt überprüfen wir die Aussage und werden dann entscheiden, ob das Todesermittlungsverfahren wieder eröffnet wird", sagte Bieler. Zuvor hatte der WDR berichtet.
Die Ermittlungen im Fall Böken waren 2009 eingestellt worden. Zum Inhalt der Zeugenaussage machte Bieler keine Angaben. Die Zeugin sei früher ein Kamerad von Jenny Böken bei der Bundeswehr gewesen. Inzwischen habe die Person ihr Geschlecht geändert.
Wurde Jenny Böken erdrosselt?
Die Todesumstände der 18-Jährigen Jenny Böken, die während einer Ausbildungsfahrt des Segelschulschiffs der Marine in der Nacht zum 4. September 2008 bei einer Wache über Bord ging, sind bis heute nicht eindeutig geklärt. Der Leichnam wurde erst nach elf Tagen aus der Nordsee geborgen. Die Ermittler halten ein Unglück für am wahrscheinlichsten. Die Eltern sehen Hinweise sogar für einen Mord – gestützt auf eine eidesstattliche Aussage des früheren Bundeswehrangehörigen, der jetzt als Zeugin vernommen wurde.
Dem Anwalt der Bökens, Rainer Dietz aus Aachen, zufolge soll ein früherer Kadett – die jetzt vernommene Zeugin – erklärt haben, dass ihn kurz nach dem Auffinden der Leiche mehrere Männer – darunter Marineangehörige – in einer Kaserne besucht hätten. Sie sollen angedeutet haben, dass die junge Frau erdrosselt worden sei.
Eltern werfen Kieler Staatsanwaltschaft Fehler vor
Im September 2018 hatten sich die Eltern an Schleswig-Holsteins Justizministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) gewandt. Über ihren Anwalt Dietz beantragten die Eltern, die Ministerin solle das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein anweisen, statt der Kieler eine andere Staatsanwaltschaft mit der Prüfung des Antrags auf Wiederaufnahme der Ermittlungen zu beauftragen. Die Eltern hatten der Staatsanwaltschaft Fehler, Versäumnisse und Voreingenommenheit vorgehalten. Die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig-Holstein verwarf den Antrag. Die Staatsanwaltschaft Kiel ist weiter zuständig.
Der Vater der Kadettin hatte im September 2018 knapp 140.000 Unterschriften für eine Wiederaufnahme der eingestellten Ermittlungen gesammelt. Insgesamt 14 Aktenordner hatte Uwe Böken Justizministerin Sütterlin-Waack übergeben. "Wir haben nichts davon, dass jetzt irgendwelche Leute für irgendwelche Zeiträume ins Gefängnis gehen oder irgendwelche Köpfe rollen", sagte er damals. Das bringe die Familie nicht weiter. "Aber ich will wissen, wie ist Jenny zu Tode gekommen. Nicht mehr und nicht weniger."