Bargteheide. In Bargteheide am Rande Hamburgs studieren Tiere und Halter komplexe Choreographien ein und trainieren für Wettbewerbe.

Kaspar und Rigoletto schwingen gern die Tanzpfote. Die beiden Pudel-Herren gehen regelmäßig mit ihrem Frauchen Silke Witt zum Dogdance nach Bargteheide. Es ist kein reines Vergnügen. Schließlich wird regelmäßig der Titel eines Europameisters im Dogdance vergeben, und den gibt es nicht für Sponti-Einlagen und bettelnde Hundeblicke. Aber auch harte Arbeit kann Spaß machen. Zumindest, wenn der Einsatz von Herzen kommt.

In der 1000 Quadratmeter großen Hundehalle von Petra Becker am Rande des kleinen Städtchens bei Hamburg schaltet Witt ihren CD-Player ein und es ertönt der „Pudelsong“. „Der schönste Hund im Rudel, das ist und bleibt der Pudel“, schallt es durch die Halle, während die 48-Jährige mit ihren beiden Vierbeinern über den grünen Teppich steppt. Der silberne Kaspar und der rote Rigoletto folgen ihr auf Handzeichen. Sie machen Männchen, legen sich auf den Bauch und rollen sich seitwärts. Dann laufen sie vorwärts und rückwärts zwischen Witts Beinen hindurch. Auch auf zwei Pfoten können sie sich bewegen.

Es gibt noch mehr exotische Disziplinen

Disziplinen wie Agility oder Obedience betrieben. Zum Agility (Beweglichkeit) kommt Karina Lehmann mit Enabell. Das Hündchen ist ein weiß-brauner Papillon - und sehr agil. Lehmanns Gruppe hat einen Parcours aufgebaut. Enabell flitzt mit fliegenden Ohren im Kreis, rennt über eine Laufdeel und eine A-Brücke, springt über vier Hürden, läuft über eine Wippe und saust durch eine Reihe von Slalomstangen.

„Slalom ist das schwerste Instrument. Der Hund muss sich wirklich konzentrieren“, sagt Lehmann. Die 34-Jährige ist selbst außer Atem, denn sie und die anderen Frauchen und Herrchen ihrer Gruppe laufen die Runden mit und rufen den Vierbeinern Kommandos zu. Die Medizinische Fachangestellte ist aber körperlich fit. Dass sie vor zehn Wochen ein Kind zur Welt gebracht hat, würde man nicht glauben, schliefe Sohn Emil nicht friedlich am Rand des Ringes.

Draußen könnten die Hunde sich verletzen

Die Hundehalle bietet Hund und Herrchen nicht nur Schutz vor Regen und Kälte. Draußen wäre die Verletzungsgefahr für die Hunde bei Matsch und Glätte einfach zu groß, sagt Lehmann. Wichtig sei aber auch, die Tiere an Nebengeräusche und die Anwesenheit anderer Vierbeiner und Menschen zu gewöhnen. Bei Turnieren dürften sich die Hunde nicht ablenken lassen und weglaufen, sagt Dogdancerin Claudia Eggers. Ob Pudel, Papillon, Collie oder Dackel - die tierischen Besucher mögen die Halle offenbar. „Die Hunde drehen schon ab, wenn sie aus dem Auto steigen“, hat Becker beobachtet. Sie ist stolz auf ihre Halle, die Ende 2017 die erste dieser Art in Norddeutschland gewesen sei.

Doch was motiviert die Hunde, sich bei den Übungen körperlich und geistig anzustrengen? Bringt die Musik sie zum Tanzen? „Klar!“, meint Pudel-Frauchen Witt. Tatsächlich spielt aber ein anderes Lockmittel eine große Rolle. In kleinen Bröckchen bekommen die Hunde Trockenfutter oder Fleischwurst. „Sie verdienen sich ihr Abendbrot“, sagt Eggers. „Nach jedem Leckerli haben sie Glückshormone.“ Die 54-Jährige ist mit Kesh, einem schwarz-weißen Border Collie, und Stella, einer Irish-Setter-Hündin, zum Dogdance gekommen.

Zum Dogdance kommen eher die Frauchen

Die menschlichen Tanzpartner sind in der Regel Frauen, sagt Becker. „Männer machen das nicht so oft.“ Eggers legt eine CD mit Dancefloor-Musik ein und dreht sich schwungvoll durch den Ring. Kesh und Stella kreisen vorwärts und rückwärts um Frauchens Beine, drehen sich ebenfalls und legen sich auf den Boden, während die 54-Jährige über sie hinwegspringt.

Die Hunde gehorchen ihr aufs Wort: Eggers ruft: „Kesh, Verbeugung!“ - und der Border Collie legt sich auf die Vorderpfoten. Bei „Down!“ legt sich Kesh hin, bei „Turn!“ dreht er sich rechtsrum, bei „Twix!“ linksrum. Diese Distanzarbeit genannten Übungen macht die Grundstücksverwalterin fünfmal pro Woche mit ihren Hunden, auch zu Hause. „Wenn ich eine Stunde nonstop trainiert habe, sind die platt - mit denen brauche ich nicht mehr Gassi gehen“, sagt sie.

Choreographie mit Unterwäsche

„Es ist ein Riesenspaß“, versichert Eggers. Witt stimmt zu: „Dogdance war immer so ein Traum, für den ich früher wegen der Kinder nie Zeit hatte.“ Jetzt müsse sie immer lachen, wenn sie ihre Pudel sehe. Kaspar und Rigoletto hätten den Tick, herumliegende Wäsche einzusammeln und in die Waschmaschine zu werfen. Das sei sehr praktisch, wenn Witt junior mal wieder seine dreckigen Socken nicht weggeräumt habe.

Die Leidenschaft der Pudel nutzt Witt zu einer etwas verruchten Dogdance-Choreografie. Sie verstreut Wäsche auf der Tanzfläche, eine rosa Socke, einen Slip und ein Top sowie eine Zahnbürste. Kaspar springt und läuft auf zwei Beinen, nebenbei räumt er die Sachen in einen Koffer, den Witt ihm beim Tanzen öffnet. Dazu lässt sie ein Lied der Mittelalterband Die Streuner erklingen: „Dem Kläffer wünsch' ich Unglück viel, der mich ins Kloster bringen will.“ Doch Kaspar geht ja viel lieber mit Frauchen in die Hundehalle.