Flensburg. Innenminister würdigt Beamtin, die selbst im Gesicht verletzt wurde und den Messerstecher niederstreckte. Was Fahrgäste tun können.

Die Messerattacke und die tödlichen Schüsse in einem Intercity erschüttern Deutschland. Auch einen Tag nachdem eine Polizistin (22) ihre Dienstpistole zog und den 24 Jahre alten Angreifer im IC 2406 tötete, ist das Motiv des Messerstechers noch unklar. Der Flüchtling aus Eritrea hatte zunächst einen Fahrgast (35) angegriffen und schwer verletzt und anschließend auch die mitreisende Polizistin mit dem Messer attackiert. Die Beamtin wurde von dem Täter ebenfalls schwer verletzt, als sie einschritt.

Wie üblich war die junge Bereitschaftspolizistin aus Bremen in Uniform in dem Zug mitgefahren. Die Deutsche Bahn, aber auch private Unternehmen wie die Metronom Eisenbahngesellschaft, bieten Polizisten in Uniform die kostenfreie Beförderung an – unter anderem, weil sich so das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste erhöht.

Durchsage: Sind Polizisten an Bord?

Dazu gehört, dass die Polizisten dann ihre Dienstwaffe dabei haben. Gegen 19 Uhr, etwa zehn Kilometer bevor der Intercity am Mittwoch in den Bahnhof Flensburg, einfuhr, gab es in Höhe der Gemeinde Tarp eine Lautsprecherdurchsage: Der Fahrdienstleiter des Intercity fragte die Fahrgäste, ob sich Polizisten an Bord des Zuges befinden, um bei einem Streit einzugreifen.

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Was dann exakt passierte, ist noch Gegenstand der Ermittlungen. Nach ersten internen Meldungen der Polizei war der Afrikaner sofort auf die Polizistin losgegangen. Dabei erlitt die Frau eine Stichverletzung im Gesicht. Sie konnte noch ihre Dienstwaffe ziehen und den Angreifer niederschießen. Der Mann starb noch am Tatort.

Flüchtling hatte Schutzstatus

Die Polizistin und auch der andere verletzte Fahrgast kamen ins Krankenhaus. Für beide besteht keine Lebensgefahr. Bei dem erschossenen Mann handelt es sich um einen Flüchtling, der 2015 über Österreich nach Deutschland gekommen war und hier einen Schutzstatus, verbunden mit einer Aufenthaltserlaubnis bis zunächst 2019 erhielt.

Untergebracht war der Flüchtling in Nordrhein-Westfalen. Wohin er wollte, ist unklar. Ebenso wurde zunächst nicht bekannt, ob der Mann der Polizei bereits wegen Straftaten bekannt war. Ebenso wurde zunächst nicht bekannt, ob der verletzte 35 Jahre alte Kölner und der Messerstecher sich bereits vor der Zugfahrt gekannt hatten.

Polizistin soll sich bislang nicht geäußert haben

Wegen des Schusswaffengebrauchs durch die Beamtin ist ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Das ist in solchen Fällen üblich. Dadurch soll geklärt und dokumentiert werden, ob der tödliche Einsatz der Schusswaffe gerechtfertigt und verhältnismäßig war. Die Beamtin selbst, so hieß es aus Polizeikreisen, soll sich bisher nicht geäußert haben.

Erkenntnisse über den Auslöser des Streits erhoffen sich die Ermittler durch die Aussage des verletzten Kölners. Die Staatsanwaltschaft geht nicht von einem terroristischen oder sonstigen politischen Hintergrund aus. „Es gibt überhaupt keine Hinweise darauf“, sagte Flensburgs Leitende Oberstaatsanwältin Ulrike Stahlmann-Liebelt.

Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) lobte den Einsatz der Polizistin: „Sie hat in ihrer Freizeit hier bei uns in Schleswig-Holstein mutmaßlich Schlimmeres verhindert und wurde dabei selbst verletzt.“

Polizisten in der Pflicht, bei Streit einzugreifen

Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Torsten Jäger sprach von einem „couragierten Eingreifen“. Joachim Lenders, stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) lobte den Einsatz der Beamtin ebenfalls als „mutig“ und „genau richtig“. Lenders: „Nach allem, was mir bislang bekannt ist, kann man von einer klassischen Notwehrsituation ausgehen.“

Dass Polizisten in Uniform Züge oder anderen öffentlichen Verkehrmitteln kostenfrei nutzen dürfen, begrüßt er. „Wenn man damit als Polizist erkennbar ist, muss man auch in kritischen Situationen adäquat eingreifen können. Deshalb sehen in Hamburg auch die Dienstvorschriften vor, dass der Polizist sich in dem Fall so zu verhalten hat, als sei er im Dienst.“ Das bedeute natürlich auch, dass er die Pflicht hat in solchen Situationen einzugreifen.

Kommt es zu brenzligen Situationen in Zügen, können Fahrgäste über Notrufmelder, die wie eine Gegensprechanlage funktionieren, den Zugführer oder Fahrdienstleiter informieren. Die rufen dann die Polizei. In der Regel fahren die Züge noch bis zur nächsten Haltestelle. So haben eintreffende Polizisten genug Zeit sich schon vorher auf dem Bahnsteig zu postieren.

In größeren Bahnhöfen, in Hamburg im Hauptbahnhof, in Altona oder Harburg, gibt es Wachen der Bundespolizei, die deutschlandweit für die Sicherheit im Fern- aber auch S-Bahnverkehr zuständig ist. In Schleswig-Holstein ist im Bahnhof Kiel eine Wache der Bundespolizei. In vielen mittelgroßen Bahnhöfen gibt es „Dienstverrichtungszimmer“, die aber nicht rund um die Uhr besetzt sind. Neben Bundespolizisten werden auch Beamte der Landespolizei alarmiert. In besonders schweren Fällen hält ein Zug auch auf freier Strecke – aber nur, wenn der Ort von Einsatzfahrzeugen zu erreichen ist.