Wentorf. Arte dreht den Mehrteiler „Novembersturm“ über den Kieler Matrosenaufstand im November 1918. Bekannte norddeutsche Orte kommen vor.

Im November 1918 blickte Deutschland nach Kiel. Am Ende des Ersten Weltkriegs waren die Soldaten müde, es liefen bereits Vorverhandlungen zu einem Waffenstillstand. Da bekam die Marine den Befehl, sie sollte noch einmal gegen überlegene Verbände der Briten auslaufen. Aber die Soldaten der Hochseeflotte in Wilhelmshaven wollten nicht mehr, sie meuterten, etwa 1000 von ihnen wurden verhaftet.

Die Rebellion verbreitete sich auch auf dem Festland, die Menschen zeigten ihre Solidarität, insbesondere die Arbeiter stellten sich an die Seite der Matrosen. In Kiel erschossen Soldaten am 3. November 1918 sieben Demonstranten. Rasch wuchs sich der Kieler Aufstand zur reichsweiten Novemberrevolution aus. Am Ende dankten Kaiser Wilhelm II. und sämtliche Bundesfürsten ab, und auf die Monarchie folgte in Deutschland die parlamentarische Demokratie mit der Errichtung der Weimarer Republik. Die Ereignisse um den Matrosenaufstand werden zurzeit verfilmt. Arte setzt sie im Doku-Drama „Novembersturm“ um. Am Dienstag wurde in einer alten Reedersvilla in Wentorf (Schleswig-Holstein) gedreht.

Auch „Querdenker“ kommen zu Wort

Die Szene soll im Besprechungsraum der Kieler Marinestation spielen. Wilhelm Souchon (Ernst Stötzner), Admiral und Gouverneur von Kiel, empfängt den SPD-Mann Gustav Noske (Rainer Reiners). Mit dabei sind auch Souchons Frau Luise (Mignon Remé) und sein Adjutant von Bückwitz (Oliver Hermann). Noske wurde vom Reichskanzler nach Kiel geschickt, um dort die brenzlige Lage zu beruhigen. Der frisch angekommene Politiker überrascht den Militär mit den Worten. „Ich wollte nicht mit leeren Händen kommen und habe mich an die Spitze der Revolution gestellt. Sie reden gerade mit dem neuen Vorsitzenden des Arbeiter- und Soldatenrates.“

Souchon ist entsetzt: „Ich habe Sie hergeholt, um zu vermitteln.“ Doch Noske entgegnet: „40.000 Matrosen überwältigen kann man nicht so einfach. Nicht mit Gewalt, aber mit politischer List.“ Der Sozialdemokrat bietet an, die Lage in der Stadt binnen 24 Stunden zu entschärfen. Seine Bedingung: „Vollständige Amnestie für die Matrosen.“ Souchon stürmt aus dem Zimmer, um sich mit seinem Stab zu besprechen.

Die weibliche Perspektive

„Das ist hier eine schöne Location, ein Geschenk“, schwärmte Regisseur Jens Becker, der auch das Drehbuch geschrieben hat. Die in dunklem Holz gehaltene Wentorfer Villa mit ihrer großen Bibliothek versprüht wilhelminischen Retro-Charme, der durch den leicht muffigen Geruch noch verstärkt wird.

Ein wichtiger weiterer Protagonist ist der Zeitzeuge Karl Artelt (Lucas Prisor). Und obwohl die Filmemacher um historische Genauigkeit bemüht sind, haben sie ihm eine fiktive Figur an die Seite gestellt, seine Verlobte Helene, gespielt von Henriette Confurius. NDR-Redakteurin Ulrike Dotzer erklärt, diese Erfindung bringe die weibliche Perspektive in den Film, die von den fast ausschließlich männlichen Historikern meistens vernachlässigt wurde. „Es war eine Volksbewegung aus der Existenznot heraus, ein Aufstand gegen die überkommene Elite“, beschreibt sie die historische Dimension der Ereignisse.

Ausstrahlung im Herbst 2018

In den Dokumentarfilm-Teilen von „Novembersturm“ kommen außerdem Menschen zu Wort, die Regisseur Jens Becker als Querdenker bezeichnet: Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, der ehemalige SPD-Ministerpräsident Björn Engholm und Flotillenadmiral Kay-Achim Schönbach, Kommandeur der Marineschule Mürwik.

„Der Film wird ein ziemlich buntes Bild seiner Zeit abgeben“, sagte Becker. Das Doku-Drama soll nicht kammerspielartig wirken, sondern auch immer wieder Blicke nach draußen wagen, auf die Straßen und die Förde. Gedreht wurde an zwölf Tagen und zahlreichen norddeutschen Locations wie der Marineschule Mürwik in Flensburg, dem Museumsbahnhof in Schönberg, der Howaldtschen Eisengießerei in Kiel und dem Dampfschiff „Stettin“ im Museumshafen Övelgönne. Produziert wird „Novembersturm“ vom Hamburger Michael Eckelt und der Riva Film. Das Doku-Drama wird voraussichtlich im Herbst 2018 auf Arte und im NDR gezeigt.