Geesthacht. Förderkreis will die Historie der “Pulverkammer Deutschlands“ aufarbeiten. Wie Alfred Nobel an der Elbe das Dynamit erfand.

Vor 150 Jahren ließ sich Alfred Nobel das von ihm erfundene Dynamit patentieren. Es war eine Lizenz zum Gelddrucken, wie sich herausstellen sollte. Er häufte ein Vermögen an, von dem die Welt noch heute zehrt, wenn alljährlich die Nobelpreise in Schweden vergeben werden. Doch den Grundstock für das Stiftungskapital legte Nobel vor gut 150 Jahren in Krümmel bei Geesthacht. Die Hamburger hatten dem Schweden zuvor einen Korb gegeben. Sie wollten seine explosive Fabrik nicht.

Zu gefährlich, beschieden die Hanseaten. Das im Herzogtum Lauenburg gelegene Krümmel bei Geesthacht war risikofreudiger. Nach dem Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 bemühte sich das Herzogtum um einen Anschluss an Preußen, setzte aber vorerst auf eigene Faust auf Industrialisierung. Die Pläne von Nobel waren willkommen.

Beim ersten Versuch explodierte die Fabrik

Über schwedische Kaufleute bekam Alfred Nobel (1833-1896) 1865 ein Grundstück in Krümmel bei Geesthacht an der Elbe vermittelt, das der Chemiker für 14.000 Taler kaufte, wie der Hamburger Historiker Eckardt Opitz berichtet. Dort errichtete der Schwede dann seine Fabrik für Nitroglycerin, das wenige Jahre zuvor vom Italiener Ascanio Sobrero erfunden worden war.

Doch schon kurz nach der Fertigstellung flog die von Nobel gegründete Fabrik 1866 in die Luft. Die verheerende Explosion brachte dem schwedischen Unternehmer, der sich zur Zeit des Unglücks in New York aufhielt, erheblichen Ärger ein. Den Behörden im Herzogtum Lauenburg versprach er, nach dem Wiederaufbau einen sehr viel sichereren Sprengstoff zu produzieren.

Er hielt Wort und erfand das „Sicherheitspulver“ Dynamit

Er hielt Wort und erfand 1867 das „Sicherheitspulver“ Dynamit, das er sich am 7. Mai in England und am 19. September in Schweden patentieren ließ. Wann es in Preußen geschützt wurde, ist unklar.

Ganz Europa suchte damals nach einem solchen Sprengstoff, sagt Ulrike Neidhöfer, die den Förderkreis Industriemuseum Geesthacht leitet. Vor allem beim Bau von Eisenbahnen und Tunneln sowie im Bergbau, wo sich das seit dem Mittelalter gebräuchliche Schwarzpulver als zu schwach erwies, war der Bedarf riesengroß.

Die Erfindung machte Geesthacht zur Pulverkammer Deutschlands

Nobel, dessen Vater schon Rüstungsfabrikant im russischen Sankt Petersburg gewesen war, kam nach vielen Experimenten auf die erfolgreiche Mischung aus Nitroglycerin und Kieselgur. Das sehr poröse Sediment aus Kieselalgen wurde weiter südlich bei Uelzen abgebaut und mit Nitroglycerin getränkt. Das verminderte die Sprengkraft des Nitroglycerins nur um ein Viertel, machte es aber unempfindlich für Erschütterungen und damit handhabbarer. Der Erfinder nannte den neuen Sprengstoff nach dem altgriechischen Wort dynamis (Kraft) „Dynamit“ oder „Nobels Sicherheits-Pulver“.

Die bahnbrechende Erfindung von der Elbe ließ in Geesthacht die „Pulverkammer Deutschlands“ wachsen. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg entstanden riesige Rüstungsbetriebe.

Nobels Unternehmen wuchs sehr schnell

Bereits 1867 wurden elf Tonnen Dynamit in der Fabrik auf dem Krümmel produziert. Die Produktion steigerte sich schnell: 1876 wurden bereits 5000 Tonnen auf dem Krümmel hergestellt. Innerhalb von acht Jahren gründete Nobel weltweit 15 Dynamit-Fabriken, sagt Neidhöfer. Doch Krümmel blieb die wichtigste. „Hier hat er den Grundstein für sein Vermögen gelegt“, sagt die Museumspädagogin.

Der Schwede sei geschäftstüchtig gewesen. Für sein Produkt habe er mit Probesprengungen in Bergwerken in Clausthal (Harz) und in der Zeche Dorstfeld (Dortmund) geworben. Bereits 1865 hatte er in Hamburg die Gesellschaft Alfred Nobel & Co gegründet. Das später in Dynamit AG umbenannte Unternehmen wurde zu einem wichtigen Rüstungsunternehmen.

Der Hindenburg-Plan industrialisierte Geesthacht

Im Ersten Weltkrieg verwandelte der Hindenburg-Plan Geesthacht in eine riesige Sprengstofffabrik mit eigenem Bahnanschluss. Im Zweiten Weltkrieg folgte ein weiterer Ausbau. Bei Kriegsende habe die Anlage aus mehr als 700 Gebäuden bestanden, sagt Meder. Doch davon ist heute fast nichts mehr zu sehen. Die Briten ließen nach 1945 fast alle Gebäude sprengen. In den 1970er Jahren begann auf dem Gelände der Bau des Kernkraftwerks Krümmel, das 2011 stillgelegt wurde.

Die Stadt Geesthacht verdankt Alfred Nobel ihre industrielle Entwicklung, aber auch ein zwiespältiges Erbe. Noch in den 1990er Jahren sei der Schwede im städtischen Museum als „Arbeiter-Ausbeuter“ und „Kriegsgewinnler“ präsentiert worden, sagt Neidhöfer. Tatsächlich sei ihm die Karriere in der Kriegsproduktion schon in die Wiege gelegt worden, er habe aber an den ethischen Diskussionen seiner Zeit teilgenommen.

Nobel verliebte sich in eine Pazifistin

Mit 43 Jahren habe er sich in die junge Bertha von Suttner verliebt. Mit der Pazifistin, die später den Friedensnobelpreis erhielt, stand der Dynamit-Erfinder in einem regen Briefwechsel. „Ich bin für den Frieden, aber Abschreckung ist das Beste“ - diese Meinung habe Nobel vertreten.

Nobel habe sich auch Sorgen um seinen Nachruf gemacht, sagt die schwedische Biografin Ingrid Carlberg. Nach dem Tod eines seiner Brüder schrieb die französische Zeitung „Le Figaro“ am 15. April 1888 irrtümlich mit Bezug auf Alfred Nobel: „Der Händler des Todes ist gestorben.“ Diese Darstellung habe ihn schockiert.

Den Großteil seines Vermögens stiftete er

Die Entscheidung, einen Großteil seines Vermögens - gut 31 Millionen Kronen - in die Nobelpreisstiftung zu stecken, sei jedoch nicht allein vom schlechten Gewissen getrieben gewesen. Er habe an die Verteidigung des Friedens durch militärische Stärke geglaubt.

„Sein Leben lang hat er über Waffen nachgedacht“, sagt seine schwedische Biografin Ingrid Carlberg. Bis zuletzt habe eine Kanone für Testzwecke in seinem Garten in San Remo gestanden. Der Förderkreis Industriemuseum Geesthacht will die Geschichte bewahren und arbeitet nach Angaben der Vorsitzenden Neidhöfer am Aufbau eines virtuellen Museums.