Kiel. Grüne und FDP sprechen zunächst ohne CDU. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Lage in Schleswig-Holstein nach der Wahl.

Zwei Tage nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein kristallisierte sich am Dienstag heraus, wie die Verhandlungen auf dem Weg zu einer Regierungsbildung ablaufen könnten – unter Führung der CDU oder der SPD. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Wann wird die neue
Landesregierung stehen?

Das könnte bis zur parlamentarischen Sommerpause dauern, die am 24. Juli beginnt. Das würde bedeuten: Die Küstenkoalition mit dem Ministerpräsidenten Torsten Albig (SPD) bleibt noch mindestens zwei Monate im Amt. Überraschungssieger Daniel Günther (CDU) hat angekündigt, mit Koalitionsverhandlungen erst in der kommenden Woche zu beginnen. Er hält es für unwahrscheinlich, dass er bis zur Landtagssitzung am 6. Juni zu einem Ergebnis kommt. An jenem Tag sollte eigentlich der neue Ministerpräsident gewählt werden.

Die Grünen haben zudem bereits angekündigt, zwei Parteitage dazwischenschalten zu wollen: einen nach den Sondierungsgesprächen, um zu entscheiden, mit welchen Parteien verhandelt werden soll, und einen weiteren nach den Koalitionsverhandlungen, um über das Ergebnis abzustimmen. Das braucht Zeit.

Wer spricht zuerst mit wem?

Die beiden kleineren Partner einer Jamaika- oder einer Ampelkoalition, Grüne und FDP, treffen sich schon am kommenden Montag zu einem ersten Sondierungsgespräch. Die CDU ist nicht dabei. Eingeladen dazu haben die Grünen. Robert Habeck hatte diese Idee schon am Wahlabend entwickelt. Es sei doch charmant, hatte er gesagt, wenn die beiden kleinen Partner gemeinsam überlegen würden, mit welchem großen Partner eine Koalition möglich wäre.

Die FDP hat die Einladung angenommen. Am Montag, um 20 Uhr, wird man sich irgendwo in Kiel treffen. Seitens der Grünen sitzen am Tisch: die Landesvorsitzende Ruth Kastner, die Fraktionsvorsitzende Eka von Kalben, Spitzenkandidatin Monika Heinold sowie Landwirtschaftsminister Robert Habeck. Die FDP wird ebenfalls vier Vertreter schicken, darunter den Landesvorsitzenden Heiner Garg und Fraktionschef Wolfgang Kubicki.

Gespräche mit CDU, Grünen und FDP wird es frühestens am Dienstag der kommenden Woche geben. Die Christdemokraten müssen noch ihre Verhandlungsstrategie festlegen. Am Freitag will Daniel Günther Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen machen, wo am Sonntag gewählt wird.

Welche Koalitionen sind
grundsätzlich möglich?

Die Lage nach der Landtagswahl ist kompliziert. Zwar ist die CDU mit 25 Sitzen klar stärkste Fraktion geworden. Sie braucht aber mindestens zwei weitere Fraktionen, um auf die Regierungsmehrheit von 37 Sitzen zu kommen. Der SSW (drei Sitze) hat bereits verkündet, nicht mit der CDU koalieren zu wollen. Mit der AfD will wiederum die CDU nicht zusammengehen.

Als Partner bleiben folglich nur die Grünen (zehn) und die FDP (neun) übrig. Günther strebt diese Jamaikakoalition an, die FDP ebenso. Zwar hatte der FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki vor der Wahl noch behauptet, Jamaika sei eigentlich nur dann möglich, wenn die FDP stärker sei als die Grünen. Doch nach der Wahl war dieser Satz von ihm nicht mehr zu hören – vielleicht, weil die FDP hinter den Grünen landete.

Die Grünen wiederum streben nicht eine Jamaika-, sondern eine Ampelkoalition mit SPD und FDP an. Auch sie hätte eine Mehrheit. Sollten beide Dreierkoalitionen scheitern, wäre eine Große Koalition aus CDU und SPD möglich – für Günther ist das allerdings nur eine Notlösung.

Wer wird die neuen
Landtagsfraktionen anführen?

Die CDU hat am Dienstag Daniel Günther zum alten und neuen Fraktionschef gewählt. Sollte er Ministerpräsident werden, wird er dieses Amt wieder abgeben. Nachfolger könnte der Ahrensbur­ger Landtagsabgeordnete Tobias Koch werden.

Die SPD-Landtagsfraktion hat Ralf Stegner erstmals einstimmig zum Fraktionschef gewählt. Die FDP wählte am Dienstag Wolfgang Kubicki. Der 65-Jährige wird das Mandat und damit auch den Posten des Fraktionschefs abgeben, falls er im September in den Bundestag gewählt wird. Alle anderen Fraktionen haben noch nicht getagt.

Geht der Wahlverlierer SPD
in die Opposition­?

Das ist noch offen. Fraktionschef Stegner sprach am Dienstag nach einer Fraktionssitzung von einer „schwierigen Übergangszeit“. Es sei unklar, ob die Sozialdemokraten „Regierungsfraktion bleiben oder Oppositionsfraktion werden“, sagte er.

„Wir streben natürlich Ersteres an.“ Die SPD werde zwar mit der gebotenen Zurückhaltung auftreten, weil sie nicht stärkste Fraktion geworden sei, „aber auch mit dem Selbstbewusstsein einer Fraktion, die mitnichten in Sack und Asche die Geschehnisse betrachtet“.

Was wird aus Torsten Albig?

Das war am Dienstag in Kiel die meistdiskutierte Frage. Der amtierende Ministerpräsident und Chef der abgewählten Küstenkoalition hat sich dazu noch nicht eindeutig geäußert. Klar ist, dass der Ministerpräsident so lange im Amt bleibt, bis ein neuer gewählt wird.

Aber was passiert danach? Kubicki hat bereits angekündigt, dass eine Ampelkoalition mit Albig nicht denkbar sei. Deshalb könnte es sein, dass Albig kommende Woche ankündigt, als Ministerpräsident einer solchen Koalition nicht zur Verfügung zu stehen. Ihm bliebe sein Landtagsmandat, das er direkt im Kieler Norden errungen hat. Albig hat schon öfter den gesellschaftlichen Umgang mit Wahlverlierern in Deutschland kritisiert.

Hier seien Verlierer verbrannt, findet er. Ihm gefalle das dänische Modell. Dort sei es ganz normal, dass abgewählte Ministerpräsidenten wieder in ihre Fraktion einscherten und weitermachten. Ob er diesen Weg tatsächlich gehen mag und kann, bleibt abzuwarten.