Aachen/Hamburg. Kadettin Jenny Böken starb 2008 bei der Fahrt des Segelschulschiffs zum Hafengeburtstag. Vater sieht neue “Mosaiksteine“.
Das Drama geschah in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2008 auf dem Segelschulschiff Gorch Fock auf der Fahrt zum Hafengeburtstag in Hamburg. Jenny Böken, die am 5. September 2008 19 Jahre alt geworden wäre, ging aus ungeklärten Umständen über Bord. Erst nach elf Tagen wurde ihre Leiche von der Besatzung des Forschungsschiffs Walter Herrwig III nordwestlich von Helgoland entdeckt. Seitdem kämpfen die Eltern, die in der Nähe von Aachen leben, um die nähere Aufklärung der Todesumstände.
Durch die Ausstrahlung des TV-Films „Tod einer Kadettin“ sowie einer Dokumentation im Anschluss haben sich für Jennys Vater Uwe Böken neue Aspekte ergeben. „Weitere Mosaiksteinchen, die uns gefehlt haben, sind dazu gekommen, auch im Vorfeld der Ausstrahlung“, sagte Böken der dpa. Unter anderem hätten sich frühere Kameraden seiner Tochter gemeldet, die jetzt nicht mehr bei der Bundeswehr seien.
Staatsanwalt sieht keine Befangenheit
Das Produktionsteam habe bei Recherchen zu dem Film herausgefunden, dass der Arzt bei der späteren Obduktion einen Bezug zur „Gorch Fock“ habe, sagte Böken. Der Sohn dieses Arztes habe in der Todesnacht wenige Meter von Jenny entfernt Dienst getan. Der Obduktionsarzt sei damit „im höchsten Maße befangen“ gewesen. „Die Obduktion ist für mich Makulatur“, sagte Böken. Im Obduktionsbericht heißt es, Todesursache sei „am ehesten Ertrinken“.
Es sei richtig, dass der Sohn des Arztes auf dem Schiff war, bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Kiel: „Aber es gibt keine Befangenheit.“ Die Obduktion werde ja nicht nur von einer Person gemacht, sondern von einem Team, auch im Beisein der Staatsanwaltschaft. Es habe keinen Grund gegeben, an der Arbeit des Obduzenten zu zweifeln. Aus diesem Grund habe es keine Besorgnis der Befangenheit gegeben, sagte der Sprecher.
Eltern sehen mehrere Ungereimtheiten
Die Eltern bezweifeln, dass ihre Tochter ertrunken ist und schließen ein Kapitalverbrechen nicht aus. Anders als beim Ertrinken üblich sei in der Lunge ihrer Tochter kein Wasser gefunden worden. Auf seiner Internetseite beschreibt der Vater eine Vielzahl von anderen Ungereimtheiten. Dabei geht es unter anderem um das Ausbleiben der ordnungsgemäßen Meldung seiner Tochter, die im Wachdienst eingesetzt war, auf die niemand an Bord reagiert habe. Zudem sei das in solchen Fällen übliche „May-Day“-Signal ausgeblieben, mit dem alle Schiffe in der Umgebung aufgefordert werden, sich sofort an der Suche zu beteiligen.
„Der Film hat eindringlich dargestellt, dass wir nicht die durchgeknallten Eltern sind, die den Tod ihrer Tochter nicht verarbeiten, sondern dass wir einfach so viele unbeantwortete Fragen haben, dass es völlig natürlich ist, dass wir weiterfragen“, sagte Uwe Böken.
Auf der juristischen Ebene sind die Eltern immer wieder gescheitert. Im November 2015 wurde die Beschwerde der Eltern beim Bundesverfassungsgericht nicht zugelassen. Im September 2016 wies auch das Oberverwaltungsgericht Münster einen Entschädigungsanspruch der Eltern ab.